Es geht um mehr
Nachbarschaftshilfe Salvator feiert am Sonntag ihr 30-jähriges Bestehen
AALEN (an) - Die Nachbarschaftshilfe Salvator feiert am kommenden Sonntag ihr 30-jähriges Bestehen. Was mit sechs Helfern begann, ist auf 115 im Jahr 2018 angewachsen. Ein Besuch.
Heute scheint die Sonne; nicht nur draußen, sondern im Gesicht von Christina Burkhardt. Es kommt Besuch in ihr Zimmer und sie hat Kaffee bestellt. „Es ist so schön dich zu sehen“, freut sich die Seniorin. Christiane Gräupner streicht ihr über den Rücken, nimmt sie in den Arm und reicht ihr die Tasse. „Stupst mich, wenn du nochmal trinken willst.“
Dieser Kontakt kommt nicht von ungefähr. Es handelt sich um einen Dienst der organisierten Nachbarschaftshilfe. Die Mitarbeiter kommen, so wie Christiane Gräupner, im häuslichen Umfeld zum Einsatz, manchmal gehen die Besuchsdienste – wie auch dieser – im Pflegeheim weiter. Sie bieten Alltagsunterstützung und beschäftigen sich mit an Demenz erkrankten Personen. Sie unterstützen bei der Hausarbeit, begleiten zum Arzt, zu Behörden oder machen einen gemeinsamen Spaziergang. Sie bereiten Mahlzeiten zu oder gehen einkaufen. Sie sind einfach da.
Bei Christina Burkhardt änderte sich vor dreieinhalb Jahren das Leben. Ein geplatztes Aneurysma kostete sie zwar nicht das Leben, aber sie ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen. Ihre rechte Hand ist gelähmt. „Es kam ein Schlaganfall dazu“, berichtet Christina Burkhardt. So plötzlich ändert sich alles und man ist von heute auf morgen auf Hilfe angewiesen. Und hier wird nicht von der rein medizinischen oder pflegerischen Versorgung gesprochen. Es geht um mehr. Es geht um das Mensch-Sein, um Würde und um die Dinge, die ein Leben lebenswert machen. Die Nachbarschaftshilfe kommt zum Zug.
Freundschaft hat sich entwickelt
Christiane Gräupner ist seit sechs Jahren Helferin in der organisierten Nachbarschaftshilfe in der katholischen Kirchengemeinde Salvator. Zweimal in der Woche packt sie ihre Tasche, schwingt sich aufs E-Bike und besucht Christina Burkhardt im Samariterstift. Die beiden gehen zusammen spazieren, unterhalten sich mit den Mitbewohnern, trinken Kaffee oder suchen neue Kleider aus. „Ich bringe etwas her und sie probiert es an“, beschreibt Christiane Gräupner. Ein bisschen kennt sie den Geschmack ihrer Betreuten schon. Und sie wissen beide voneinander. Denn mit der Zeit entwickelte sich eine Freundschaft zwischen den Frauen. Für Christiane Gräupner ist es wie eine Auszeit in ihrem prall gefüllten Alltag, für Christina Burkhardt der Moment, in dem die Sonne aufgeht. Genauso, wie wenn sie zum Pinsel greift und ihre wundervollen Werke in Acryl malt. „Ich gebe nicht auf“, sagt sie.
„Es ist der Anspruch an uns selbst, dass wir die Lebensgewohnheiten und persönlichen Lebensmuster der betreuten Personen in den Mittelpunkt stellen“, führt Dorothea Kienle, Leiterin der organisierten Nachbarschaftshilfe, aus. Diese würden sensibel, einfühlsam und respektvoll berücksichtigt und akzeptiert. Das sei zwar nicht immer einfach, so Kienle. Doch: Die Helferinnen und Helfer werden auf ihren Dienst in Kursen vorbereitet, denen das christliche Menschen- und Wertebild zugrunde liegt. Regelmäßig gibt es einen Austausch zwischen den MitarbeiterInnen.
Begonnen mit sechs Mitarbeitern
Vor 30 Jahren nunmehr trat die erste Nachbarschaftshelferin ihren Dienst an. Damals war Lucia Hailer die Einsatzleiterin. Seit dem Jahr 2000 ist Dorothea Kienle mit der Koordination befasst, Christiane Gräupner ist ihre Stellvertreterin. Was mit sechs Mitarbeiterinnen und sieben besuchten Häusern und Wohnungen begann, ist angewachsen auf eine Zahl von 115 MitarbeiterInnen, die 160 Haushalte mit über 200 unterstützten Personen besuchen. „Unsere Hilfe ist mehr gefragt denn je“, weiß Dorothea Kienle aus ihrer langjährigen Erfahrung heraus. Denn das Generationen verbindende Wohnen ist längst nicht mehr das Konzept, das sich viele für ihr Leben ausdenken. Arbeit und Gesellschaft sind anders ausgerichtet, der gute Job wartet in einer fernen Stadt, Mobilität und Erreichbarkeit werden vorausgesetzt. So zieht es Kinder und Enkelkinder in die ganze Welt, die alternden Eltern bleiben alleine.
Christina Burkhardts Kinder wohnen in Köln, Berlin und Fürstenfeldbruck. Zu weit weg für einen täglichen Besuch. Doch dafür kommt Christiane Gräupner. Sie wohnt in Aalen und kann einfach da sein. Und auch wenn es regnet, scheint dann die Sonne, wenn sich die beiden Frauen begegnen. Am kommenden wird der Gottesdienst um 10.30 Uhr von Nachbarschaftshelferinnen mitgestaltet. Anschließend gibt es einen kleinen Umtrunk im Salvatorheim.