Krisen fordern Europäer
Abgeordnete blicken auf Sicherheitskonferenz zurück
MÜNCHEN (sz) - Zwei profilierte Sicherheitspolitiker aus dem Südwesten blicken mit Besorgnis auf die Münchner Sicherheitskonferenz zurück. Die Bundestagsabgeordneten Agnieszka Brugger (Grüne) und Roderich Kiesewetter (CDU) gehen davon aus, dass die Probleme rund um internationale Konflikte drängender und die Herausforderungen größer werden.
Besonders die Positionierung der USA bereitet Brugger und Kiesewetter Sorgen. Die Ravensburgerin und der Aalener kritisierten vor allem den Auftritt von US-Vizepräsident Mike Pence in München scharf. „Das war keine Rede, die die Europäer an die USA bindet“, urteilte Kiesewetter am Sonntag.
Brugger forderte deshalb nachdrücklich, dass die Europäer eine klare Haltung entwickelten. Sie müssten sich auch im Verhältnis zu den USA stark und „weltpolitikfähig“zeigen.
MÜNCHEN - „Unterstützer des Terrorismus“– „Pathologische Besessenheit“– „Befürworter eines weiteren Holocaust“– „Quelle für Destabilisierung in der Region“: Die Vehemenz, mit der US-Vizepräsident Mike Pence und der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif in München verbal aufeinander losgingen, machte selbst erfahrene Besucher der Sicherheitskonferenz ratlos. So offene Drohungen, auch an die Adresse der Europäer, hatte offensichtlich keiner erwartet. Immerhin: Es gab auch positive Überraschungen: Angela Merkel begeisterte die Zuhörer dermaßen, dass sie sich beim Applaus nicht auf den Sitzen halten konnten – ein Novum in der Geschichte der Sicherheitskonferenz. Die Kanzlerin hatte sich, ohne ihn zu nennen, gegen US-Präsident Donald Trump und für internationale Kooperation positioniert.
Der Tonfall wird noch schärfer
Als wäre die Ausgangslage für die Sicherheitskonferenz nicht schon schwer genug gewesen: Erst vor wenigen Wochen stiegen sowohl die USA als auch Russland aus dem INFVertrag aus, der atomare Mittelstreckenraketen verbietet. Dann der Streit um die Verteidigungsausgaben in der Nato – und eine Europäische Union, die an ihrer Westgrenze bröckelt. Nicht zu vergessen: die scheinbar immerwährenden Konflikte im Nahen Osten, die ungelöste Syrienfrage. Doch in München verschärfte sich der Tonfall zwischen den seit Langem verfeindeten Akteuren auf der weltpolitischen Bühne noch einmal deutlich.
Die iranische Republik sei die größte Bedrohung für Israel und den Weltfrieden, sagte US-Vizepräsident Pence. „Iran befürwortet einen weiteren Holocaust und will Israel von der Landkarte löschen.“Deshalb sei die Zeit gekommen, zu handeln. Von den europäischen Partnern Großbritannien, Frankreich und Deutschland forderte er, nicht länger USSanktionen gegen Iran zu unterlaufen und sich wie die USA aus dem Atomabkommen zurückzuziehen.
Die Antwort des iranischen Außenministers Sarif ließ einen Tag auf sich warten, fiel dafür aber deutlich aus. Er sprach von einer „Dämonisierung seines Landes“durch die USA, von einer „unrechtmäßigen, unilateralen Aufkündigung“des Atomabkommens mit Iran, von „hasserfüllten Anschuldigungen“. Die USA griffen rücksichtslos in einer Weltregion ein, die nicht die ihre sei. Und auch Sarif appellierte an die Europäer: Sie müssten ihren Absichtsbekundungen, das Abkommen mit Iran zu retten, Taten folgen lassen.
Merkel machte in ihrer kurzen Rede aber klar, dass sich Europa und Deutschland weder auf die eine noch auf die andere Seite ziehen lassen sollte. Es gehe darum, die weltpolitischen Strukturen, die sich aus dem Ende des Zweiten Weltkriegs ergeben hätten, zu reformieren, nicht zu zerschlagen, sagte die Kanzlerin. „Multilateralismus mag schwierig sein, aber nur so sind gemeinsame Win-win-Lösungen möglich.“Gerade für die Europäer sei es wichtig, mit Russland und Iran im Gespräch zu bleiben. Sie verwahrte sich gegen Forderungen der USA, aus Nord Stream 2 auszusteigen. Kappe man die Kontakte zu Russland, überlasse man die Zusammenarbeit mit Moskau China. „Wir wollen auch ein bisschen an den Handelsbeziehungen teilnehmen.“
Merkel verteidigt Nord Stream 2
Europas Abhängigkeit von russischem Gas habe nichts damit zu tun, ob die Pipeline gebaut werde oder nicht. Ein russisches Gasmolekül bleibe ein russisches Gasmolekül, „egal, ob es über die Ukraine kommt oder ob es über die Ostsee kommt“.
Viele hatten Merkel außenpolitisch abgeschriebenen, bevor sie, wie zuletzt vor zwei Jahren, zur Münchner Sicherheitskonferenz kam. Auch die Absage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, mit dem sie vor Kurzem den Aachener Vertrag unterschrieben hatte, wurde als Zeichen der neuen Schwäche der Kanzlerin gewertet. Doch an diesem Samstagvormittag in München fragen sich einige, ob Macron seine Absage bereits bedauert hat.