Besinnung auf das Wesentliche
Ausstellung im Sieger-Köder-Museum: Annette Bezler hat über 50 Krippen aus aller Welt zusammengetragen
ELLWANGEN - Der Advent sollte eine Zeit der Ruhe sein. Für viele Menschen aber sind diese Wochen die stressigsten des Jahres. „Dagegen haben wir unsere Krippenausstellung gesetzt“, sagt Annette Bezler. Weit mehr als 50 Krippen hat sie unter dem Titel „Kommet ihr Hirten“aus Museen und Privatsammlungen im Sieger-Köder-Museum zusammengetragen und liebevoll aufgebaut. Wer sie in ihrer Vielfalt auf sich wirken lässt, der richtet den Blick auch nach innen und kommt zur Ruhe.
Durch diese Ausstellung kann man nicht lässig schlendern. Sie verlangt Muße und weitet den Blick für eine Welt jenseits unserer irdischen, für Licht, das Dunkelheit durchdringt und über Vergängliches hinausweist. Da ist eine Krippe aus dem Kessel von Stalingrad, anrührend in ihrer Schlichtheit. Da ist die Krippe, die Sophie Scholl Weihnachten 1940 ihren Eltern in Ulm schenkte, drei Jahre, bevor sie von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Da ist eine moderne Krippe mit Maria, Josef, dem Kind, Ochs und Esel aus gelbem Papier, gesichtslos und reduziert. Noch puristischer ist die preisgekrönte Designkrippe von Oliver Fabel. Hergestellt in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung, besteht sie aus elf schlichten Holzklötzen mit schwarzer Schrift.
„So etwas wollte man um 1950 haben“
Einen krassen Kontrast bildet eine Krippe mit Hummelfiguren aus der Porzellanmanufaktur Goebel, bunt bemalt und ein wenig süßlich: „So etwas wollte man um 1950 haben“, erklärt Annette Bezler. „Weil es für die meisten Familien aber zu teuer war, wurden die Figuren in Gips kopiert.“An einer Krippe aus Olivenholz von den Philippinen erkenne man, dass Missionare bereits gewirkt hätten: „Niemand trug dort vorher Schürzen.“Bei den ShipiboIndianern vom Amazonas ist auch das Kind in der Krippe in ein Gewand mit Labyrinth-Muster gehüllt, damit böse Geister den Weg nicht finden. Aus Ruanda stammt eine Krippe aus Maisstroh.
So unscheinbar eine Kastenkrippe aus der Nachkriegszeit ist, so üppig und mit Tiefenillusion präsentiert sich eine andere: „Da fehlt nur noch die Wäscheleine“, so Annette Bezler. „Aber das ist nicht Bethlehem.“Bethlehem: das ist die Krippe von Sieger Köder mit Figuren aus Zeitungspapier. Ein ärmlicher Stall und spärlich selbst das Stroh. Krippen aus Südfrankreich sind dagegen geprägt vom prallen Leben. Aus Südtirol kommt prächtig Geschnitztes, sogar Hirtenfrauen tragen Schmuck. Krippen von Anna Fehrle, der bekannten Gmünder Künstlerin, beeindrucken ebenso wie eine koptische Krippe aus Ägypten, das Kind vermummt wie ein kleiner Pharao, eine chinesische Krippe und die Bergweihnacht. Barocke Kostbarkeiten sind 148 bemalte Tonplastiken von Anton Sohn, die neben Weihnachten auch andere biblische Geschichten zeigen. „Alles an einer Krippe ist ein Symbol“, so Annette Bezler. Man sollte erkennen können, aus welchem Land und welchen gesellschaftlichen Zusammenhängen Krippen kommen. Die Botschaft aber bleibt dieselbe, ob sie nun aus Ebenholz, Stroh, Ton, Porzellan oder Zeitungspapier gefertigt sind, mit ihrer Pracht prunken oder in ihrer Bescheidenheit berühren.