Zuwanderer sind besser integriert als vor zehn Jahren
Aber ihr Bildungsniveau liegt deutlich unter dem der Inländer – OECD-Bericht sieht Defizite
BERLIN - Licht und Schatten liegen eng zusammen beim Thema Zuwanderung. Ein gemeinsamer Bericht von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und Europäischer Kommission kommt zum Ergebnis, dass Migranten und ihre Kinder heute in Deutschland deutlich besser integriert sind als noch vor zehn Jahren. Gleichzeitig zeigt er, dass viele Zuwanderer einen sehr niedrigen Bildungsstand oder gar keine formale Bildung mitbringen.
Thomas Liebig, der OECD-Migrationsexperte, hebt bei der Vorstellung der Studie in Berlin hervor, dass Zugewanderte in Deutschland deutlich häufiger in Lohn und Brot sind als vor zehn Jahren. Die Beschäftigungszahl ist zwischen 2006 und 2017 von 59 Prozent auf 67 Prozent gestiegen. Besonders unter den zugewanderten Frauen ist der Anstieg sehr ausgeprägt. Die Arbeitslosenquote unter Zuwanderern ist in dieser Zeit fast zweimal stärker gesunken als unter den in Deutschland geborenen. Der Abstand zur inländischen Bevölkerung hat sich verringert, liegt aber mit 8,7 Prozentpunkten immer noch über dem OECD-Mittel.
Insgesamt ist Deutschland heute das Zuhause von fast 13 Millionen Zuwanderern, die 16 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Weitere acht Prozent sind in Deutschland geborene Kinder von Zuwanderern. Integrationsministerin Annette WidmannMauz (CDU) freut sich, dass die Beschäftigung gestiegen ist. „Einen festen Job zu haben ist wichtiger Teil gelungener Integration.“Allerdings sei jeder zweite Zuwanderer in einem Beruf tätig, für den eine niedrige Qualifikation ausreichen würde. Deshalb sei es auch nötig, für eine bessere und schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse zu sorgen. „Die Kompetenzen werden noch nicht richtig genutzt“, sagt auch Thomas Liebig.
Für die Deutschen ist es besonders wichtig, dass Zuwanderer die Lebensgewohnheiten annehmen (das wünschen sich 80 Prozent) und dass sie die Landessprache lernen (70 Prozent). Erst an dritter Stelle (60 Prozent) steht für sie bei der Auswahl von Zuwanderern gute Bildung und Fachkenntnisse.
Die Stimmung gegenüber Zuwanderung hat sich verbessert. „Das ist doch für uns überraschend gewesen“, so Liebig. Mehr Menschen als vor zehn Jahren sagen, Deutschland werde durch Zuwanderer zu einem besseren Ort zum Leben. Skeptischer sind die Deutschen aber gegenüber Asylanträgen geworden. Hier ging die Zahl jener, die sich großzügige Prüfungen wünschen, deutlich zurück.
In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Schulleistungen von in Deutschland geborenen Kindern von Zuwanderern um umgerechnet eineinhalb Schuljahre verbessert. Der Anteil derjenigen, die besonders schlecht abschneiden, hat sich halbiert, heißt es in der Untersuchung, die an Veränderungen in Pisa-Punkten für die Lesekompetenz festgemacht wird. Ein „toller Erfolg“seien die erheblichen Fortschritte der in Deutschland geborenen Kinder von Zuwanderern bei der Bildung, sagt Annette Widmann-Mauz. Der Bildungsstand der Jugendlichen mit zugewanderten Eltern ist jedoch weiterhin deutlich niedriger als jener der deutschen Vergleichsgruppe.
„Toxische Mischung“
Im Vergleich mit anderen Ländern schneiden die Schüler, wenn sie in Schulen mit 75 Prozent Migranten sind, schlechter ab. Liebig erläutert, dass das nicht nur mit der Konzentration der Schüler zusammenhängt, sondern auch mit dem Bildungsniveau ihrer Eltern. Dass die Kinder von Zugewanderten in Australien, Kanada oder Neuseeland sogar ein besseres Niveau erreichen als die einheimischen Schüler, liege daran, dass diese Länder sehr viel hochqualifizierte Zuwanderer haben. In Deutschland sei es „eine toxische Mischung“, wenn Kinder von niedrig gebildeten Eltern in Schulen mit vielen Migranten unterrichtet werden.
Dass auch dieser Kreislauf unterbrochen werden kann, darauf weist Widmann-Mauz unter Hinweis auf die Berliner Rütli-Schule hin. Die Schule, die 2006 wegen ihrer Probleme mit gewalttätigen und nicht lernbereiten Jugendlichen Schlagzeilen machte, gilt heute als Vorzeigeschule.