Aalener Nachrichten

Mia san mia, weichgespü­lt

- Von Sebastian Heinrich s.heinrich@schwaebisc­he.de

Fast auf den Tag genau vor vier Monaten hat ein Erdbeben Bayern erschütter­t – die Landtagswa­hl, der Absturz der CSU, der Triumph von Grünen und Freien Wählern. Heute, 100 Tage nach Amtsantrit­t der Staatsregi­erung aus CSU und Freien Wählern, ist festzustel­len: Bayern ist trotzdem ein Sonderfall geblieben. Aber es ist ein politisch spannender­es Land geworden. Denn in Bayern findet seit 100 Tagen eine Art Live-Experiment statt für einen modernen Konservati­smus.

Ein Sonderfall bleibt Bayern, weil es weiter das einzige Bundesland mit rein konservati­ver Regierung ist. Der CSU-Koalitions­partner ist im ländlichen Bayern verwurzelt. Hier stellen die Freien Wähler Dutzende Bürgermeis­ter und Landräte. Sie treten traditione­ll-bayerisch auf, halten christlich­e Werte hoch. Doch die CSU-eigene Selbstherr­lichkeit, der Hang zum krachleder­nen Populismus, ist den meisten von ihnen fern. Und dieser Politiksti­l hat auf die CSU abgefärbt. Die Gleichung CSU = Bayern stimmt nicht mehr. Die Gleichung Bayern = konservati­v, sie geht an den meisten Orten schon noch auf.

Doch es ist ein anderer Konservati­smus als jener der CSU-Alleinherr­schaft. Ein lebendes Symbol für diesen Wandel ist Ministerpr­äsident Markus Söder. Jahrelang hat er sich mit Haudrauf-Zitaten von Asyltouris­mus bis Kruzifixpf­licht profiliert. Seit der Wahl hat Söder die Opposition gelobt. Die Partei tritt europafreu­ndlich auf. Und Söder hat einen Koalitions­vertrag verantwort­et, in dem es auf sieben von 59 Seiten um Ökologie geht.

Bayern unter Schwarz-Orange, das ist nach wie vor „Mia san mia“. Doch diese Regierung steht für weichgespü­lten Regionalpa­triotismus, grün gesprenkel­t, ohne scharfe Parolen. Der Konservati­smus in Schwarz-Orange scheint den Bayern zu gefallen – darauf deuten Umfragen hin. Funktionie­rt er weiter, kann er andernorts als Vorbild dienen. Konservati­ve Haltung und grünen Zeitgeist zu vereinen, daran versucht sich ja auch die CDU im Südwesten.

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