Erneut Protest gegen Dieselfahrverbote
Kretschmann verweist auf die Rechtslage: Die Luft müsse sauberer werden
STUTTGART (dpa) - Der Streit um Dieselfahrverbote sorgt für Spannungen in Baden-Württembergs Koalition. Die CDU geht auf die Barrikaden, aber Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) setzt trotz des Streits in seiner Regierung auf den Fortbestand der grünschwarzen Koalition. Er glaube nicht, dass die CDU das Bündnis deswegen infrage stellen werde, sagte Kretschmann. „Die Alternative wäre, dass die Koalition zerbricht und es eine neue Regierung gibt. Aber die müsste sich ja auch an das Recht halten“, sagte der Regierungschef. „Was wäre damit gewonnen?“
Die CDU hatte für Samstag zusammen mit der oppositionellen FDP und den Freien Wählern zu einer Demonstration gegen die Fahrverbote für Dieselfahrzeuge aufgerufen. Die Veranstalter sprachen von 900 bis 1000 Teilnehmern, Beobachter gingen von deutlich weniger aus. Im Anschluss daran hatte der Porschemitarbeiter Ioannis Sakkaros wie bereits in den vergangenen Wochen zu einem Gelbwestenprotest am verkehrsreichen Neckartor aufgerufen. Sakkaros sieht sich als Kopf einer „unparteilichen Bürgerbewegung“. Parteien seien am Neckartor unerwünscht. Beobachtern zufolge hatte diese Aktion etwas mehr Teilnehmer als die erste. Auf Plakaten hieß es: „Stoppt die Ökokratie“oder „Nein Fahrverbot – Nein Enteig- nung“. Viel Beifall bekam FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke als überzeugter Dieselbesitzer.
Stuttgart ist die erste deutsche Stadt, in der es seit Jahresbeginn großflächige Dieselfahrverbote gibt. Seit dem 1. Januar gilt ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Abgasnorm Euro 4 und schlechter. Dazu war die Koalition von mehreren Gerichten gezwungen worden. Wenn die Luft nicht deutlich besser wird, könnten auch Fahrverbote für Dieselautos der Euronorm 5 kommen. CDU-Vizeregierungschef Thomas Strobl hatte aber jüngst erklärt: „Es wird keine flächendeckenden Euro-5- Fahrverbote mit uns geben.“Trotz dieser Aussage geht Kretschmann davon aus, dass sich auch die CDU an Gesetze und Urteile halten wird. „Die CDU ist genauso wie wir eine Rechtsstaatspartei“, sagte er. „Die Luft wird ja besser. Wenn es überhaupt zu Fahrverboten für Euro-5Diesel kommt, dann nicht in großem Ausmaß, das kann ich zusagen.“
Kretschmanns grün-schwarze Regierung ist seit 2016 im Amt. Sie ist bis 2021 gewählt. Wegen der Dieselfahrverbote und der Luftreinhaltung in Stuttgart hatte es am Dienstag ein Krisentreffen der Koalitionäre gegeben. Dabei pochte die CDU darauf, dass die Maßnahmen zur Luftreinhaltung entschiedener vorangetrieben werden. „Der Teufel steckt immer im Detail. Es geht nie alles so schnell, wie man will“, sagte Kretschmann dazu. „Aber das Gras wächst nicht schneller, indem man daran zieht.“Auf Drängen der CDU werden in Stuttgart nun mehr Messstellen aufgestellt, um die Belastung mit Stickoxiden genauer zu erfassen.
„Bundesdeutsches Recht“
Dass sich der Ärger bei den Demonstrationen auch gegen die Grünen richtet, mag Kretschmann nicht verstehen. „Die Stickoxidgrenzwerte werden in der EU festgelegt und wurden 2010 von der damaligen CDU/CSU/FDP-Regierung im Bund in bundesdeutsches Recht gegossen.“Letztlich hätten Gerichte dem Land die Fahrverbote auferlegt. „Wir müssen dazu die Luftreinhaltepläne machen.“Er verstehe, dass es draußen bei den Bürgern schlechte Stimmung gebe. „Natürlich stresst das eine Regierung“, sagte Kretschmann.
In Stuttgart ist die Luft zwar sauberer geworden, aber 2018 wurde am Neckartor ein Wert von 71 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft registriert – die höchste registrierte Belastung in Deutschland. Erlaubt ist ein Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Eine grünschwarze Arbeitsgruppe unter Federführung des Staatsministeriums soll nun die konkrete Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen zur Luftreinhaltung vorantreiben.