Bitterböser Schmäh und giftig-süße Poesie
Lisa Eckhart nimmt sich in der Aalener Stadthalle der „Vorteile des Lasters“an
AALEN - Es war nicht alles schlecht unter Gott. Aber er hat nachgelassen. Findet zumindest Lisa Eckhart in ihrem zweiten Soloprogramm „Die Vorteile des Lasters“, das der Kleinkunst-Treff nach Aalen in die gut besuchte Stadthalle geholt hatte.
Und wo das Laster ist, da sind die Todsünden nicht mehr weit. Die scheinen genau das Ding dieser Dame zu sein, die in der österreichischen Provinz aufgewachsen ist, in der Poetry-Slam-Szene in Berlin groß wurde und die man sich irgendwie ganz gut als hochgewachsenen weiblichen Mephistopheles vorstellen könnte. Aber statt Schwefelgeruch atmet sie gnadenlos schwarzen Humor, tabulosen Sarkasmus und hintergründige Bosheiten aus.
Gut ein Jahr alt ist ihr Programm, dessen Auszüge kürzlich bei „Nuhr im Ersten“zu sehen waren. Eins vorweg: Was sie in der Stadthalle angenehm von ihren Fernsehauftritten unterscheidet – sie verzichtet weitgehend auf diese allzu blasierte, affektierte Diven-Diktion. Die ist zwar bei ihr nur ein Stilmittel, kann auf Dauer auch nerven. Ihre stark dialektgefärbte Weltsicht ist eine interessante Mischung aus schrillem Kabarett, rabenschwarzer Moritat, giftig-süßer Poesie und unverschämten Gedichten.
Eckhart macht keine Gefangenen. Sie knüpft sich jeden und alles vor. Erst mal Gott. Früher konnte der ziemlich zornig werden. Die zehn Plagen und so. Dann wurde er Vater, „etwas verworren“, findet Eckhart, nämlich über Maria, „der ersten Frau, der das Jungfernhäutchen von innen zerstoßen wurde“. Neutestamentlich geht’s weiter. Die vier apokalyptischen Reiter kommen als „Cola Light“, „Cola Zero“und Co. daher, als vermeintlich entschärfte süße Sünde. Und sie warnt vor dem Gerücht, mit dem schwarzen klebrigen Getränk könne man abtreiben. Sie reist ins Mittelalter in die Zeit des Ablassbriefes, dem „beliebten LastMinute-Geschenk“, nimmt Anhänger veganen Fleischersatzes ins Visier, Waldorfschüler sowieso, Anthropologen, Biathleten, Sportler im Allgemeinen und den „Turnvater Jahn“mit seinen kleinen Buben im knappen Turndress besonders. Vom Sport rät sie übrigens ab und sagt kokett und in der ihr eigenen Diktion: „Schauen Sie sich mich an.“
Politisch korrekt? Fehlanzeige
Das bringt sie dann, wenn „das Sündige fehlt“, zu Halbfett-Produkten. Die Idee hatte ja schon Hermann Göring, Halbierung der Butterration. Deshalb wundert sie sich, dass in der Brigitte-Diät „Krieg“bislang noch fehlt. Ihr Schmäh kennt keine Gürtellinie, auch nicht in Partnerschaftsfragen. Politische Korrektheit? Fehlanzeige.
Die Österreicherin spielt gnadenlos mit Klischees, subtilem Witz und Pointen, die fies-hintersinnig sind. Brüll-Comedy macht sie nicht. Sie selbst nennt sich eine „glühende Aktivistin“. Der Funke beim Publikum zündet aber nicht immer durch. Besonders im ersten Teil ist der Applaus immer wieder eher verhalten, andere sind höchst amüsiert. Eckhart grüßt „die paar Hartnäckigen“mit einem feinsinnigen Lächeln: „Bleiben Sie dran.“