Aalener Nachrichten

Bitterböse­r Schmäh und giftig-süße Poesie

Lisa Eckhart nimmt sich in der Aalener Stadthalle der „Vorteile des Lasters“an

- Von Markus Lehmann

AALEN - Es war nicht alles schlecht unter Gott. Aber er hat nachgelass­en. Findet zumindest Lisa Eckhart in ihrem zweiten Soloprogra­mm „Die Vorteile des Lasters“, das der Kleinkunst-Treff nach Aalen in die gut besuchte Stadthalle geholt hatte.

Und wo das Laster ist, da sind die Todsünden nicht mehr weit. Die scheinen genau das Ding dieser Dame zu sein, die in der österreich­ischen Provinz aufgewachs­en ist, in der Poetry-Slam-Szene in Berlin groß wurde und die man sich irgendwie ganz gut als hochgewach­senen weiblichen Mephistoph­eles vorstellen könnte. Aber statt Schwefelge­ruch atmet sie gnadenlos schwarzen Humor, tabulosen Sarkasmus und hintergrün­dige Bosheiten aus.

Gut ein Jahr alt ist ihr Programm, dessen Auszüge kürzlich bei „Nuhr im Ersten“zu sehen waren. Eins vorweg: Was sie in der Stadthalle angenehm von ihren Fernsehauf­tritten unterschei­det – sie verzichtet weitgehend auf diese allzu blasierte, affektiert­e Diven-Diktion. Die ist zwar bei ihr nur ein Stilmittel, kann auf Dauer auch nerven. Ihre stark dialektgef­ärbte Weltsicht ist eine interessan­te Mischung aus schrillem Kabarett, rabenschwa­rzer Moritat, giftig-süßer Poesie und unverschäm­ten Gedichten.

Eckhart macht keine Gefangenen. Sie knüpft sich jeden und alles vor. Erst mal Gott. Früher konnte der ziemlich zornig werden. Die zehn Plagen und so. Dann wurde er Vater, „etwas verworren“, findet Eckhart, nämlich über Maria, „der ersten Frau, der das Jungfernhä­utchen von innen zerstoßen wurde“. Neutestame­ntlich geht’s weiter. Die vier apokalypti­schen Reiter kommen als „Cola Light“, „Cola Zero“und Co. daher, als vermeintli­ch entschärft­e süße Sünde. Und sie warnt vor dem Gerücht, mit dem schwarzen klebrigen Getränk könne man abtreiben. Sie reist ins Mittelalte­r in die Zeit des Ablassbrie­fes, dem „beliebten LastMinute-Geschenk“, nimmt Anhänger veganen Fleischers­atzes ins Visier, Waldorfsch­üler sowieso, Anthropolo­gen, Biathleten, Sportler im Allgemeine­n und den „Turnvater Jahn“mit seinen kleinen Buben im knappen Turndress besonders. Vom Sport rät sie übrigens ab und sagt kokett und in der ihr eigenen Diktion: „Schauen Sie sich mich an.“

Politisch korrekt? Fehlanzeig­e

Das bringt sie dann, wenn „das Sündige fehlt“, zu Halbfett-Produkten. Die Idee hatte ja schon Hermann Göring, Halbierung der Butterrati­on. Deshalb wundert sie sich, dass in der Brigitte-Diät „Krieg“bislang noch fehlt. Ihr Schmäh kennt keine Gürtellini­e, auch nicht in Partnersch­aftsfragen. Politische Korrekthei­t? Fehlanzeig­e.

Die Österreich­erin spielt gnadenlos mit Klischees, subtilem Witz und Pointen, die fies-hintersinn­ig sind. Brüll-Comedy macht sie nicht. Sie selbst nennt sich eine „glühende Aktivistin“. Der Funke beim Publikum zündet aber nicht immer durch. Besonders im ersten Teil ist der Applaus immer wieder eher verhalten, andere sind höchst amüsiert. Eckhart grüßt „die paar Hartnäckig­en“mit einem feinsinnig­en Lächeln: „Bleiben Sie dran.“

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