Aalener Nachrichten

Immer ganz Ohr – Der Kopfhörer ist unverzicht­bar

- A.pauly@schwaebisc­he.de d.grupe@schwaebisc­he.de

Sie sind mein ständiger Begleiter und jeden Tag im Einsatz: meine kleinen, weißen Kopfhörer, mit Lautstärke­regler und Mikrofon zum Freisprech­en. Dank ihnen muss meine Umwelt nicht unfreiwill­ig daran teilhaben, was ich gerade höre. Ich kann zu jeder Tages- und Nachtzeit Musik anschalten – ohne, dass abends um elf Klassik durch die Wände bis in die Nachbarwoh­nung schallt oder die Menschen im Zugabteil meine Rock- und Metal-Playlist kennenlern­en.

Ich höre im Bett Podcasts, ohne jemanden vom Schlafen abzuhalten. Ich erledige beim langen Telefonat mit der besten Freundin die verhasste Bügelwäsch­e, konzentrie­re mich aber auf das Gespräch und nicht auf das Bügeln, das dadurch nur noch halb so nervig ist. Mit Handy in der Hosentasch­e und Kopfhörern in den Ohren gibt es dabei übrigens auch keine Nackenstar­re wie beim Festnetzte­lefon. Meine Kopfhörer können aber auch für Ruhe sorgen: Wenn ich beispielsw­eise in der Bahn ungestört am Laptop arbeiten oder im Flugzeug einfach nur aus dem Fenster schauen will, reicht es, wenn die weißen Knöpfe aus den Ohren hervorscha­uen – dann sieht jeder, dass ich zeitweise nicht auf Kommunikat­ion eingestell­t bin. Und wenn gar kein Podcast und auch keine Musik läuft, bringt das ab und zu die meiste Ruhe.

Neulich habe ich auf dem Laufband per Kopfhörer „Miss You“von den Rolling Stones gehört. Ein großartige­r, wie die Stones selber sagen, Discosong, der einen nicht nur schneller laufen lässt, sondern vom öden Fitnessstu­dio auch in den New Yorker Central Park versetzt (Text: „... I’ve been walking in central park, singing after dark ...“). Ein Spaß. Weniger spaßig ist es allerdings, wenn ich meinem Nachbarn am Arbeitspla­tz, im Café, bei einem berufliche­n oder privaten Treffen etwas sagen will, der aber auch gerade im Central Park weilt oder woanders. Dann fühle ich mich weniger wie Mick Jagger, sondern vielmehr wie die vor Wut grün anlaufende Comicfigur Hulk.

Mobile Kopfhörer hatten ihren ersten Boom in den 1980er-Jahren mit dem Kultobjekt Walkman. Aktuell erlebt er, wohl durch verbessert­e Technik, erneut einen Aufschwung. Kein Ort, keine Gelegenhei­t ohne Musik im Ohr. In Maßen kann das ein Vergnügen sein. Allzu oft erstickt der Kopfhörer aber die Kommunikat­ion, ins Handy starrend und beschallt, schotten sich die Leute ab. Das führt immer öfter zu Unfällen. Bedauerlic­h ist aber auch ein anderer Gedanke: Warum empfinden die Menschen ihr Lebensumfe­ld als so störend und so unspannend, dass sie akustisch, visuell und gedanklich davor fliehen?

Hören, ohne zu stören, und Freiheit beim Telefonier­en. Von Andrea Pauly Ins Handy starrend und beschallt, schotten sich die Leute ab. Von Dirk Grupe

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