Die CSU übt den Spagat
Das hat die CSU gut hingekriegt, der Parteitag war eine gelungene Inszenierung: Der scheidende Parteichef Horst Seehofer wurde angemessen verabschiedet, der neue Vorsitzende Markus Söder mit einem ehrlichen Ergebnis gewählt. Keine 90 Prozent plus, kein Überschwang. Auch der herzliche Empfang der neuen CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer und die flammende Europarede des EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber waren klare Signale, dass die Partei das Jahr 2018 mit all seinen Streitereien und dem desaströsen Ergebnis bei der Landtagswahl hinter sich lassen will und auf ein neues Profil setzt.
Bei Zugereisten, Städtern und Frauen sieht die CSU Wählerpotenzial. Entsprechend weltoffen, liberal, europafreundlich soll die Partei in einem Erneuerungsprozess werden – ohne die konservative Stammwählerschaft zu vernachlässigen. Ein schwieriger Spagat. Dabei wirkt es schon fast verzweifelt, wie häufig die CSU den Begriff Volkspartei bemüht, um in Union mit der CDU ihren Anspruch darauf zu unterstreichen. Das klingt wie das sprichwörtliche Pfeifen im Walde – wenige Monate vor der Europawahl im Mai, die den Populisten Zulauf und den Parteien der Mitte Niederlagen einbringen könnte. Die Erkenntnis, dass Wahlerfolge auch in Bayern keine Selbstläufer mehr sind, hat die CSU im vergangenen Jahr hart getroffen. Jetzt bleibt wenig Zeit, darauf zu reagieren.
Immerhin: Söder müht sich. Der neue CSU-Chef hat begriffen, dass auch in Bayern weder mit Seehoferschem Bauchgefühl noch mit aggressivem Alphamännchen-Gehabe absolute Mehrheiten zu holen sind. Deshalb klingt er so, als habe er Kreide gefressen. Die demonstrative Harmonie mit der CDU, die betont emotionalen Appelle an die Delegierten, die neue Offenheit für fast alles und jeden – all das soll Parteimitglieder und potenzielle Wähler vergessen lassen, was Söder bis vor Kurzem ausgemacht hat: sein Wille zur Macht. Im Oktober wird sich zeigen, wie überzeugend er in seiner neuen Rolle ist. Dann steht seine erste Wiederwahl als Parteichef an.