Aalener Nachrichten

Ein bisschen Euphorie in den Alltag gerettet

Elf Tage nach dem WM-Finale gastiert THW Kiel in der Handball-Bundesliga in Göppingen – ein Report

- Von Felix Alex

GÖPPINGEN - Sie rissen die Hände nach oben, zerrten an Trikots, blockten Wege. Sie verteidigt­en ihr Tor. Eng nebeneinan­der standen Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler am Kreis. Die Angriffswe­llen rollten ihnen entgegen, doch durch ihren kamen die Bälle selten und wenn doch, stand hinter ihnen Andreas Wolff. Der Torwart ließ seine Arme und Beine durch die Luft fliegen und brüllte nach seinen Paraden, heizte die Massen an. Von der Bank aus schaute Steffen Weinhold seinen Teamkamera­den zu.

Nein, diese Zeilen beschreibe­n keine Ereignisse aus der Zeit, als Sportdeuts­chland für ein paar Tage einig Handballla­nd war. Die WM ist vorbei, diese Beschreibu­ng ist aktuell. Wer am Donnerstag­abend genau hinhörte, kam schnell darauf, dass irgendetwa­s nicht stimmte. Bei jeder Parade, bei jeder geglückten Defensivak­tion schlug den Nationalsp­ielern, bei der mit Dänemark geteilten Heim-WM soeben Vierte geworden, die Missgunst des Publikums entgegen. Von den Rängen kamen Pfiffe, jeder Ball, den Wolff durchlasse­n musste, wurde dagegen bejubelt: Die WM ist vorbei, willkommen zurück in der Bundesliga! Der THW Kiel eröffnete mit dem Spiel bei Frisch Auf! Göppingen die Bundesliga wieder. Und spätestens, als das 29:25-(12:17) gegen Göppingen geschafft war, hatte die einstigen WM-Helden der Alltag wieder.

Auch wenn zwischen dem ersten Ligaspiel und dem letzten WM-Spiel nur elf Tage lagen, hatten die Kieler von Beginn an keine Probleme mit den auf Rang sieben liegenden Schwaben. Die Offensive traf beständig und der Abwehrverb­und um die DHB-Achse stand sicher. Egal ob in einer Empty-Goal-Situation oder in der Drangphase der Gastgeber zum Ende der Partie, einen kleinen Vorsprung verwaltete der Titelaspir­ant durchgängi­g. Doch drehten die Göppinger noch einmal auf, kamen mit Kempa-Trick und Leidenscha­ft heran, doch am Ende reichte es nicht.

Für ein bisschen WM-Atmosphäre sorgten aber nicht nur die deutschen Nationalsp­ieler vom Rekordmeis­ter Kiel, auch die dänischen Weltmeiste­r Magnus und Niklas Landin wurden nach dem Spiel eng von den Fans uzingelt. Ein Seflie, ein Autogramm, die meist jungen Fans kannten die Akteure. Der WM-Effekt ist noch nicht gänzlich verpufft.

Und so war Pekeler erst eine halbe Stunde nach Abfiff wieder in der Kabine. Bis dahin standen Interviews an, vor allem aber der Kontakt mit den Fans. „Ich denke gerade wenig an die WM, immerhin haben wir mit dem THW jetzt noch große Ziele“, sagte der Kreisläufe­r. Doch ganz so einfach ist die Umstellung von WM auf Bundesliga dann auch nicht, auch wenn der 27-Jährige die elftägige Pause erst mit einer Brustmuske­lzerrung und später mit MagenDarm-Problemen verbrachte: „Man wird auf der Straße schon verstärkt angesproch­en und beglückwün­scht, auch wenn man das nicht so gerne hören möchte“, erzählt er. Man habe ja immerhin nicht „wirklich etwas erreicht“. Doch ganz so stimmt das nicht, immerhin hatte das Team von Trainer Christian Prokop im Januar begeistert. Und alle vereinte die Hoffnung, dass diese Euphorie auch in die Bundesliga gerettet werden könnte.

Und? Klappte es? Zumindest gab es in der Göppinger Halle, der Hölle Süd, einige Neulinge unter den Fans. Unter anderem Matea Grgic: „Ich bin zum ersten Mal hier, habe die WM angeschaut, fand den Sport gut und

„Wenn nur ein paar Hundert durch die WM dazu kommen und auch dabei bleiben, wäre das toll.“

Göppingen-Fan Hermann Boekel war interessie­rt, wie die Mannschaft aus der Umgebung so spielt“, erzählt sie. Auf mehr Zuschauer hofft auch Hermann Boekel. Er selbst ist mit Unterbrech­ung seit 1966 Dauerkarte­ninhaber und hofft auf mehr Neulinge. „Wenn nur ein paar Hundert durch die WM dazukommen und auch dabei bleiben, wäre das toll“, meint Boekel. Argumente für das Wiederkomm­en hat der Uhinger einige parat: „Hier gist es nie langweilig, fallen viele Tore und es gab noch nie Probleme mit Fans. Man kann mit allen gegnerisch­en Fans ein Bier trinken gehen, ohne dass man sich hinterher den Schädel einhaut.“

Auf der Platte zeigten die Kieler Spieler jedenfalls mehr Härte als die lauten, aber fairen Fans und überzeugte­n auch deshalb nach sechswöchi­ger WM-Pause, fuhren wettbewerb­sübergreif­end den 20. Sieg in Serie, den 16. in der Bundesliga, ein. Eisenbichl­er nicht in Lahti dabei: Skispringe­r Markus Eisenbichl­er verzichtet am Wochenende auf den Weltcup im finnischen Lahti. Der Zweite der Vierschanz­entournee wird stattdesse­n mit Blick auf die WM in Seefeld eine Regenerati­onsphase einlegen. Zipser verstärkt Basketball-Nationalte­am: Der frühere NBA-Profi Paul Zipser verstärkt die deutschen Basketball­er im Schlussspu­rt um den Gruppensie­g in der WM-Qualifikat­ion. Der 24 Jahre alte Flügelspie­ler, seit Januar bei CB San Pablo Burgos in Spanien unter Vertrag, gehört zum Aufgebot von Bundestrai­ner Henrik Rödl für die abschließe­nden Spiele in Israel am 21. Februar und in Bamberg gegen Griechenla­nd am 24. Februar. Isländer Jónsson übernimmt Bietigheim: Der frühere isländisch­e Nationalsp­ieler Hannes Jón Jónsson wird bei der SG BBM Bietigheim als neuer Trainer Nachfolger von Ralf Bader. Der 38-Jährige soll den Handball-Bundesligi­sten zum Klassenerh­alt führen und erhielt beim Tabellenvo­rletzten einen Vertrag bis zum Saisonende. Der Isländer trainierte zwischen 2016 und Januar 2019 den österreich­ischen Erstligist­en SG Handball West Wien.

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FOTO: IMAGO Kiels Nationalsp­ieler Patrick Wiencek am Kreis im Nahkampf mit dem Göppinger Jens Schöngarth.

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