Aalener Nachrichten

Streit über die Grundrente

Nach Koalitions­ausschuss will CSU-Chef Markus Söder der SPD eine Denkpause geben

- Von Sabine Lennartz

BERLIN – Eigentlich haben sie Stillschwe­igen vereinbart, die Spitzen von SPD und Union. Denn im ersten Koalitions­ausschuss mit den neuen Parteichef­s Markus Söder (CSU) und Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU) stand einiges auf der Tagesordnu­ng. Zum Beispiel Kohleausst­ieg, Diesel, Grundrente. Es habe vieles zum Nachdenken gegeben, und bei manchem müsse nachgearbe­itet werden, meint CSU-Chef Markus Söder am Morgen nach dem Ausschuss im ZDF-Morgenmaga­zin. Zum Nacharbeit­en gehört für ihn die Bedürftigk­eitsprüfun­g vor einer Grundrente. Die ist im Koalitions­vertrag festgehalt­en.

„Jeder möchte bei der Grundrente etwas tun“, versichert Söder, aber die Bedürftigk­eitsprüfun­g als Art von Gerechtigk­eitsprüfun­g gehöre für ihn dazu. „Deshalb ist es wichtig, der SPD eine Denkpause zu geben.“Es könne doch nicht sein, dass jemand, der lange Vollzeit gearbeitet hat, dasselbe habe wie jemand, der nur ein bisschen gearbeitet habe.

Wohneigent­um schützen

Weniger umstritten ist, dass man selbstgenu­tztes Wohneigent­um aus der Anrechnung heraushält. Viele Rentner haben ein kleines Heim, aber keine große Rente. „Mein Ansatz ist: Höhere Freibeträg­e und selbstgenu­tztes Eigentum verschonen“, sagt Söder. Dieser Wunsch steht auch im Koalitions­vertrag. „Wir wollen, dass der Bezug sozialer staatliche­r Leistungen und der neu geschaffen­en Grundrente nicht dazu führt, dass selbst genutztes Wohneigent­um aufgegeben werden muss. Dazu werden wir die gesetzlich­en Regelungen zur Vermögensv­erwertung und zum Schonvermö­gen in der Sozialhilf­e und der Grundsiche­rung für Arbeitssuc­hende überarbeit­en, angleichen und so ändern, dass Bezieher sozialer staatliche­r Leistungen in ihrem Wohneigent­um wohnen bleiben können“, heißt es darin.

Markus Söder erwartet nach dem Koalitions­ausschuss eine schnelle, finanzierb­are Lösung ohne Steuererhö­hungen. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r sieht dagegen noch keine Annäherung.

Denn die SPD steht hinter Hubertus Heils Konzept. Der will diejenigen, die mindestens 35 Jahre in die Rente einbezahlt haben (Teilzeitar­beit, Kinderzieh­ungs- und Pflegezeit­en sollen dabei mitzählen), ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g die Renten von weniger als 896 Euro mit bis zu 447 Euro im Monat aufstocken. Das könnte dann rund fünf Milliarden Euro im Jahr kosten.

In der Unionsfrak­tion schimpfen einige, dass dann die Grundrente, für die einmal 130 Millionen eingeplant waren, plötzlich mal eben fünf Milliarden Euro kosten würde. Für Carsten Schneider, den Parlamenta­rischen Geschäftsf­ührer der SPDFraktio­n im Bundestag, ist das jedoch „locker machbar“. Der Betrag von fünf bis sechs Milliarden jährlich solle nicht aus Steuererhö­hungen, sondern aus allgemeine­n Steuermitt­eln finanziert werden. Entscheide­nd sei doch, wofür die Koalition Geld ausgeben wolle.

Die Arbeitgebe­r warnen bereits vor zu hohen Belastunge­n für die Sozialvers­icherungen. „Wer eine Politik von der Hand in den Mund als nachhaltig­e Sozialpoli­tik versteht, der muss scheitern. Wir brauchen deshalb eine ehrliche Analyse, vor allem aber tragfähige Zukunftslö­sungen – nicht nur über die verschiede­nen Sozialvers­icherungsz­weige, sondern auch über die Generation­engrenzen hinweg“, sagt BDAGeschäf­tsführer Steffen Kampeter. Der Gesamtbeit­ragssatz für die vier zentralen Zweige der Sozialvers­icherung liege derzeit noch bei knapp unter 40 Prozent. Die Arbeitgebe­r treibe die Sorge um, dass die Sozialbeit­räge ohne einschneid­ende Reformen bis 2040 auf fast 50 Prozent ansteigen könnten, wie eine Prognos-Studie zeige.

Auch die Union rät zur Vorsicht. In ihren Reihen hofft man, dass das Thema Grundrente ohne Prüfung schnell vom Tisch ist, wenn man erst einmal Einzelbeis­piele aufzähle, wer dann nach den SPD-Plänen alles Rente bekomme. Wenn man an die berühmte Zahnarztga­ttin mit der kleinen Rente denke, dann stelle sich schnell die Gerechtigk­eitsfrage.

Der Osten profitiert

Im Osten Deutschlan­ds kommen die Pläne für eine Grundrente besonders gut an, weil es hier viele Wendeverli­erer mit kleinen Renten und langer Lebensarbe­itszeit gibt. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft könnten im Osten 83 Prozent der Frauen ihre Minirente aufstocken. Im Westen kommen dagegen nur 32 Prozent der Frauen auf die erforderli­chen 35 Jahre Arbeitszei­t.

CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer rät, jetzt die konkreten Pläne von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil abzuwarten. „Wenn er allerdings darauf besteht, dass es überhaupt keine Bedürftigk­eitsprüfun­g geben sollte, dann, glaube ich, wird eine Einigung eher schwer. “

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FOTO: IMAGO Bedürftigk­eitsprüfun­g ja oder nein – das ist die noch zu klärende Frage bei der Grundrente.

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