Der BAG-Prozess hat begonnen
Der ehemalige Geschäftsführer sowie zwei Angestellte müssen sich seit Freitag vor Gericht verantworten
STUTTGART/ELLWANGEN - In Stuttgart hat am Freitag der Prozess um die Bilanzmanipulationen bei der ehemaligen Ellwanger BAG begonnen. Der ehemalige Geschäftsführer sowie zwei Mitarbeiter müssen sich dafür vor der zehnten Großen Wirtschaftskammer des Landgerichts Stuttgart verantworten. Dem Unternehmen war durch die Manipulationen ein Schaden von rund 3,4 Millionen Euro entstanden. Kurz darauf musste man deshalb mit der BAG Hohenlohe fusionieren.
Nach der Feststellung der Personalien verlas Oberstaatsanwalt Heiko Wagenpfeil die Anklage. Dem ehemaligen Geschäftsführer wird zur Last gelegt, die Bilanzen für die Jahre 2010 und 2011 gefälscht zu haben. Die beiden Mitangeklagten, die als Prokurist und Buchhalter tätig waren, sollen ihn unterstützt haben, indem sie die zugrunde liegenden Inventur- und Bewertungsergebnisse manipulierten. Dazu hatte sie der Geschäftsführer laut Tatvorwurf der Staatsanwaltschaft angehalten.
Manipulierte Inventurlisten
Konkret soll der ehemalige Prokurist die Inventurlisten, die von Mitarbeitern aus den Standorten der BAG erstellt und unterschrieben wurden, positiv verändert haben. So soll er zum Beispiel die Mengenangabe von 75 Einheiten Maststarter auf einer Liste auf 2575 Einheiten erhöht haben, so der Vorwurf der Staatsanwaltschaft. Außerdem habe er leere Zeilen in den Inventurlisten mit entsprechenden Artikeln ausgefüllt. Der ehemalige Buchhalter der Firma soll die Listen in die Buchhaltung einfließen haben lassen, obwohl er von der Manipulation wusste. Außerdem habe er beim Übertrag der Inventurlisten in ein EDVProgramm die Werte der gezählten Gegenstände erhöht haben. Beide Mitangeklagten sollen den Geschäftsführer durch ihre Handlungen ermuntert haben, die gefälschten Bilanzen dem Vorstand vorzulegen.
Nach Verlesung der 100 Seiten starken Anklageschrift fragte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schwarz die drei Angeklagten, ob sie sich zu ihrer persönlichen Situation und zum Tatvorwurf äußern wollen. Der ehemalige Geschäftsführer hatte über seinen Anwalt bereits mitgeteilt, dass er zu beidem Einlassungen machen wird. Und auch die beiden Mitangeklagten bestätigten dies.
Der Hauptangeklagte entschuldigte sich gleich zu Beginn seiner Ausführungen beim Gericht, falls ihm die Stimme versagen sollte. Er sei psychisch sehr angeschlagen, weil ihn die Sache sehr „geplagt“habe und er seitdem keine Ruhe mehr hätte. Anschließend erklärte er, dass er im Ostalbkreis aufgewachsen und zur Schule gegangen ist. Auf dem elterlichen und auf einem anderen Hof habe er schließlich eine landwirtschaftliche Lehre begonnen. Da der elterliche Betrieb keine sichere Existenz bot, machte er eine Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandel, die er 1973 abschloss.
Ehemaliger Geschäftsführer bricht vor Gericht in Tränen aus
Anschließend war er im Außendienst für die BAG Ellwangen tätig. Als er von der Heirat mit seiner Frau und ihrem gestrigen Hochzeitstag berichtete, brach ihm die Stimme und er tupfte sich die Tränen mit einem Taschentuch ab. 1984 wurde er nach verschiedenen anderen Tätigkeiten für die BAG zum Geschäftsführer ernannt. Seit 2013 befindet er sich nach eigenen Angaben auf ärztlichen Rat im Ruhestand. Er ist seitdem als selbstständiger Berater und Mediator tätig. Zu seinen Vermögensverhältnissen gab er keine Auskunft.
Ganz im Gegensatz zu den beiden Mitangeklagten: Der ehemalige Prokurist der BAG, der ebenfalls zu Beginn erklärte, dass er seit dem Vorfall nicht mehr derselbe sei, hatte eine Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei der BAG gemacht. Seit 1997 bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2012 war er als Prokurist tätig, wie er relativ sachlich schildert. Anschließend war er nach eigener Aussage krankgeschrieben. Inzwischen arbeitet er wieder als Außendienstmitarbeiter für einen privaten Landhandelsbetrieb. Dort verdient er 4000 Euro brutto im Monat. Seinen Kindern gegenüber hat er nur noch bedingt finanzielle Verpflichtungen.
Der andere Mitangeklagte war nach seiner Ausbildung in einem Elektrofachbetrieb acht Jahre bei der Bundeswehr tätig. In seiner Dienstzeit hatte er sich bis zum Rechnungsführer hochgearbeitet und war 1988 als Oberfeldwebel der Reserve ausgeschieden. Berufsbegleitend machte er eine Ausbildung zum EDVFachorganisator und bekam im Anschluss eine Stelle bei der BAG. Seit der Jahrtausendwende verantwortete er die Buchhaltung. Nach eigener Aussage ist er trotz der Vorwürfe gegen ihn heute noch in der BAG Hohenlohe angestellt und kümmert sich um die Buchhaltung eines Firmenzweigs. Dort verdient er 2648 Euro netto.
Prozess kommt gut voran
Nach einer rund eineinhalbstündigen Unterbrechung sprach der ExGeschäftsführer über die Situation der BAG Ellwangen. Immer wieder betonte er, dass er als Geschäftsführer auf eine gute und ordentliche Unternehmenskultur sowie Kollegialität Wert gelegt habe. „Meine Bürotür stand immer offen“, erklärt er. Auf den eigentlichen Tatvorwurf ging er zunächst nur wenig ein. Erst als der Vorsitzende Richter nachfragte, wurde er konkreter: Als Geschäftsführer habe er keine Berührung mit der Inventur sowie der Erstellung der Bilanzen gehabt. Er habe sich uneingeschränkt auf die Zahlen verlassen, die ihm zur Verfügung gestellt und vom genossenschaftlichen Prüfverband geprüft wurden. Dass die Bilanz nicht stimmen konnte, will der Geschäftsführer im Juni 2012 nach der Generalversammlung erfahren haben – ein Verbandsprüfer habe den Vorstand, dessen Mitglied er war, darüber informiert. „2012 ist für mich eine Welt zusammengebrochen.“Bereits nach dem ersten falschen Beleg, den der Prüfer vorgelegt habe, sei klar gewesen, dass einer der beiden Mitangeklagten für die falschen Zahlen verantwortlich sei. Er habe das anhand der Handschrift festgestellt.
Durch die Einlassung des ehemaligen Buchhalters wurde klar, dass es sich bei dem ersten Beleg keinesfalls um eine Inventurliste handelte, wie das Gericht zuerst angenommen hatte. Es sei eine Eingangsrechnung mit einer Mengenangabe ohne einen Wert gewesen, die vom anderen Mitangeklagten veranlasst wurde. Immer wieder habe der Verbandsprüfer solche Belege gefunden. Die fehlenden Beträge seien nach und nach auf bis zu 1,3 Millionen Euro gestiegen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei aber noch gar nicht aufgedeckt worden, dass die Inventurlisten ebenfalls manipuliert waren. Das habe erst die Staatsanwaltschaft bei weiteren Ermittlungen herausgefunden, erklärte der ehemalige Buchhalter.
Da die Beweisaufnahme bereits am ersten Tag weit voranschritt, entschloss sich der Vorsitzende Richter Schwarz dazu, den Verhandlungstag am 19. Oktober ausfallen zu lassen. Am Mittwoch, 24. Oktober, wird der Prokurist die Möglichkeit bekommen, sich zur Sache zu äußern.