Von Sonnenschein und Funk-Monstern
Jazz in seiner ganzen Bandbreite – Ein (vorläufiger) Überblick über das 27. Aalener Jazzfest
AALEN - Wer sich die Mühe machte, bei der 27. Ausgabe des Aalener Jazzfests auch mal in die kleineren Konzerte reinzuschnuppern, der durfte die ganze Vielfalt der zeitgenössischen Jazzmusik erleben – mit allen Höhen und Tiefen. Ein vorläufiger Blick auf die bisherigen Konzerte und die beiden Abschlusstage.
Samstagabend, Stadthalle: Sie ist ein wahrer Sonnenschein, ein Energiebündel. Da sitzt AverySunshine (fast) alleine auf der Bühne – Ehemann und Gitarrist Dana Johnson hält sich dezent im Hintergrund – und bespaßt mit saalfüllender Stimme eine ganze Halle mit ansteckend guter Laune. In Aalen trifft sie auf ein dankbares Publikum, es wird kräftig mitgeklatscht und mitgesungen: „I Got Sunshine All My Life.“Trotz Trump hat die Musikerin aus Chester/Pennsylvania ihre gute Laune nicht verloren: „I’m from the USA. We need all the prayer and love we can get.“AverySunshine, die tatsächlich die Leertaste zwischen Vor- und Zuname weglässt, war genau das richtige Warm-Up für Gloria Gaynor (eine ausführliche Besprechung des Gaynor-Konzerts lesen Sie auf der Kulturseite auf Seite 11 dieser Ausgabe).
Clowns oder Monster? Auf jeden Fall durchgeknallt
Schnitt: Zapp aus dem Bundesstaat Ohio entern nach Gloria Gaynor die Bühne. Das heißt: Sie erobern sie. Zapp stellt sich als schräge Showband heraus. Der Rhythmus läuft durch. Glitzerjacken, Perücken, Kostüme – die sechsköpfige Band lässt keine Peinlichkeit aus. Und macht trotzdem Spaß. Funk-Monster? Funk-Clowns? Wie eine Tanzkapelle auf Speed, schrille Choreografie, meist mit Humor, immer mit Beat. „Durchgeknallt“trifft’s ganz gut.
Nächster Schnitt: Mörk aus Budapest im Stadthallenrestaurant. Dort hatte – nach Zapp – zunächst das Matthew Whitaker Trio das Publikum wieder auf der Boden der JazzTatsachen geholt, bevor, weit nach Mitternacht, Mörk beginnen: Mark Zentai (Gesang), Gabor Novai (Keyboards), Jason Balint Szeifert (Bass, Gitarre) und Daniel Ferenc Szabo (Drums) bezeichnen ihre Musik als „Philisophical Pop“oder „SuperFunk“, tatsächlich ist es moderner Jazzrockpop mit Anleihen aus Soul, Hip-Hop oder Funk. Tanzbar, modern, frisch. Was auch für Kennedy Administration gilt, die dann weit nach 1 Uhr ins Geschehen einstiegen.
Und wieder was ganz anderes: ein stiller Sonntagnachmittag im Oberkochener Zeiss-Forum, der Nachmittag der Piano-Ensembles. Das Florian Weber Quartet (Florian Weber, Piano; Linda Ma han Oh, Bass, Ralph Alessi, Trompete; Dejan Terzic, Drums) forderte auf zum Eintauchen, zum Eintauchen in seine neue CD „Lucent Waters“, die sich ganz und gar mit dem Element Wasser beschäftigt und was es einem Musiker wie Weber zu sagen hat. Das erfordert vom Publikum höchste Konzentration. Gut 50 Zuschauer hatten nach der langen Samstagnacht die Energie aufgebracht, ins Zeiss-Forum zu fahren. Die bekamen zunächst eines der größten Talente im deutschen Jazz zu sehen: Konrad Bogen aus Konstanz, noch keine 20 Jahre alt. Mit Mischa Frey (Bass) und Samir Böhringer (Drums) präsentierte er eine ganz andere Herangehensweise ans Soloinstrument Flügel: „Wir sind alle große Hip-HopFans“, gestand er dem Publikum, um dann irgendwie was ganz anderes zu machen. „To pimp a Butterfly“des Rappers Kendrick Lamar war jedenfalls nicht wiederzuerkennen.
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