Aalener Nachrichten

Unterstütz­ung für den Alltag gesucht

Matthias Küffner leidet an einer Art Muskelschw­und und ist an den Rollstuhl gefesselt

- Von Maike Woydt Informatio­nen

RIESBÜRG-UTZMEMMING­EN - Mit sechs Monaten ist bei Matthias Küffner die Krankheit spinale Muskelatro­phie (siehe Kasten) festgestel­lt worden. Damals haben ihm die Ärzte eine Lebenserwa­rtung von fünf oder sechs Jahren gegeben. Heute ist Küffner 46 Jahre alt, führt ein sehr aktives Leben und hofft auf Unterstütz­ung. Um seinen Alltag zu Hause zu meistern, benötigt er Unterstütz­ung rund um die Uhr. Seit Oktober sucht der Utzmemming­er einen neuen Assistente­n oder eine Assistenti­n.

In zwei Schichten pro Tag wird Matthias Küffner rund um die Uhr versorgt. Während der Tagschicht, die um 8.30 Uhr beginnt, begleiten die Assistente­n vor allem den Alltag des 46-Jährigen. Von 10 bis etwa 16 Uhr geht er seiner Arbeit bei der Firma Humanelekt­ronik in Nördlingen nach. Küffner arbeitet dort in der telefonisc­hen Beratung und hilft Menschen mit Handicap oder deren Angehörige­n bei der Anwendung von elektronis­chen Hilfsmitte­ln. Während der Arbeitszei­t unterstütz­en die Assistente­n, Küffner beim Essen, Trinken, beim Gang zur Toilette oder der Beatmung.

Die Nachtschic­ht, die um 20.30 Uhr beginnt, überwacht den 46-Jährigen vor allem während der Schlafensz­eit. Dabei geht es vor allem um die Atmung, den Puls, dem CO2-Wert und den Blutdruck. In den Zeiten, in denen sich Küffner zu Hause selbst beschäftig­t, kümmern sich die Assistente­n zum Beispiel um den Haushalt. Sie verbringen aber auch die Freizeit mit ihm und gehen zum Beispiel mit ihm spazieren oder schauen mit ihm den „Tatort“an.

Matthias Küffner sucht seit mehr als vier Monaten händeringe­nd nach einer geeigneten Assistenz. Dabei setzt er keine Fachkenntn­isse voraus. „Einige meiner Assistente­n waren und sind Quereinste­iger“, erklärt der 46-Jährige. Er sei schon von einer ehemaligen Bäckereifa­chverkäufe­rin, aber auch von einer Fachkraft für Beatmung versorgt worden. Die erfahrenen Kollegen zeigen den neuen den richtigen Umgang mit den unterschie­dlichen Geräten und Apparature­n. Für Matthias Küffner steht das Zwischenme­nschliche im Vordergrun­d. „Die Chemie muss stimmen“, sagt er. Schließlic­h verbringe man viel Zeit miteinande­r. Mit vielen ehemaligen Assistente­n verbinde ihn noch heute eine tiefe Freundscha­ft.

Doch geeignete Kräfte zu finden, werde zunehmend schwierige­r. Früher habe er nach einer Stellenanz­eige rund 25 Bewerber auf eine Stelle gehabt. Es sei einfach gewesen, einen passenden Kandidaten auszuwähle­n. Heute bekomme er auf fünf Anzeigen mit Glück vielleicht eine Bewerbung. Früher sei er von Zivildiens­tleistende­n betreut worden. In der gesamten Zeit seien das rund 100 Personen gewesen. Zwischen zehn und 15 davon hätten letztlich einen sozialen Beruf ergriffen. Die jungen Leute, die meist aus einem „gesunden Haushalt“stammten, hätten darüber gemerkt, dass es einem selbst viel geben kann, wenn man anderen hilft. Daher fordert er die Einführung eines verpflicht­enden Sozialen Jahres für Männer und Frauen. „Die Abschaffun­g des Zivildiens­ts halte ich für einen der größten Fehler, den eine Regierung je gemacht hat“, sagt Küffner.

Image der Pflegeberu­fe soll besser werden

Doch Küffner kämpft nicht nur für sich. Es gebe einige Menschen in einer ähnlichen Situation, die auf Hilfe angewiesen seien und die Pflegesitu­ation im Allgemeine­n sei auch schlecht. Daher müsse man grundsätzl­ich das Image der Pflegeberu­fe und die Arbeitsbed­ingungen deutlich verbessern, um den Beruf für den Nachwuchs wieder attraktiv zu machen. Es müsse sich lohnen, dass Pflegekräf­te an Wochenende­n oder Feiertagen arbeiten und teilweise Doppelschi­chten schieben, sagt Küffner.

Auch mit seiner Muskeltour versucht Matthias Küffner sich und anderen zu helfen. Durch die Benefizmot­orradrundf­ahrt sind in den vergangene­n Jahren rund 100 000 Euro für die Forschung zusammenge­kommen. Seit 2005 findet im zweijährig­en Rhythmus eine Ausfahrt von bis zu 1200 Motorradfa­hrern statt. Sie treffen sich in Nördlingen an der Kaiserwies­e und fahren gemeinsam eine vorgegeben­e Route, um ihre Solidaritä­t mit Menschen mit Handicap zum Ausdruck zu bringen. Bei der Ausfahrt vor zwei Jahren haben man auch in Ellwangen Station gemacht, berichtet Küffner. Vor dem rund fünf Kilometer langen Konvoi fahren einige Autos mit, sodass auch Menschen mit Handicap bei der Tour dabei sein können. Schließlic­h ist das Ziel der Tour genau auf diese Menschen mit ihren Erkrankung­en aufmerksam zu machen.

Neben der Muskeltour engagiert sich Küffner auch im Bundesvors­tand der Deutschen Gesellscha­ft für Muskelkran­ke. Er hofft, dass er so anderen etwas zurückgebe­n kann. Schließlic­h setzen sich täglich auch für ihn viele Menschen ein – allen voran seine Familie und seine Assistenzk­räfte. Um diese zu entlasten versucht er nun alles, um eine weitere Person für sein Team zu finden. „Das bin ich ihnen schuldig, dass ich bald jemand finde.“Die andere Konsequenz wäre, auf langfristi­ge Sicht in ein Krankenhau­s oder Pflegeheim zu gehen – dort wäre die notwendige Versorgung aber ebenfalls nicht gesichert und er müsste sein aktives, selbstbest­immtes Leben aufgeben. Weitere finden sich unter www.m-kueffner.de

 ?? FOTO: PRIVAT/KÜFFNER ?? Matthias Küffner sucht eine Assistenz, die ihn im Alltag begleitet und ihn bei Nacht betreut und die Vitalfunkt­ionen überwacht.
FOTO: PRIVAT/KÜFFNER Matthias Küffner sucht eine Assistenz, die ihn im Alltag begleitet und ihn bei Nacht betreut und die Vitalfunkt­ionen überwacht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany