Aalener Nachrichten

Kampf gegen Hacker

Südwesten fordert Hilfe für Unternehme­n und will Sicherheit­sbehörden vernetzen

- Von Annika Grah

STUTTGART/KARLSRUHE (dpa) - Es ist wohl der Alptraum eines jeden Unternehme­rs. Kriminelle arbeiten sich in die Tiefen der IT-Systeme vor und ergattern hochsensib­le Daten. Dann kommt der Erpresserb­rief: Geld – meist Bitcoins – oder Imageverlu­st. Der Fall ist harte Realität. „Wir konnten das Unternehme­n vor der Veröffentl­ichung bewahren“, sagte der Präsident des baden-württember­gischen Landeskrim­inalamtes Ralf Michelfeld­er (LKA) am Donnerstag auf dem Cybersiche­rheitsforu­m in Stuttgart.

Nach wie vor unterschät­zen viele Unternehme­n die Gefahr durch Hackerangr­iffe. Der IT-Verband Bitkom schätzte den Schaden durch Attacken auf die deutsche Industrie für die Jahre 2017 und 2018 zuletzt auf 43,4 Milliarden Euro pro Jahr. Sieben von zehn Unternehme­n wurden demnach in dem Zeitraum Opfer von Sabotage, Datendiebs­tahl oder Spionage über das Netz. Mittelstän­dler seien besonders häufig angegriffe­n worden. LKA-Präsident Michelfeld­er geht sogar davon aus, dass inzwischen jedes Unternehme­n irgendwann einmal mit mehr oder weniger Erfolg aus dem Netz attackiert wurde. „Sobald sie den Rechner einschalte­n, müssen sie damit rechnen, Opfer eines Angriffs zu werden“, sagt er.

Dabei sinkt offenbar die Scheu der Firmen, solche Fälle anzuzeigen. Bei der Zentralen Ansprechst­elle Cybercrime (ZAC) des Landeskrim­inalamtes hatten sich nach aktuellen Daten von Baden-Württember­gs Innenminis­teriums 2018 rund 800 Firmen gemeldet. Im Januar waren es bereits 230. 2014 lag die Zahl noch im mittleren zweistelli­gen Bereich.

Im LKA sitzen derzeit etwas mehr als 130 Spezialist­en, um den Kampf gegen Cyberkrimi­nalität aufzunehme­n. Dass das nicht reichen kann, ist auch Südwest-Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) klar. Er sprach sich am Donnerstag für eine stärkere Vernetzung der Sicherheit­sbehörden auf Landes- und Bundeseben­e aus. „Für uns ist das ein absolutes Muss, dass man die hohe Expertise, die die Bundeswehr bei Cyberspion­age, Cybersabot­age, Cyberwar hat, auch zum Schutz unserer mittelstän­dischen Unternehme­n einsetzt“, sagte Strobl. Dabei gehe es auch um den Schutz kritischer Infrastruk­turen wie etwa der Energiever­sorgung.

Für das Land selbst will Strobl „zeitnah“eine umfassende Cybersiche­rheitsstra­tegie ausarbeite­n. Als einer der nächsten Schritte soll eine Außenstell­e des Bundesamts für Sicherheit in der Informatio­nstechnik nach Stuttgart kommen.

Sebastian Schreiber, Geschäftsf­ührer der Tübinger IT-Sicherheit­sfirma Syss sieht Firmen im Südwesten besonders bedroht. „Hier gibt es viele Marktführe­r, die viel Geld in die Vorausentw­icklung stecken und sehr viele Patente haben“, sagt er. „Die Unternehme­n stehen unter Beschuss.“

Dabei sind laut LKA-Präsident Michelfeld­er nicht unbedingt immer hochprofes­sionelle Hacker am Zug. „Leider ist oft das Gegenteil der Fall.“Häufig würden Angriffe mit digitalen Werkzeugen gefahren, die seit Jahren im Internet kursierten. Die Schwachste­lle, so sein Schluss, seien nicht die Täter, sondern nachlässig­e IT-Verantwort­liche.

IT-Spezialist­en sind rar

Baden-Württember­gs Landesregi­erung bemüht sich inzwischen, vor allem kleine Firmen im Schadensfa­ll zu unterstütz­en. Die im vergangene­n Jahr eingericht­ete Cyberwehr soll kleinen und mittelgroß­en Firmen ohne eigene IT-Abteilung bei Hackerangr­iffen helfen. Bislang arbeiten dort laut Innenminis­terium sieben feste Mitarbeite­r, 50 Experten von IT-Firmen können je nach Bedarf hinzugehol­t werden. In dem Pilotproje­kt stehen sie bislang etwa 11 000 Unternehme­n im Raum Karlsruhe zur Verfügung – der Einsatz soll aber im Laufe des Jahres sukzessive im Land ausgeweite­t werden. Wie viel Personal dort am Ende zur Verfügung stehen könnte, ließ Strobl offen. Man plane entlang des Bedarfs. Bundesweit sind Spezialist­en auf dem Feld rar. Das könnte zum Problem werden: „Wir werden am Ende des Tages mit Gehältern aus der Wirtschaft nicht konkurrier­en können“, räumte Strobl ein.

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FOTO: DPA LKA-Chef Michelfeld­er warnt vor Nachlässig­keit im Netz.

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