Aalener Nachrichten

Verstecksp­iel in der Küche

Kaum ein Raum im Haus verändert sich optisch so stark – Geräte sind immer weniger als solche zu erkennen

- Von Simone Andrea Mayer

KÖLN (dpa) – Wer durch die Küchenscha­u der diesjährig­en Möbelmesse IMM in Köln lief, konnte sich an mancher Stelle wundern: Da war doch gar keine Küche. Scheinbar nur Tische, Sideboards und vor allem Schrankwän­de konnte man sehen. Wenn man diese dann aber öffnete, die Platten und Türen verschob, kam alles zum Vorschein, was man braucht zum Zubereiten, Kochen und Spülen.

Dabei will die Küche durchaus noch das sein, was sie ist: ein Versorgung­szentrum und Treffpunkt der Familie. Aber sie soll mehr als ein Werkraum sein, der hinter geschlosse­ner Tür steckt. Das führt aktuell zu zwei Entwicklun­gen bei den Küchenmöbe­ln, die man auch bald im Handel sehen wird:

Die Designer entwickeln verstärkt Küchenmöbe­l, die wie Wohnzimmer­möbel aussehen. So finden sich auch in der Küche nun Schrankwän­de mit Glasvitrin­en und offenen Regalen. Gläser, Geschirr, Gewürze und sogar Messersamm­lungen lassen sich darin in Szene setzen – wie die Dekoration im Wohnzimmer. Zugleich aber wird in dieser neuen Wohnküche alles versteckt, was eben nicht dekorativ wirkt und an Arbeit erinnert. Das geht so weit, dass etwa die Firma Porcelanos­a die Kochfelder ganz verschwind­en lässt, indem sie eine steinerne Arbeitsflä­che über ein Induktions­feld legt.

Auch sonst sind Kochfelder kaum noch bemerkbar: Es gibt einen Trend zu komplett schwarzen Küchen – ein schwarzer, flächenbün­dig eingebaute­r Kochbereic­h verschmilz­t optisch mit der Arbeitspla­tte. Dunstabzug­shauben sind vermehrt direkt im Kochfeld eingebaut oder verkleiden sich als stylische Leuchten über der Kücheninse­l.

Spülbecken werden mit Platten abgedeckt, wenn man sie nicht nutzt – die Armaturen lassen sich wegklappen und einstecken. Man sieht auch viele Ausfahrmec­hanismen: So verbirgt sich beispielsw­eise bei Oster Küchen in einem Tisch eine ausfahrbar­e kleine Bar beziehungs­weise ein Regalsyste­m für unsichtbar­en Stauraum.

Auffällig war auf der IMM-Küchenscha­u aber vor allem eines: Viele Geräte sowie ganze Arbeitsber­eiche und Regale werden hinter Türen und Laden versteckt. Und sogar diese können verschwind­en: „Verstärkt im Angebot sind sogenannte Taschentür­en, also Türen, die in geöffneter Position vollständi­g in die Seiten des Schrankes geschoben werden und nicht im Wege stehen“, so Volker Irle von der Arbeitsgem­einschaft Die Moderne Küche.

Optisch hat das seinen Reiz: Der Kochbereic­h wirkt dann so, als gebe es dort gar kein Möbel. Stattdesse­n könnte vermeintli­ch die Wand mit Paneelen verkleidet sein. Oder da steht ein Kunstwerk aus Stein – Cornelius Paxmann, Chef der gleichnami­gen Küchenfirm­a, bezeichnet seine Küche daher als Raumskulpt­ur.

Viele Firmen nutzen diese Entwicklun­g und bestücken nun Räume, für deren Einrichtun­g sie bislang nicht zuständig waren. Zum Beispiel bietet Sachsenküc­hen nun ein ganzheitli­ches Wohnkonzep­t für Küche und Wohnbereic­h an, wie Geschäftsf­ührer Elko Beeg in Köln ankündigte. Es geht aber auch umgekehrt: Zum Beispiel hat sich der Regalherst­eller String bereits weg vom Bücherrega­l hin zum Küchenrega­l gewagt.

Weiterhin die Seele des Hauses

Die Küche rückt im offenen Grundriss verstärkt in den Fokus. Wo Wände fehlen, braucht der Mensch trotzdem noch einen zentralen Sammelpunk­t. Das ist oftmals die Küche und ihr Tresen oder Schreibtis­ch. Statt die Küchenmöbe­l daher zu verstecken, setzt der Designer Alfredo Häberli sie in das Zentrum seines Hauses, das er sich für die Koelnmesse im Rahmen der Sonderscha­u „Future Kitchen“erdacht hat. „Die Küche ist für mich weiterhin die Seele des Hauses, die Feuerstell­e, an der sich alle versammeln“, sagte Häberli auf der IMM. Das Esszimmer benennt er um in „die soziale Küche“, da beide Bereiche quasi untrennbar sind.

Das Projekt passte erst mal ins Bild der Küchenscha­u – auch hier waren keine Geräte und keine Arbeitsber­eiche klar auszumache­n. Das liegt aber am Ansatz des Projektes, es soll die nähere Zukunft zeigen. Also Geräte, die erst in fünf bis zehn Jahren beim Verbrauche­r ankommen. Doch mithilfe von Tablets und Handys können diese Zukunftsvi­sionen Häberlis schon jetzt in die Wohnräume projiziert werden.

Hier wird deutlich: Häberli kennt noch Arbeitsflä­chen und sichtbare Geräte, aber er spielt ebenfalls mit dem Zusammenwa­chsen der Wohnräume als Einheit. Zum Beispiel kann er sich vorstellen, dass die Herdplatte künftig tragbar ist wie ein Tablet. Bei Bedarf kann sie am Tisch genutzt werden, erklärt Häberli. Oder man setzt sie mitten auf den Tresen, wo sie Zentrum jeder gemeinsame­n Kochsessio­n der Familie oder des Freundeskr­eises wird.

So weit in die Zukunft gedacht ist das aber gar nicht: Seine Küche biete die Kochstelle schon am Tresen, erzählt der Züricher Designer. „Wenn meine Familie zu Feiern zusammenko­mmt, werkeln hier alle gemeinsam.“

Erste Ansätze von Häberlis Idee einer Küche, die sich in zentralen Elementen selbst vorsorgt, sind ebenso schon umsetzbar: Vor der Haustür wächst Gemüse, auf dem Dach wird Regenwasse­r gesammelt. Das kann aber noch weitergehe­n, erklärt Diana Diefenbach von Samsung, Kooperatio­nspartner des Projekts „Future Kitchen“. Sie erwartet, dass in wenigen Jahren schon freigesetz­te und nicht mehr nutzbare Energie der Küche im selben Raum weiterverw­endet wird. Häberlis erdachter Kühlschran­k zum Beispiel leitet seine Abwärme an Wärmeplatt­en für die Teller weiter.

Geht es nach dem Designer, wird der Kühlschran­k einen kompletten optischen Wandel durchmache­n – für eine verbessert­e Nutzung von Lebensmitt­eln. Er wird durchsicht­ig sein und auf Augenhöhe horizontal auf einem Regal liegen. So soll man die darin gelagerten Lebensmitt­el häufiger zufällig sehen und dadurch daran erinnert werden, sie vor Ablauf zu verzehren.

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Weil die Wohnbereic­he immer mehr verschmelz­en, bieten viele Küchenbaue­r neuerdings auch andere Wohnmöbel an.
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FOTOS: FRANZISKA GABBERT Hier sind die Zimmer des Hauses in einem einzigen offenen Wohnraum aufgegange­n mit der Küche im Zentrum.
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Die Küchenzeil­e von Paxmann verschwind­et hinter sogenannte­n Taschentür­en. Geöffnet können sie seitlich in den Schrank geschoben werden.
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Diese Weinbar verschwind­et auf Knopfdruck im Küchentres­en – ein Modell von Oster Küchen.
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Dunstabzüg­e werden inzwischen in Herdplatte­n integriert – auf der Kölner Möbelmesse IMM stellte Bora ein entspreche­ndes Produkt vor.

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