Überraschende Wende im BAG-Prozess
Fehler in Excel-Tabelle des Ermittlungsbeamten bringt den Prozess ins Wanken – Verfahrenseinstellung möglich
ELLWANGEN / STUTTGART - Der BAG-Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht hat am Freitag eine spannende Wendung genommen. Der ermittelnde Kriminalbeamte hat einen gravierenden Fehler bei der Schadensermittlung eingeräumt. Daraufhin hat der Vorsitzende Richter Wolfgang Schwarz den drei Angeklagten drei Optionen zum Fortgang des Verfahrens vorgestellt: die Einstellung des Verfahrens, seine Aussetzung oder neue Ermittlungen während der fortschreitenden Hauptverhandlung.
Der Grund für diese neuen Töne im Prozess um Bilanzmanipulationen in den Jahren 2010 und 2011 bei der Bezugs- und Absatzgenossenschaft (BAG) waren Recherchen der Kammer. Der Kriminalbeamte, der in dem Fall ermittelte, hatte seinerzeit den Schaden durch die Manipulationen beziffern müssen. Insgesamt war nachweisbar ein Schaden von mindestens 3,5 Millionen Euro entstanden. Allerdings musste für das Verfahren geklärt werden, in welcher Höhe sich der Schaden für die zwei betreffenden Jahre beläuft. Dazu hatte der Beamte bei der BAG Ellwangen die Zahlen des Inventurbestands von 2012 angefordert, um von dort aus den Warenbestand zurückzuberechnen.
Falsche Berechnung der Schadenshöhe
Bei der Berechnung war allerdings ein Fehler unterlaufen. Alle Waren, die im Jahr 2012 verkauft wurden, hätten zum Jahr 2011 dazuaddiert werden müssen. Waren, die 2012 gekauft worden waren, hätten abgezogen werden müssen. Laut dem Kriminalbeamten, der die Ermittlungen größtenteils allein geführt hatte, habe ein Fehler in seiner Excel-Tabelle dafür gesorgt, dass beide Vorgänge miteinander vertauscht wurden: Verkaufte Waren wurden abgezogen und gekaufte hinzuaddiert. Dadurch hatte sich in den Berichten der Polizei ein falscher Warenbestand für beide Jahre ergeben.
Das war aber nicht das Einzige, das letztlich zu einer falschen Schadenshöhe führte. Teilweise war bei der Berechnung des Schadens bei loser Ware wie Getreide oder Dünger bei der Originalmenge die Ziffer Null eingetragen worden. Der ehemalige Prokurist hatte angegeben, dass er immer vom Buchbestand aus seine Erhöhungen vorgenommen hatte. Damit könnte die tatsächlich fehlende Menge geringer sein als bislang angenommen. Darüber hinaus könne anhand der reinen Zahlen für 2012 nicht mehr nachvollzogen werden, ob diese ebenfalls manipuliert oder Schwund durch Diebstähle und Verderb berücksichtigt wurden. Das Fazit des Vorsitzenden Richters: „Mit diesen Daten können wir nicht weiterarbeiten.“Daher verkündete er bereits zu Beginn der Verhandlung, dass eine neue Berechnung sowie ein neues Sachgutachten notwendig seien, um bei einer möglichen Verurteilung auch ein Strafmaß festzulegen.
Nach einer Verhandlungspause sagte der Vorsitzende Richter Wolfgang Schwarz: Der Kriminalbeamte habe die Bedenken der Kammer bestätigt. Für den Fortgang der Verhandlung sei es unerlässlich, eine korrekte Schadensberechnung und damit auch ein richtiges Gutachten vorliegen zu haben. Anschließend eröffnete er drei Möglichkeiten für den weiteren Verfahrensverlauf.
Die erste: Der Kriminalbeamte und sein Team nehmen parallel zur Hauptverhandlung die Ermittlungen wieder auf, lassen sich die gesamten Unterlagen der Inventur 2012 zukommen, prüfen alle Warenein- und -ausgänge und erstellen daraus dann eine neue Schadensberechnung. Im Anschluss müsse es ein neues Sachgutachten geben.
Die zweite Möglichkeit sei, die Hauptverhandlung auszusetzen, diese Nachermittlungen abzuwarten und dann den Prozess komplett neu zu starten. Wann das Verfahren dann wieder aufgenommen werden könnte, sei aber völlig offen, so Schwarz.
Richter: Verfahrensverzögerung spricht für eine Einstellung
Als dritte Möglichkeit zieht die Kammer auch eine Einstellung des Verfahrens gegen die Zahlung von Geldauflagen in Betracht. Hierfür gebe es durchaus einige Argumente, erklärte Schwarz. Diese sind unter anderem die lange Verfahrensverzögerung von rund drei Jahren, die extrem lange Dauer des Verfahrens und die damit verbundenen persönlichen Belastungen sowie die Tatsache, dass sich keiner der Angeklagten durch die Tat persönlich bereichert habe.
Die drei Verteidiger, Markus Gotzens, Sebastian Rieck und Andreas Druwe, zeigten sich in Absprache mit ihren Angeklagten zur Einstellung des Verfahrens bereit. Rieck merkte an, dass er es für nicht gesichert halte, dass eine erneute Ermittlungsarbeit in Sachen Schadensberechnung zum Ziel führe. Rechtsanwalt Druwe wies darauf hin, dass die Höhe der Geldauflage eine Rolle spiele. Allerdings koste jeder weitere Prozesstag die Angeklagten Geld. Daher bat er das Gericht und Oberstaatsanwalt Heiko Wagenpfeil um eine schnelle Entscheidung. Der Staatsanwalt ließ verlauten, dass er seine Entscheidung am nächsten Verhandlungstag offen legen werde.
Der nächste Verhandlungstag im BAG-Prozess ist auf Freitag, 22. Februar, um 9 Uhr terminiert. Alle weiteren Artikel zum Prozess lesen Sie unter www.schwaebische.de/bag-prozess2018.