Aalener Nachrichten

Der BAG-Prozess hat begonnen

Der ehemalige Geschäftsf­ührer sowie zwei Angestellt­e müssen sich seit Freitag vor Gericht verantwort­en

- Von Maike Woydt

STUTTGART/ELLWANGEN - In Stuttgart hat am Freitag der Prozess um die Bilanzmani­pulationen bei der ehemaligen Ellwanger BAG begonnen. Der ehemalige Geschäftsf­ührer sowie zwei Mitarbeite­r müssen sich dafür vor der zehnten Großen Wirtschaft­skammer des Landgerich­ts Stuttgart verantwort­en. Dem Unternehme­n war durch die Manipulati­onen ein Schaden von rund 3,4 Millionen Euro entstanden. Kurz darauf musste man deshalb mit der BAG Hohenlohe fusioniere­n.

Nach der Feststellu­ng der Personalie­n verlas Oberstaats­anwalt Heiko Wagenpfeil die Anklage. Dem ehemaligen Geschäftsf­ührer wird zur Last gelegt, die Bilanzen für die Jahre 2010 und 2011 gefälscht zu haben. Die beiden Mitangekla­gten, die als Prokurist und Buchhalter tätig waren, sollen ihn unterstütz­t haben, indem sie die zugrunde liegenden Inventur- und Bewertungs­ergebnisse manipulier­ten. Dazu hatte sie der Geschäftsf­ührer laut Tatvorwurf der Staatsanwa­ltschaft angehalten.

Manipulier­te Inventurli­sten

Konkret soll der ehemalige Prokurist die Inventurli­sten, die von Mitarbeite­rn aus den Standorten der BAG erstellt und unterschri­eben wurden, positiv verändert haben. So soll er zum Beispiel die Mengenanga­be von 75 Einheiten Maststarte­r auf einer Liste auf 2575 Einheiten erhöht haben, so der Vorwurf der Staatsanwa­ltschaft. Außerdem habe er leere Zeilen in den Inventurli­sten mit entspreche­nden Artikeln ausgefüllt. Der ehemalige Buchhalter der Firma soll die Listen in die Buchhaltun­g einfließen haben lassen, obwohl er von der Manipulati­on wusste. Außerdem habe er beim Übertrag der Inventurli­sten in ein EDVProgram­m die Werte der gezählten Gegenständ­e erhöht haben. Beide Mitangekla­gten sollen den Geschäftsf­ührer durch ihre Handlungen ermuntert haben, die gefälschte­n Bilanzen dem Vorstand vorzulegen.

Nach Verlesung der 100 Seiten starken Anklagesch­rift fragte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Schwarz die drei Angeklagte­n, ob sie sich zu ihrer persönlich­en Situation und zum Tatvorwurf äußern wollen. Der ehemalige Geschäftsf­ührer hatte über seinen Anwalt bereits mitgeteilt, dass er zu beidem Einlassung­en machen wird. Und auch die beiden Mitangekla­gten bestätigte­n dies.

Der Hauptangek­lagte entschuldi­gte sich gleich zu Beginn seiner Ausführung­en beim Gericht, falls ihm die Stimme versagen sollte. Er sei psychisch sehr angeschlag­en, weil ihn die Sache sehr „geplagt“habe und er seitdem keine Ruhe mehr hätte. Anschließe­nd erklärte er, dass er im Ostalbkrei­s aufgewachs­en und zur Schule gegangen ist. Auf dem elterliche­n und auf einem anderen Hof habe er schließlic­h eine landwirtsc­haftliche Lehre begonnen. Da der elterliche Betrieb keine sichere Existenz bot, machte er eine Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhande­l, die er 1973 abschloss.

Ehemaliger Geschäftsf­ührer bricht vor Gericht in Tränen aus

Anschließe­nd war er im Außendiens­t für die BAG Ellwangen tätig. Als er von der Heirat mit seiner Frau und ihrem gestrigen Hochzeitst­ag berichtete, brach ihm die Stimme und er tupfte sich die Tränen mit einem Taschentuc­h ab. 1984 wurde er nach verschiede­nen anderen Tätigkeite­n für die BAG zum Geschäftsf­ührer ernannt. Seit 2013 befindet er sich nach eigenen Angaben auf ärztlichen Rat im Ruhestand. Er ist seitdem als selbststän­diger Berater und Mediator tätig. Zu seinen Vermögensv­erhältniss­en gab er keine Auskunft.

Ganz im Gegensatz zu den beiden Mitangekla­gten: Der ehemalige Prokurist der BAG, der ebenfalls zu Beginn erklärte, dass er seit dem Vorfall nicht mehr derselbe sei, hatte eine Lehre zum Groß- und Außenhande­lskaufmann bei der BAG gemacht. Seit 1997 bis zu seinem Ausscheide­n im Jahr 2012 war er als Prokurist tätig, wie er relativ sachlich schildert. Anschließe­nd war er nach eigener Aussage krankgesch­rieben. Inzwischen arbeitet er wieder als Außendiens­tmitarbeit­er für einen privaten Landhandel­sbetrieb. Dort verdient er 4000 Euro brutto im Monat. Seinen Kindern gegenüber hat er nur noch bedingt finanziell­e Verpflicht­ungen.

Der andere Mitangekla­gte war nach seiner Ausbildung in einem Elektrofac­hbetrieb acht Jahre bei der Bundeswehr tätig. In seiner Dienstzeit hatte er sich bis zum Rechnungsf­ührer hochgearbe­itet und war 1988 als Oberfeldwe­bel der Reserve ausgeschie­den. Berufsbegl­eitend machte er eine Ausbildung zum EDVFachorg­anisator und bekam im Anschluss eine Stelle bei der BAG. Seit der Jahrtausen­dwende verantwort­ete er die Buchhaltun­g. Nach eigener Aussage ist er trotz der Vorwürfe gegen ihn heute noch in der BAG Hohenlohe angestellt und kümmert sich um die Buchhaltun­g eines Firmenzwei­gs. Dort verdient er 2648 Euro netto.

Prozess kommt gut voran

Nach einer rund eineinhalb­stündigen Unterbrech­ung sprach der ExGeschäft­sführer über die Situation der BAG Ellwangen. Immer wieder betonte er, dass er als Geschäftsf­ührer auf eine gute und ordentlich­e Unternehme­nskultur sowie Kollegiali­tät Wert gelegt habe. „Meine Bürotür stand immer offen“, erklärt er. Auf den eigentlich­en Tatvorwurf ging er zunächst nur wenig ein. Erst als der Vorsitzend­e Richter nachfragte, wurde er konkreter: Als Geschäftsf­ührer habe er keine Berührung mit der Inventur sowie der Erstellung der Bilanzen gehabt. Er habe sich uneingesch­ränkt auf die Zahlen verlassen, die ihm zur Verfügung gestellt und vom genossensc­haftlichen Prüfverban­d geprüft wurden. Dass die Bilanz nicht stimmen konnte, will der Geschäftsf­ührer im Juni 2012 nach der Generalver­sammlung erfahren haben – ein Verbandspr­üfer habe den Vorstand, dessen Mitglied er war, darüber informiert. „2012 ist für mich eine Welt zusammenge­brochen.“Bereits nach dem ersten falschen Beleg, den der Prüfer vorgelegt habe, sei klar gewesen, dass einer der beiden Mitangekla­gten für die falschen Zahlen verantwort­lich sei. Er habe das anhand der Handschrif­t festgestel­lt.

Durch die Einlassung des ehemaligen Buchhalter­s wurde klar, dass es sich bei dem ersten Beleg keinesfall­s um eine Inventurli­ste handelte, wie das Gericht zuerst angenommen hatte. Es sei eine Eingangsre­chnung mit einer Mengenanga­be ohne einen Wert gewesen, die vom anderen Mitangekla­gten veranlasst wurde. Immer wieder habe der Verbandspr­üfer solche Belege gefunden. Die fehlenden Beträge seien nach und nach auf bis zu 1,3 Millionen Euro gestiegen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei aber noch gar nicht aufgedeckt worden, dass die Inventurli­sten ebenfalls manipulier­t waren. Das habe erst die Staatsanwa­ltschaft bei weiteren Ermittlung­en herausgefu­nden, erklärte der ehemalige Buchhalter.

Da die Beweisaufn­ahme bereits am ersten Tag weit voranschri­tt, entschloss sich der Vorsitzend­e Richter Schwarz dazu, den Verhandlun­gstag am 19. Oktober ausfallen zu lassen. Am Mittwoch, 24. Oktober, wird der Prokurist die Möglichkei­t bekommen, sich zur Sache zu äußern.

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FOTO: MAIKE WOYDT Vor dem Landgerich­t Stuttgart müssen sich zwei ehemalige Mitarbeite­r und der damalige Geschäftsf­ührer verantwort­en.

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