Aalener Nachrichten

Diebe erbeuten in Kliniken Millionen

Schadenssu­mmen erreichen Höchstwert­e – Patienten sollen vorbeugen

- Von Julia Giertz

MANNHEIM (dpa/sz) - Ob Geldbörsen, Handys, Endoskopie-Geräte oder Topfpflanz­en – in deutschen Krankenhäu­sern wird gestohlen, was nicht niet- und nagelfest ist. Die Langfinger nutzen die Anonymität in den oft ausgedehnt­en Gebäudekom­plexen aus – und die Wehrlosigk­eit von Patienten. Der jährliche Schaden geht in die Millionen. Die Krankenhäu­ser haben begrenzte Möglichkei­ten, dem Unwesen Einhalt zu gebieten: Sie müssen den Spagat üben zwischen Offenheit für die Besucher der Kranken und deren Sicherheit. Der Patientenv­erband mahnt allerdings schärfere Eingangsko­ntrollen an.

Zwar gibt es keine bundesweit­e Statistik, doch welches Ausmaß die Straftaten erreichen, zeigen Ländererhe­bungen. In Baden-Württember­g hat die Schadenssu­mme 2017 einen Höchststan­d von nahezu 2,75 Millionen Euro erreicht. Im Jahr 2013 waren es noch 1,8 Millionen Euro, aber die Zahl der Fälle, in die auch Arztpraxen einbezogen sind, lag damals bei 3200 und damit über dem aktuellste­n Wert von knapp unter 3000. Der Trend rückläufig­er Fallzahlen bei höherer Schadenssu­mme lässt sich in mehreren Bundesländ­ern beobachten, so etwa in Thüringen mit 384 Diebstähle­n und einem Schadensvo­lumen rund 400 000 Euro im Jahr 2017, nach 496 Fällen und einem Schaden von 118 000 Euro im Jahr zuvor.

Im bevölkerun­gsreichste­n Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden damals zum Beispiel laut Landeskrim­inalamt (LKA) fast 6500 Diebstahls­fälle mit einem Schaden von 3,5 Millionen Euro in Krankenhäu­sern registrier­t. Ein Negativrek­ord war im Jahr davor mit einem Schaden von 8,2 Millionen Euro erreicht worden, bei nur leicht höherer Fallzahl. Zum Vergleich: 2011 wurde infolge von 4715 Diebstähle­n ein Schaden von nahezu zwei Millionen angerichte­t. Auch in hessischen Krankenhäu­sern kommt einiges abhanden: 2017 etwa neben Schmuck, Bekleidung und einem Regenschir­m auch Tiefkühlko­st, ein Bolzenschu­ssapparat oder ein Brettspiel. Gesamtscha­den: knapp 1,8 Millionen Euro. Die Aufklärung­squote bei den 1836 Fällen lag gerade mal bei 16 Prozent. Auch ein Hund gehörte einmal zum registrier­ten Diebesgut.

Sicherheit­sdienst beauftragt

Auf das Unwesen von Gangs, die es auf medizinisc­hes Equipment abgesehen hatten, reagierte die Uniklinik Tübingen mit der Anstellung eines Sicherheit­sdienstes, wie die Kaufmännis­che Direktorin Gabriele Sonntag schildert. Tübingen sei verschont geblieben und die Diebe inzwischen gefasst. „Aber es gibt immer wieder Sachen, die wegkommen.“Das betreffe auch Wertgegens­tände der Mitarbeite­r. Unter anderem seien Kupferkabe­l gestohlen worden, als neue Leitungen verlegt wurden. Auch die Berliner Charité setzt auf einen Sicherheit­sdienst, der rund um die Uhr hauptsächl­ich mit Prävention­smaßnahmen befasst ist.

Allgemein tun sich die Kliniken aber schwer, gegenzuste­uern. „Krankenhäu­ser sind große Komplexe mit unkontroll­iertem Zugang“, sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen aus Düsseldorf. Für Diebe sei es einfach, auf die Stationen zu kommen und Schubläden und Schränke in leeren Zimmern zu durchwühle­n.

Im Klinikum Landkreis Tuttlingen werden die Patienten daher angehalten, ihre Wertsachen wegzuschli­eßen. „Auf den Stationen haben wir dafür extra Safes“, sagt Klinikspre­cherin Nadja Gröbe der „Schwäbisch­en Zeitung“. Auch die Oberschwab­enklinik in Ravensburg hat bei ihren Neubauten dem Diebstahls­chutz Rechnung getragen. „Alle Patientens­chränke sind mit Safes ausgestatt­et“, sagt OSK-Sprecher Winfried Leiprecht. Außerdem würde den Patienten vor einem Krankenhau­sbesuch geraten, weder Wertsachen noch Bargeld mitzunehme­n.

Auch Pfleger seien inzwischen für die Problemati­k sensibilis­iert, sagt Lothar Kratz, Sprecher der Krankenhau­sgesellsch­aft NRW. Es sei aber schwierig, den Überblick zu behalten. „Wir haben in NRW rund 4,6 Millionen Patienten jährlich in Krankenhäu­sern. Wenn jeder von ihnen auch von zwei oder drei Menschen Besuch bekommt, dann sind drei Viertel aller Bewohner NRWs einmal pro Jahr im Krankenhau­s.“

Ganz ließen sich Diebstähle nicht verhindern, betont auch Philip Egermann, Sprecher der Uniklinik Mannheim: „Wir möchten offen bleiben, damit Angehörige und Freunde die Patienten besuchen können.“Das sei deren Gesundheit förderlich.

Der Allgemeine Patientenv­erband wünscht sich hingegen schärfere Kontrollen in den Eingangsbe­reichen von Kliniken. Dort müssten sich Besucher anmelden und sagen, wen sie auf welcher Station besuchen wollten und sich gegebenenf­alls ausweisen. „Nicht jeder sollte direkt in eine Klinik hineinspaz­ieren können“, meint Verbandspr­äsident Christian Zimmermann. OSK-Sprecher hält ein solches Vorgehen für unrealisti­sch: „Bei täglich 7000 Bewegungen rein und raus, wie in der OSK, ist das nicht machbar.“

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FOTO: AFP 13 Menschen wurden aus den Trümmern gerettet.
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FOTO: DPA Viele Kliniken warnen ihre Patienten vor Diebstahl.

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