Sich immer wieder neu erfunden
Hermann Weinbuch, der erfolgreichste Trainer im Deutschen Skiverband, hofft für die WM in Seefeld auf drei Medaillen
SEEFELD - Drei Medaillen, sagt Hermann Weinbuch, seien das Ziel. Mit dieser Vorgabe gehe er seit mehr als 15 Jahren zu Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Warum sollte der Cheftrainer der deutschen Nordischen Kombinierer also ausgerechnet vor den Titelkämpfen in Seefeld von seiner Marschrichtung abweichen? Seine Athleten halten sich eh nicht dran. Bei den Olympischen Spielen vor einem Jahr haben Johannes Rydzek, Fabian Rießle und Eric Frenzel alle Stufen des Podests beim Wettbewerb von der Großschanze besetzt. Auch die Zahl der Goldmedaillen erfüllte bei drei Möglichkeiten die Vorgabe. Bei den Weltmeisterschaften 2017 in Lahti ließ sich der Oberstdorfer Rydzek vier goldene Plaketten um den Hals hängen. Diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen. Trotzdem sagt Weinbuch: „Ich weiß, dass das ein hohes Ziel ist, aber es ist machbar.“
Seit 1996 ist der 58 Jahre alte Weinbuch für Kombination verantwortlich. Seitdem ist der Berchtesgadener, der als Sportler selbst dreimal Weltmeister geworden war, der Inbegriff für Erfolg. 48-mal haben seine Athleten Edelmetall bei Olympia und Weltmeisterschaften gewonnen. Dazu kommen acht Gesamtsiege im Weltcup. Eine unglaubliche Bilanz. Regelmäßig gelingt es Weinbuch zum Saisonhöhepunkt, dass seine Athleten in Topform sind. Egal, wie die Saison davor verlaufen war. „Ich bin das nicht allein, es ist das ganze Team“, sagt er ganz bescheiden. Und verweist auf die vielfältige Erfahrung, die sie in den vielen Jahre gesammelt haben.
Dazu gehört auch Verzicht. Vor den Titelkämpfen in Seefeld hat Weinbuch mit seinen Musterschülern Frenzel, Rießle und Rydzek sowie dem jungen Vinzenz Geiger auf den Weltcup in Lahti verzichtet. Stattdessen haben sie in Oberstdorf trainiert. Vor allem auf der kleinen Schanze. Mit höherer Geschwindigkeit als im Wettkampf sind sie angefahren, damit sie leichter ins Fliegen kommen und damit mehr Spaß haben. Es ging um die Harmonie, den Fluss. Nach dem Umzug auf die Große Olympiaschanze in Garmisch-Partenkirchen wurde die Geschwindigkeit wieder reduziert, die Leichtigkeit sollte jedoch beibehalten werden.
Natürlich ging’s auch ums Material, um die richtigen Ski samt Bindung und Schuhen. Dabei stellt Hermann Weinbuch gerne einen Transfer von seinem Hobby Golf (Handicap fünf) zum Skispringen her. Für den richtigen Schwung wird häufig mit verschieden harten Schäften experimentiert. So machen dies die Kombinierer auch. Mal springen sie mit weicheren, mal mit härteren Ski. „Durch den Wechsel finden wir den Rhythmus“, erklärt der Coach.
Aus vielen Mosaiksteinchen ein Bild
Trotzdem ist nichts so beständig wie der Wechsel. Diese Philosophie hat Hermann Weinbuch von Pep Guardiola übernommen. Beim spanischen Trainer von Manchester City habe er erkannt, dass der immer wieder seine Spielphilosophie leicht abwandle, sobald er das Gefühl habe, dass sie von anderen durchschaut wurde. „Man muss sich ständig der neuen Situation anpassen“, sagt Weinbuch, „muss sich immer wieder neu erfinden.“Dies gilt sowohl für den Wettkampf als auch fürs Training. Damit hat er früh angefangen. „Beim Trainerstudium in Köln habe ich mir aus vielen Mosaiksteinchen ein Bild zusammengesetzt“, erläutert er. Das System Weinbuch.
Manchmal bringt sich Hermann Weinbuch so selbst in die Bredouille. Seit ein paar Jahren hat er in dem Erzgebirgler Eric Frenzel und dem Allgäuer Johannes Rydzek zwei Lichtgestalten in seinem Team. Zwei, die durch Ehrgeiz und Egoismus getrieben sind. Das schafft Konfliktpotenzial. In diesem Fall ist Weinbuch nicht nur als Trainer, sondern auch als Moderator gefordert, damit das Klima im Team nicht leidet. Sein Erfolgsrezept: „Wir müssen schon aufpassen, dass jeder unserer Chefs komplett gleichviel Aufmerksamkeit bekommt, dass nicht der Eindruck entsteht, dass einer als Favorit gesehen wird.“Hermann Weinbuch meistert auch diese Herausforderung.
Bleibt für ihn noch eine andere, ganz persönliche. Wie lange bleibt er noch Chef der Kombinierer? Werner Schuster, sein Pendant bei den Skispringern, macht am Ende dieser Saison nach elf Jahren Schluss. Und Hermann Weinbuch? Freimütig gibt er zu, dass auch er in den vergangenen Jahren mehrmals ans Aufhören gedacht habe. Ganz intensiv 2011. Doch da konnte er von Thomas Pfüller, dem damaligen Nordischen Sportdirektor im Deutschen Skiverband, mit vielen guten Worten und ein paar Euro zum Weitermachen bewegt werden. „Wichtig für mich war auch, dass Ronny Ackermann ins Boot kommt“, sagt Weinbuch. Zuvor war der vierfache Weltmeister, dreimalige Gesamtweltcup-Sieger und „Sportler des Jahres 2005“sein Musterschüler.
Mit Ackermann an seiner Seite ist Weinbuch auch entspannter geworden. „Ich muss nicht die Goldmedaille oder dies oder jenes gewinnen“, behauptet der Übungsleiter, „ich will nur, dass die Jungs ihre bestmögliche Leistung bringen.“
Das nächste Mal in Seefeld. Drei Medaillen sind das Ziel. „Hoffentlich“, sagt Hermann Weinbuch, „reißt die Serie nicht.“