Mobbing bis zum Rücktritt
Justizminister Sessions war US-Präsident Trump wegen der Russland-Ermittlung seit Langem ein Dorn im Auge
WASHINGTON - Wie Donald Trump über Jeff Sessions denkt, hat Bob Woodward in seinem Enthüllungsbuch „Fear“prägnant beschrieben. Demnach verspottet der Präsident den Politikveteranen aus Alabama bisweilen als hinterwäldlerischen Südstaatler, dessen Intelligenzquotient zu wünschen übrig lasse. Der Mann, gab er einmal zum Besten, tauge nicht mal zum Provinzanwalt einer Ein-Mann-Kanzlei in Alabama.
Dass die Entlassung des Justizministers Sessions nur eine Frage der Zeit sein würde, darin waren sich so ziemlich alle Beobachter in Washington einig. Zu oft hatte sich Trump in zornigen Tweets über den Ex-Senator beschwert, ihn einen Schwächling genannt, weil er ihn nicht vor den Russland-Ermittlungen schütze. Dass er nun seinen Rücktritt erzwang, war alles andere als eine Überraschung. Überraschend war höchstens, mit welcher Eile er Sessions den Dienst quittieren ließ, am Tag nach den Kongresswahlen, als noch nicht einmal alle Ergebnisse feststanden. In den Wochen vor dem Votum hatte es Trump tunlichst vermieden, den Streit mit Sessions hochkochen zu lassen. Es hätte schwankenden Wählern womöglich den letzten Anlass gegeben, auf Distanz zu den Republikanern zu gehen. Nach der Wahl glaubt der Präsident solche Rücksichten nicht mehr nehmen zu müssen.
Ergebene Treue erwünscht
Mit der kommissarischen Besetzung des Amts macht er deutlich, was vor allem er vom Chef des Justizressorts erwartet: bedingungslose Loyalität; ergebene Treue in einer Phase, da Trump offensichtlich mit dem Gedanken spielt, die Nachforschungen des Sonderermittlers Robert Mueller abzuwürgen. Matthew Whitaker, vom Stabschef des Ressorts zum amtierenden Justizminister befördert, hat im Sommer vor einem Jahr in einer Art Handlungsanleitung skizziert, wie man Mueller ausbremsen könnte, ohne ihn feuern zu müssen. In einem Interview mit CNN beschrieb er ein Szenario, in dem Sessions geht, eine Interimsregelung greift und der dann vorübergehend Agierende Mueller zwar weitermachen lässt, sein Budget aber „auf ein so niedriges Niveau reduziert, dass die Untersuchung fast komplett zum Stillstand kommt“. Mueller, schrieb Whitaker zudem in einem Meinungsbeitrag, sei gefährlich nah daran, eine rote Linie zu überschreiten, wenn er die Finanzen des Präsidenten unter die Lupe nehme.
Die meisten Rechtsexperten sehen das anders, im Oval Office indes dürfte man einmal mehr sehr zufrieden mit Whitaker gewesen sein. Er sei Auge und Ohr des Weißen Hauses im Justizministerium, hat John Kelly, der Stabschef der Regierungszentrale, die Rolle des einstigen Staatsanwalts aus Iowa einmal charakterisiert.
Kein Wunder, dass Whitakers Berufung Spekulationen befeuert, nach denen Trump einen Showdown mit Mueller anstrebt, eine Machtprobe, die dem ehemaligen FBI-Direktor die Flügel stutzen soll. Schließlich hätte er auch Rod Rosenstein, Sessions’ Stellvertreter, vorübergehend mit der Leitung des Ressorts beauftragen können. Rosenstein aber steht im Ruf eines unbestechlichen Beamten, der sich weigert, politischem Druck nachzugeben. Es war Rosenstein, der Mueller als Sonderermittler einsetzte, um dem Verdacht geheimer
Absprachen zwischen Trumps Wahlkampfteam und dem Kreml nachzugehen. Sessions hatte sich seinerzeit für befangen erklärt, da er sich als Kampagnenberater Trumps mehrfach mit dem damaligen russischen Botschafter Sergej Kisljak getroffen und dies zunächst unterschlagen hatte. Der Präsident hat es ihm nie verziehen. „SEHR schwach“, urteilte er vor Monaten via Twitter über Sessions.
Dass auch Rosenstein de facto entmachtet wird, lässt im Kongress die Alarmlämpchen blinken. Whitaker, fordert etwa der Senator Chris Coons, einer der führenden Rechtsexperten der Demokraten, möge unmissverständlich erklären, dass er Muellers Unabhängigkeit nicht antasten werde. Um einen wirksamen Verteidigungswall um den Ermittler zu ziehen, müssten sich allerdings auch Vertreter der republikanischen Senatsmehrheit mit der Opposition verbünden. Zumindest einige scheinen dazu bereit, unter ihnen Mitt Romney, 2016 einer der schärfsten Kritiker des Kandidaten Trump, am Dienstag in Utah zum Senator gewählt. Kaum war die Personalrochade verkündet, sprach er Klartext. „Es ist zwingend“, sagte Romney, „dass Mueller seine Arbeit ungehindert fortsetzen kann“.