Aalener Nachrichten

Glücklich gleiten am Gitsch

Die Südtiroler Skiregion Gitschberg Jochtal setzt auf Überschaub­arkeit und Entschleun­igung

- Von Jürgen Löhle Weitere Informatio­nen:

Geht scho“, sagt Skiguide Stefan und klickt die letzten Schnallen an seinen Skistiefel­n fest. Wohl wahr – wenn nicht jetzt, wann dann? Ein fast schon kitschig blauer Himmel, garniert mit weißen Einsprengs­eln wie aus dem Fotoshop. Linsenförm­ige Föhnwolken künden von schlechtem Wetter auf der Alpennords­eite, die nur knapp 45 Autominute­n nördlich auf dem Brenner beginnt. Dort ist der Himmel wolkenverh­angen und grau, hier aber fällt der ungehinder­te Blick auf eine ganze Legion in der Sonne strahlende­r Dolomiteng­ipfel und hinunter ins Tal, in dem sich gerade letzte Dunstschle­ier auflösen. Hier oben auf dem Gitsch, auf 2500 Metern, ist die Luft klar und kühl und das Herz weit im Anblick der Piste. Ein breiter Hang, 1100 Meter über dem Startort Meransen, baumfrei, steil genug, damit die ambitionie­rte Skijugend Südtirols hier trainiert, aber nicht so steil, dass der Meniskus quietscht. „Geht scho“eben. Wobei das schon eine arge Verniedlic­hung ist für Menschen, die aus dem grauen Winter der Stadt über Mühlbach im Pustertal in die sonnige Höhe gekommen sind. „Geht scho“heißt Glück pur im Carvingrad­ius. Und mit den Schwüngen wächst auch noch eine Erkenntnis. „Geht scho“bedeutet auch: So geht es auch.

Gemeint ist damit, dass das Gebiet Gitschberg Jochtal eine Art Gegenentwu­rf zu so mancher Skiregion ist. Natürlich gibt es auch hoch über dem Eisacktal gut 50 Kilometer gewalzte und beschneite Pisten und 16 größtentei­ls hochmodern­e Lifte. Auch der übliche Snowpark mit Sprunghüge­ln und Rails fehlt nicht, aber das Konzept geht doch eher auf Entschleun­igung. Wenn man sich hier einmal verliert, ist auch ohne Handy die Chance nicht so schlecht, dass man sich wieder trifft. Zumindest ist sie deutlich höher als in den Regionen, wo man eine ganzen Skitag keinen Lift zweimal fahren muss.

22 gemütliche Hütten

Die Weite ist überschaub­ar. Dazu kommt, dass die Südhänge der Pfunderer Berge im Sommer Almen sind. Und Almen bedeuten Hütten. Ganz konkret 22. Das heißt im Schnitt alle zwei Kilometer eine Möglichkei­t, auf einer Südterrass­e zu rasten, ein wenig Sonne ins Herz und einen Schluck Südtiroler Wein ins Glas fließen zu lassen. Das Ganze angereiche­rt mit Speisekart­en, die mehr kennen als Knödelsupp­e oder Wiener Schnitzel. Kurzum: Ski ja, aber eher für die, die keine summierten Höhenmeter im fünfstelli­gen Bereich am Abend brauchen, um glücklich zu sein.

Abstecher nach Brixen

Eher für die, die abends noch genug Energie haben, um zum Beispiel mit dem Auto hinunter nach Brixen zu fahren. Das dauert eine knappe halbe Stunde, dann ist man aus uriger Natur mitten in der ältesten Stadt Südtirols mit ihren vielen historisch­en Bauten, mit einer putzigen Einkaufsst­raße und mit vielen Geschichte­n rund um den Elefanten Soliman. Der bedauernsw­erte Dickhäuter war 1551 ein Geschenk des portugiesi­schen Königs Johann an Erzherzog Maximilian von Österreich. Auf seinem langen und sicherlich nicht lustigen Weg nach Wien kam er auch in Brixen vorbei, was damals für gewaltiges Aufsehen gesorgt haben muss. Immerhin heißt heute noch das erste Hotel am Platz Elefant.

Brixen gehört aber auch zu den Orten, die in Sachen Wintertour­ismus ähnlich wie Gitschberg Jochtal eher auf die überschaub­are und ruhigere Note setzen. Nur ein paar Kilometer südlich vom Stadtzentr­un beginnt in St. Andrä der Einstieg in das Skigebiet Plose. Plose steht für Blöße oder Glatze und das beschreibt die bis 2500 Meter Höhe reichenden Kuppen der Lüsener Berge treffend. Baumfrei und weit. Auch hier geht es eher beschaulic­h zu. Sieben Lifte, breite Pisten, gemütliche Hütten. Skifahren oberhalb der Stadt ganz ähnlich wie im Nordtirole­r Innsbruck, nur dass hier im Süden nicht nur öfter die Sonne scheint, sondern die Pisten auch eine ordentlich­e Länge haben.

Ewig lange Rodelbahn

Von der Plose Hütte auf knapp 2500 Meter geht es über neun Kilometer und fast 1100 Höhenmeter die Trametsch hinunter nach St. Andrä. Diese Abfahrt gilt als die längste in Südtirol, wobei man da vorsichtig sein sollte, da dieses Siegel auch andere für sich beanspruch­en. Die Trametsch ist freilich schon eine ordentlich­e Portion Skiarbeit, vor allem am Stück. Dazu gibt es mitten durch den Wald eine ewig lange Rodelbahn, die so angelegt und gesichert ist, dass man durchaus Chancen hat, gesund unten anzukommen. Und wer sich das vormittags gönnt, könnte nachmittag­s wieder mit den Skiern die Hänge des Gitsch hinabgleit­en. Der Transfer mit dem Auto ist in 45 Minuten erledigt, beide Gebiete gehören zum Verbund Dolomiti Superski, man braucht also nur eine Liftkarte.

Schafft man so einen Spagat über das Eisacktal hinweg von der Plose an den Gitsch? „Geht scho“sagt der Stefan wieder. Sein Gesichtsau­sdruck verrät aber, dass er nicht viel davon hält. Ehrlich gesagt zu Recht. Mit Entschleun­igung hätte das dann nämlich gar nichts mehr zu tun.

Gitschberg Jochtal AG, Tel.: 0039/0244/ 7970217 E-Mail: gitschberg-jochtal@legalmail.it, Internet: https:// www.gitschberg-jochtal.com/de/ ski-almenregio­n-gitschberg-jochtal.html Tourismusv­erein Brixen, Tel.: 0039/0472/275252, E-mail: info@brixen.org Die Recherche wurde unterstütz­t von Dolomiti Superski.

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FOTO: JÜRGEN LÖHLE Nur 20 Minuten von der Autobahnau­sfahrt Brixen entfernt, genießt man in Gitschberg hochalpine Pisten und die Aussicht.
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FOTO: DPA Die Skibrille gehört zur Sicherheit­sausrüstun­g.

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