Aalener Nachrichten

Randvolles Pulverfass

Nach dem 2:3 gegen Mainz herrscht beim VfB Land unter, die Fans wettern gegen den Vorstand

- Von Jürgen Schattmann

STUTTGART - Als aus dem angekündig­ten Neustart ein neuer Fehlstart geworden war, blickte VfB-Trainer Markus Weinzierl kopfschütt­elnd auf den Statistikb­ogen. 30:16 Torschüsse waren da für den VfB da notiert, 59 Prozent Ballbesitz, 55 Prozent gewonnene Zweikämpfe, es gab keine Statistik, in der Stuttgart unterlegen war – nur eben im Resultat, dem 2:3. Und doch war der Sieg der Mainzer hochverdie­nt. Fast jeder Angriff des FSV hatte vor der Pause für Gefahr gesorgt: „Wir haben kaum zweite Bälle gewonnen und in den wichtigen Situatione­n einfach schlecht verteidigt – da bringen alle Zahlen nichts“, so Weinzierl.

Außer die nackten eben, die ungeschmin­kten, die Tore und Punkte, und nach denen steckt der VfB im Allzeittie­f in der Bundesliga: Mit 14 Punkten und 14:38 Toren ist er noch schlechter als zur selben Zeit im Abstiegsja­hr 2016, als er 18 Zähler und 25:38 Tore verbuchte. „Es wird sehr, sehr zäh werden“, sagte Manager Michael Reschke über den vier Monate langen Abstiegska­mpf, der nun folgen dürfte. „Die Ausgangsla­ge kann nicht viel schlimmer sein, als sie aktuell ist.“

Fans rufen „Dietrich raus!“

Kann sie wirklich nicht? Kann sie sehr wohl. Das Pulverfass auf dem Wasen ist bereits wieder bis an den Rand gefüllt mit Bruddlern, bereits am Samstag wären die Fans des Liga-16. beinah auf die Barrikaden gegangen. „Wir wollen euch kämpfen sehen“, skandierte die Cannstatte­r Kurve nach dem Tor zum 0:3, und: „Dietrich raus!“. Die Geduld mit dem Präsidente­n und dessen Manager ist begrenzt. Und bleibt die Form beider Beteiligte­n nur annähernd so bipolar wie am Wochenende, könnte es am Sonntag im Südduell beim Rekordmeis­ter FC Bayern ein Debakel geben für den VfB.

Schon die Mainzer waren ja „viel griffiger und physisch präsenter“als der VfB, wie Reschke richtig beobachtet hatte. Mag der FSV auch zu den meistunter­schätzten Teams der Bundesliga gehören und in Robin Quaison, Jean-Paul Boetius und vor allem seinen beiden Jean-Philippes – Stürmer Mateta und Mittelfeld­regisseur Gbamin – vier extrem ballsicher­e Offensivak­teure haben: Ganz so einfach machen wie der VfB sollte man es dem Gegner nicht. Vor dem 0:1 durch Boetius respektive Ascacibar, der dessen Schuss unhaltbar abfälschte (22.), durfte Gbamin 40 Meter lang allein vor sich herdribbel­n. Vor dem 0:2 ließen gleich fünf Stuttgarte­r Quaison gewähren, der gewieft auf Mateta ablegte (28.). Und beim 0:3 durfte Alexander Hack vogelfrei einschiebe­n – nach einem Eckball (72.). VfB-Verteidige­r Timo Baumgartl jedenfalls war nach dem fünften verlorenen Heimspiel angefresse­n, von der späten Aufholjagd zum 2:3 – der eingewechs­elte Adonis traf noch den Pfosten – ließ er sich nicht blenden. „So können wir uns nicht präsentier­en. Jeder hat gesehen, wie wir die ersten 80 Minuten gespielt haben – da haben wir auch keinen Sieg verdient.“Man habe vor der Pause das Gefühl gehabt, „dass keiner einen Fehler machen wollte – aber gerade dann passieren die Fehler fast von allein“, fügte Nebenmann MarcOliver Kempf an. Nach der Pause habe man doch gezeigt, wie es geht.

Das späte Erwachen, als das Spiel schon verloren war, ist allerdings kaum etwas wert angesichts der Tatsache, dass es der Gegner austrudeln ließ. Weinzierl hat es noch nicht geschafft, seinem Team jene Kompakthei­t einzubläue­n, die Hannes Wolf und sein Nachfolger Tayfun Korkut dem VfB anfangs vermittelt­en. Linksverte­idiger Borna Sosa war ein Totalausfa­ll, auch auf der Sechs, wo sich wahlweise Dennis Aogo und Santiago Ascacibar versuchen, kann Stuttgart derzeit keine Gegner aufhalten. Und auf Rechtsauße­n sorgte der eingewechs­elte Anastasios Donis einmal mehr in zehn Minuten für mehr Gefahr als Weinzierls Winterwuns­chspieler Alexander Esswein in den 80 zuvor.

Ob Rekordmann Ozan Kabak (18), der sich das Grauen auf der Tribüne anschaute, am Sonntag in München weiterhelf­en wird? Oder ein weiterer, vierter Zugang, den Reschke für möglich hält? Man weiß es nicht. Man weiß nur, dass Weinzierl viel Arbeit vor sich hat, an allen Fronten. „Unser Manko ist“, sprach der 44-Jährige, „dass wir defensiv zu viel zulassen und vorne nicht effektiv genug sind.“

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FOTO: DPA Vier Stuttgarte­r, zuletzt Gonzalo Castro (liegend), versuchen Jean-Philippe Mateta zu stoppen – umsonst. Der Franzose trifft zum 0:2.

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