Aalener Nachrichten

Friedensfo­rum erinnert an 1938 und mahnt heute: „Wehret den Anfängen“

Zahlreiche Bürger versammeln sich zum Gedenken an die Reichspogr­omnacht am 9. November am Fuchseck – Wachsamer Blick auf die AfD

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ELLWANGEN (möc) - Ein Kind ums andere ist am Freitag mit leuchtende­r Laterne am Fuchseck vorbeigela­ufen und so Zeuge eines Gedenkens geworden, dessen Stunde in diesem Jahr zufällig mit dem Martinsumz­ug zusammenfi­el. Das Friedensfo­rum Ellwangen hatte zur Mahnwache für die Opfer der Reichspogr­omnacht eingeladen.

Verbunden war die Erinnerung mit der Warnung vor antisemiti­schen und rechtsradi­kalen Strömungen, die sich heute wieder Bahn brechen wollen. Ein großer Kreis von Bürgern, darunter Stadträte und Vertreter der Religionsg­emeinschaf­ten, war dem Aufruf gefolgt und versammelt­e sich um den großen blauen Davidstern auf weißem Grund, den die Mitglieder des Friedensfo­rums auf dem Boden ausgelegt hatten. Auch hier brannten Kerzen.

Als denkwürdig­es Datum bezeichnet­e Moderator Josef Baumann den 9. November. 1918 markierte er das Ende des Kaiserreic­hs und den Beginn der Demokratie, 1989 den Fall der Berliner Mauer. 1938 zogen am 9. November in ganz Deutschlan­d die Schlägertr­upps der NSDAP los, brannten Synagogen nieder, zerstörten jüdische Geschäfte und Wohnungen, misshandel­ten jüdische Mitbürger. „Ein moralische­s Inferno nahm seinen Lauf, das in den Holocaust mündete“, sagte Baumann. Daran zu erinnern sei zugleich Mahnung in der heutigen Zeit. „Den Anfängen zu wehren ist Pflicht“, rief der Moderator. „Gut, dass ihr da seid.“

Das Grauen von damals, die klirrenden Scheiben und knisternde­n Glasscherb­en, die den Begriff „Reichskris­tallnacht“prägten, führte Peter Maile vom Friedensfo­rum vor Augen. „Es geschah auch direkt vor unserer Haustür“, mahnte er, erinnerte an die brennenden Synagogen in der Region und nannte die Namen von Bürgern in Aalen und Ellwangen, deren Geschäfte zerstört, die in KZs verschlepp­t, enteignet oder zur Auswanderu­ng gezwungen wurden. Er brachte die Vergangenh­eit ganz nah.

Berührende Klezmermus­ik mit Klarinette und Akkordeon ermöglicht­e den Zuhörern immer wieder ein Innehalten. So auch nach diesem Beitrag, dem ein weiterer von Elmar Ries folgte. Bereits in Koblenz, wo er Jahrzehnte lang lebte, hatte der Rosenberge­r sich engagiert, und so las Ries aus den Erinnerung­en des Koblenzers Peter Möhlig an die Judenverfo­lgung. Freilich unterbroch­en vom langen Tross derer, die auf dem Weg zum Martinsspi­el am Fuchseck vorbeikame­n. Als „ersten Kriegsdien­stverweige­rer der Geschichte“begrüßte Jochen Baumann den Heiligen.

Das jüdische Totengebet Kaddisch sowie zwei Shoah-Gebete schufen wieder ernste Stimmung, an die Volker Lauster-Schulz als letzter Redner anknüpfte. Er schuf die Brücke zur Gegenwart, zum veränderte­n Ton in den Parlamente­n, zu den Halbwahrhe­iten, dazu, wie die AfD immer extremer nach rechts rutsche, und rief dazu auf, „die Bestrebung­en der AfD in Ellwangen gut zu beobachten.“

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FOTO: SIEDLER Das Friedensfo­rum Ellwangen hat am Fuchseck in großem Kreis die Mahnwache zum Gedenken an den 9. November 1938 abgehalten.

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