Becken frei für Meerjungfrauen
Das Schwimmen mit den Monoflossen ist bei Mädchen ein regelrechter Trend.
AALEN - „Man kann voll schnell schwimmen, das macht total viel Spaß“, schwärmen Amelie und Emely. Am Sonntagnachmittag ist im Aalener Hallenbad zum ersten Mal das Meerjungfrauenschwimmen erlaubt gewesen. Und die beiden 13-Jährigen waren nicht die einzigen, die die Chance nutzten.
„Im Lauf des Nachmittags sind rund 20 Mädchen da gewesen“, berichtet Bademeister Alexander Bin. „Die Nachfrage wäre für Kurse ausreichend. Das sieht nicht schlecht aus.“Zur Freude der Kinder und Jugendlichen – darunter sollen übrigens auch Jungs sein -, denen es das sogenannte „Mermaiding“angetan hat. In Monoflosse und einem Überzug aus Stoff, der bis zu den Hüften reicht, schwimmen und tauchen sie durchs Becken, möglichst delfingleich, wie eine Meerjungfrau eben. Oder ein Meermann.
„Für uns ist das Neuland“
„Für uns ist das Neuland“, meint Bademeister Felix Geißler. Der Trend ist es nicht, er kommt aus den USA. Dort gibt es den Flossenkult seit mehr als 70 Jahren. Ein Freizeitpark in Florida, der Weeki Wachee Springs State Park, lockte bereits 1947 Zuschauer zu Unterwassershows mit Taucherinnen im Meerjungfrauen-Look. Im Lauf der Jahrzehnte hat sich das Mermaiding weltweit ausgebreitet, längst sind seine Liebhaber dabei aus der Rolle der Zuschauer heraus- und in die der geheimnisvollen Fabelwesen hineingeschlüpft. Inzwischen gibt es Meerjungfrauenschulen, Wettbewerbe, Fotoshootings, Kindergeburtstage, Kurse in Schwimmbädern und natürlich: Onlineshops für die Ausstattung. Ab 90 Euro aufwärts müssen Eltern anlegen für eine ordentliche Grundausstattung. Die Preisskala ist nach oben offen.
Kostüme vom Millstätter See
Den Trend haben mediale Vorbilder beflügelt, allen voran ab 2006 die australische Jugendserie „H2O“und ihr Ableger „Mako“um Teenager, die ein Doppelleben als Mensch und Meerjungfrau führen. „Das ist der Bringer für die Mädchen, eine ganz große Sache“, weiß Marlene Mayer. Die Österreicherin muss es wissen, sie bedient seit 2006 mit ihrem Unternehmen am Millstätter See und online erfolgreich die Mädchenträume. Darum geht es, hat sie beobachtet, „ums Reinträumen, um die Verwandlung“.
Marlene Mayer und ihr Mann sind Tauch- und Schwimmlehrer und ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Welle der Begeisterung ausbreiten konnte. Ihre eigene Tochter hatte „H2O“gesehen und wünschte sich nichts sehnlicher, als sich ebenfalls in eine Meerjungfrau zu verwandeln. Profikostüme aus den USA waren viel zu teuer, der Rest Ramsch, also fing die Mutter selbst an zu schneidern. Freundinnen sahen die Ergebnisse und begehrten dasselbe. Heute gehen Meerjungfrauenflossen aus Millstatt in alle Welt – und tauchen zum Beispiel im Aalener Hallenbad wieder auf.
„Es ist ein Mittelding aus Sportund Spielgerät“, beschreibt die Tauchlehrerin. Für den sportlichen Teil würde eine Monoflosse reichen, fürs echte Mermaiding-Gefühl braucht es außerdem den Überzug aus Bademodenstoff, meist in Blau-, Grün-, Pink- oder Rosatönen und natürlich mit Schuppenmuster. „Am Anfang fühlt es sich komisch an, wenn die Beine so zusammen sind“, sagt Emely. „Aber das stört gar nicht“, ergänzt Amelie. Schon lassen sich die beiden vom Beckenrand gleiten, tauchen kopfüber ins Wasser, lassen noch einmal die Flosse auf die Oberfläche klatschen, dass es spritzt, und weg sind sie. Zwei Schemen unter Wasser.
Als sie wieder aufgetaucht ist, erzählt Emely von der Fernsehreportage über eine Meerjungfrauenschule, die sie auf den Geschmack gebracht hat. „Ich habe das gesehen und wollte unbedingt hin. Zum Geburtstag habe ich einen Kurs dort geschenkt bekommen und danach eine eigene Flosse“, erinnert sie sich. Als sie ihre Monofin zum Schulschwimmen mitbringen durfte, steckte sie ihre Freundin Amelie mit ihrer Begeisterung an, die sich ebenfalls eine Ausstattung zum Geburtstag wünschte. „Und ich wünsche mir jetzt auch eine“, meldet ihre elfjährige Schwester Sophie sich vom Beckenrand aus. „Und ich auch“, ruft deren zehnjährige Freundin Klara. So rollt die Welle dahin. in diesem Jahr im Rahmen der Spielenachmittage (Termine siehe Kasten). „Es ist eine Testphase“, erklärt Bademeister Felix Geißler. Wenn das Angebot gut angenommen werde, könne mehr daraus werden. Einige Kolleginnen, die sich im Umgang mit Monoflossen auskennen, könnten Kurse anbieten. „Eine gute Sache“, freut sich Geißler, „weil sie die Jugend anspricht.“
In Aalen war’s wohl eher umgekehrt. „Wir hatten immer wieder Nachfragen“, berichtet Igor Dimitrijoski, der Marketingleiter der Stadtwerke. Nachdem sich andere Schwimmbäder in der Region dem Trend geöffnet haben, zieht das Aalener Hallenbad nun nach. „Es ist toll, dass das jetzt hier geht“, findet Amelie. „Jetzt kommen wir vielleicht öfter hierher zum Schwimmen. Bisher war das Problem ja, dass es Flossenschwimmen im Aalener Hallenbad nicht gab.“Nur eins findet sie schade: „Dass es noch so selten ist.“
sagt die Tauchlehrerin Marlene Mayer über die Meerjungfrauenflossen.
Den Kick bringt die Bewegung
Den Aalener Mädchen sind Mako & Co egal, für sie liegt der Kick in der fließenden Bewegung. „Es ist ein unglaubliches Gefühl“, bestätigt Marlene Mayer. Auch Mütter, die die Flosse ihrer Töchter zuliebe ausprobierten, kämen ins Schwärmen: „Es fühlt sich weich und weiblich an.“Elemente aus dem Delfinschwimmen und dem Apnoetauchen werden dem Mermaiding zugerechnet. Für Anfänger ist das nichts.„Auf Dauer wird es richtig anstrengend“, bemerkt Emely. „Aber es ist cool“, findet Amelie.
Im Aalener Hallenbad hält sich die Anstrengung in engen Grenzen, da nur der Nichtschwimmerbereich fürs Mermaiding freigegeben ist, und das auch nur an wenigen Sonntagen
„Es ist ein Mittelding aus Sport- und Spielgerät“,
fürs Meerjungfrauenschwimmen im Aalener Hallenbad sind an folgenden Sonntagen: 24. Februar, 31. März, 28. April, 27. Oktober, 24. November und 15. Dezember 2019, jeweils von 13 bis 17.30 Uhr. Monoflosse und Schwimmanzug sind selbst mitzubringen. Es wird nur der übliche Eintritt verlangt.