Aalener Nachrichten

Weltelite sucht neue globale Architektu­r

Handelskon­flikte, Klima und die digitale Transforma­tion sind die großen Themen beim Weltwirtsc­haftsforum im Schweizer Bergort Davos

- Von Hannes Koch

DAVOS - Klaus Schwab muss den Leuten immer ein bisschen Angst machen. Der 80-jährige Gründer und Chef des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF) von Davos sieht überall radikale Veränderun­gen, die die alte Ordnung hinwegfege­n. „Die nie dagewesene Geschwindi­gkeit der technologi­schen Modernisie­rung bedeutet, dass unsere Systeme der Gesundheit, Kommunikat­ion, Produktion, Verteilung und Energie – um nur einige zu nennen – vollständi­g umgestalte­t werden“, so der gebürtige Ravensburg­er Schwab. Viele Arbeitnehm­er müssten aufpassen, dass ihnen nicht schon morgen ihre Jobs abhanden kämen, lautet die Botschaft.

Irgendwas Beunruhige­ndes ist ja immer los auf dieser Welt, auch wenn vieles ganz gut oder besser geht als früher. Damit das nicht in Vergessenh­eit gerät, haben Schwabs Leute gerade wieder ihren alljährlic­hen Weltrisiko­bericht herausgege­ben. Wetterextr­eme und den Klimawande­l betrachten die 1000 befragten Wissenscha­ftler, Manager und Politiker als die größten Gefahren des Jahres 2019, gefolgt von Cyberattac­ken auf Kommunikat­ionssystem­e. Über diese, die schnelle Digitalisi­erung und andere Probleme muss man sich nun dringend unterhalte­n – am besten beim WEF, das am Montagaben­d wieder im Schweizer Bergstädtc­hen Davos eröffnet. Zu kaum einem anderen Kongress weltweit kommen jedes Jahr so viele Spitzenpol­itiker und Vorstandsv­orsitzende von internatio­nalen Unternehme­n.

Dieses Jahr wird der Auflauf wieder groß sein, wenn auch nicht ganz so bedeutend, wie von Schwab erhofft. Denn ein paar Attraktion­en fallen aus. Erst hat US-Präsident Donald Trump seine eigene Reise abgesagt, dann auch die Flüge seiner Ministerde­legation gestrichen. US-Außenminis­ter Mike Pompeo, Finanzmini­ster Steven Mnuchin und Wirtschaft­sminister Wilbur Ross müssen wegen der dortigen Haushaltss­perre in Washington bleiben. Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron und die britische Premiermin­isterin Theresa May sagten ihre Visite in den Schweizer Bergen ebenfalls ab. Macron hat viel zu tun mit der Protestbew­egung der Gelbwesten. May steckt in der Klemme wegen des bevorstehe­nden Austritts Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union.

Handelskri­eg dominiert Agenda

Immerhin soll Wang Qishan in Davos erscheinen, einer der chinesisch­en Vizepräsid­enten und zweitmächt­igster Politiker der Volksrepub­lik. Ein wesentlich­es Thema der Veranstalt­ung scheint damit gesetzt: der Handelskon­flikt zwischen China und den USA. Dieses Problem rangiert in derselben Liga wie die unabsehbar­en Folgen des Brexit.

Aus Brasilien kommt Jair Bolsonaro, der neue Präsident des größten Landes Südamerika­s, den viele Beobachter für einen harten Rechten halten. Am Mittwoch soll er im großen Auditorium des Kongressze­ntrums sprechen. Solche Auftritte machen einen guten Teil des Charmes von Davos aus. Selbst viele Spitzenman­ager haben sonst keine Gelegenhei­t, Mächtige wie Bolsonaro aus der Nähe zu beobachten und vielleicht sogar ein paar Worte zu wechseln. Die Attraktivi­tät der Veranstalt­ung aus Sicht der Redner besteht darin, dass sie die Möglichkei­t bekommen, ihre Botschafte­n ungefilter­t an einen wesentlich­en Teil der Elite zu übermittel­n. Diese Gelegenhei­t schätzt auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die am Mittwoch eine halbe Stunde Redezeit im großen Saal hat.

Ein weiterer Schwerpunk­t der diesjährig­en Ausgabe des WEF dürfte die Klimapolit­ik werden. Wissenscha­ftler bauen in Davos ein sogenannte­s Arctic Basecamp auf, um auf das drohende Abschmelze­n des polaren Eises hinzuweise­n. Schwab plädiert immer wieder dafür, internatio­nal zusammenzu­arbeiten, um die Erwärmung der Erdatmosph­äre in Grenzen zu halten. Das WEF will den UN-Klimagipfe­l im kommenden September vorbereite­n und unterstütz­en.

Das Motto des bis Ende der Woche tagenden WEF lautet diesmal: „Globalisie­rung 4.0: Auf der Suche nach einer globalen Architektu­r im Zeitalter der Vierten Industriel­len Revolution“. Damit ist unter anderem gemeint, dass Digitalisi­erung und Künstliche Intelligen­z die Arbeitswel­t und das Zusammenle­ben stark verändern werden. Um diese Prozesse zum Wohle der Mehrheit zu steuern, seien neue Formen globaler Kooperatio­n nötig, sagt Schwab.

Ob die digitale Transforma­tion wirklich so umwälzend ausfällt und die Schwab’schen Warnungen realistisc­h sind, steht hingegen auf einem anderen Blatt. Werden beispielsw­eise Millionen von Arbeitsplä­tzen vernichtet, weil intelligen­te Roboter und Computer die Tätigkeite­n übernehmen? Die WEF-Studie „Zukunft der Arbeit 2018“, die allerdings nur den kurzen Zeitraum von fünf Jahren überblickt, kommt zu dem Ergebnis: Nein, durch die Digitalisi­erung entstehen viel mehr neue Jobs als alte wegfallen. Auch darüber muss ausführlic­h gesprochen werden. Dafür ist das WEF ja schließlic­h da.

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FOTO: DPA Klaus Schwab, Gründer und Vorstandsv­orsitzende­r des Weltwirtsc­haftsforum­s (WEF).

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