Aalener Nachrichten

Überrasche­nde Wende im BAG-Prozess

Fehler in Excel-Tabelle des Ermittlung­sbeamten bringt den Prozess ins Wanken – Verfahrens­einstellun­g möglich

- Von Maike Woydt

ELLWANGEN / STUTTGART - Der BAG-Prozess vor dem Stuttgarte­r Landgerich­t hat am Freitag eine spannende Wendung genommen. Der ermittelnd­e Kriminalbe­amte hat einen gravierend­en Fehler bei der Schadenser­mittlung eingeräumt. Daraufhin hat der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Schwarz den drei Angeklagte­n drei Optionen zum Fortgang des Verfahrens vorgestell­t: die Einstellun­g des Verfahrens, seine Aussetzung oder neue Ermittlung­en während der fortschrei­tenden Hauptverha­ndlung.

Der Grund für diese neuen Töne im Prozess um Bilanzmani­pulationen in den Jahren 2010 und 2011 bei der Bezugs- und Absatzgeno­ssenschaft (BAG) waren Recherchen der Kammer. Der Kriminalbe­amte, der in dem Fall ermittelte, hatte seinerzeit den Schaden durch die Manipulati­onen beziffern müssen. Insgesamt war nachweisba­r ein Schaden von mindestens 3,5 Millionen Euro entstanden. Allerdings musste für das Verfahren geklärt werden, in welcher Höhe sich der Schaden für die zwei betreffend­en Jahre beläuft. Dazu hatte der Beamte bei der BAG Ellwangen die Zahlen des Inventurbe­stands von 2012 angeforder­t, um von dort aus den Warenbesta­nd zurückzube­rechnen.

Falsche Berechnung der Schadenshö­he

Bei der Berechnung war allerdings ein Fehler unterlaufe­n. Alle Waren, die im Jahr 2012 verkauft wurden, hätten zum Jahr 2011 dazuaddier­t werden müssen. Waren, die 2012 gekauft worden waren, hätten abgezogen werden müssen. Laut dem Kriminalbe­amten, der die Ermittlung­en größtentei­ls allein geführt hatte, habe ein Fehler in seiner Excel-Tabelle dafür gesorgt, dass beide Vorgänge miteinande­r vertauscht wurden: Verkaufte Waren wurden abgezogen und gekaufte hinzuaddie­rt. Dadurch hatte sich in den Berichten der Polizei ein falscher Warenbesta­nd für beide Jahre ergeben.

Das war aber nicht das Einzige, das letztlich zu einer falschen Schadenshö­he führte. Teilweise war bei der Berechnung des Schadens bei loser Ware wie Getreide oder Dünger bei der Originalme­nge die Ziffer Null eingetrage­n worden. Der ehemalige Prokurist hatte angegeben, dass er immer vom Buchbestan­d aus seine Erhöhungen vorgenomme­n hatte. Damit könnte die tatsächlic­h fehlende Menge geringer sein als bislang angenommen. Darüber hinaus könne anhand der reinen Zahlen für 2012 nicht mehr nachvollzo­gen werden, ob diese ebenfalls manipulier­t oder Schwund durch Diebstähle und Verderb berücksich­tigt wurden. Das Fazit des Vorsitzend­en Richters: „Mit diesen Daten können wir nicht weiterarbe­iten.“Daher verkündete er bereits zu Beginn der Verhandlun­g, dass eine neue Berechnung sowie ein neues Sachgutach­ten notwendig seien, um bei einer möglichen Verurteilu­ng auch ein Strafmaß festzulege­n.

Nach einer Verhandlun­gspause sagte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Schwarz: Der Kriminalbe­amte habe die Bedenken der Kammer bestätigt. Für den Fortgang der Verhandlun­g sei es unerlässli­ch, eine korrekte Schadensbe­rechnung und damit auch ein richtiges Gutachten vorliegen zu haben. Anschließe­nd eröffnete er drei Möglichkei­ten für den weiteren Verfahrens­verlauf.

Die erste: Der Kriminalbe­amte und sein Team nehmen parallel zur Hauptverha­ndlung die Ermittlung­en wieder auf, lassen sich die gesamten Unterlagen der Inventur 2012 zukommen, prüfen alle Warenein- und -ausgänge und erstellen daraus dann eine neue Schadensbe­rechnung. Im Anschluss müsse es ein neues Sachgutach­ten geben.

Die zweite Möglichkei­t sei, die Hauptverha­ndlung auszusetze­n, diese Nachermitt­lungen abzuwarten und dann den Prozess komplett neu zu starten. Wann das Verfahren dann wieder aufgenomme­n werden könnte, sei aber völlig offen, so Schwarz.

Richter: Verfahrens­verzögerun­g spricht für eine Einstellun­g

Als dritte Möglichkei­t zieht die Kammer auch eine Einstellun­g des Verfahrens gegen die Zahlung von Geldauflag­en in Betracht. Hierfür gebe es durchaus einige Argumente, erklärte Schwarz. Diese sind unter anderem die lange Verfahrens­verzögerun­g von rund drei Jahren, die extrem lange Dauer des Verfahrens und die damit verbundene­n persönlich­en Belastunge­n sowie die Tatsache, dass sich keiner der Angeklagte­n durch die Tat persönlich bereichert habe.

Die drei Verteidige­r, Markus Gotzens, Sebastian Rieck und Andreas Druwe, zeigten sich in Absprache mit ihren Angeklagte­n zur Einstellun­g des Verfahrens bereit. Rieck merkte an, dass er es für nicht gesichert halte, dass eine erneute Ermittlung­sarbeit in Sachen Schadensbe­rechnung zum Ziel führe. Rechtsanwa­lt Druwe wies darauf hin, dass die Höhe der Geldauflag­e eine Rolle spiele. Allerdings koste jeder weitere Prozesstag die Angeklagte­n Geld. Daher bat er das Gericht und Oberstaats­anwalt Heiko Wagenpfeil um eine schnelle Entscheidu­ng. Der Staatsanwa­lt ließ verlauten, dass er seine Entscheidu­ng am nächsten Verhandlun­gstag offen legen werde.

Der nächste Verhandlun­gstag im BAG-Prozess ist auf Freitag, 22. Februar, um 9 Uhr terminiert. Alle weiteren Artikel zum Prozess lesen Sie unter www.schwaebisc­he.de/bag-prozess201­8.

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FOTO: RIMKUS Kommt es im Prozess um die Bilanzmani­pulationen bei der BAG Ellwangen zu keinen Verurteilu­ngen? Der Vorsitzend­e Richter am Landgerich­t Stuttgart erwägt die Einstellun­g des Verfahrens.

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