Von Panama bis Ibiza
Viele Skandale kamen durch heimliche Aufzeichnungen ans Licht – Datenschützer skeptisch
RAVENSBURG - Ein „gezieltes politisches Attentat“, eine „Auftragsarbeit“: Bei seiner Rücktrittserklärung hat sich Heinz-Christian Strache (FPÖ) als Opfer inszeniert. Der ehemalige österreichische Vizekanzler sprach von einer „geheimdienstlich inszenierten Lockfalle mit illegalen Aufzeichnungen“. Darin sehe er einen strafrechtlichen Verstoß. Ob dieser Vorwurf berechtigt ist, muss gegebenenfalls die spanische Staatsanwaltschaft klären. Doch unüblich sind heimliche Aufzeichnungen keineswegs.
Der investigative Journalist Günter Wallraff hat mit falschen Identitäten und versteckter Kamera zahlreiche Skandale aufgedeckt. „Diese journalistische Methode ist in Deutschland längst legitimiert“, sagt Wallraff. „Der Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht haben sie für zulässig erklärt, wenn damit gravierende Missstände aufgedeckt werden.“Die heimlichen Aufnahmen, die nun in Österreich Neuwahlen bewirkt haben, bezeichnet er als einen „gelungenen Coup“. Es sei sehr positiv, dass der Korruption das Handwerk gelegt wurde.
Das von „Süddeutscher Zeitung“und „Spiegel“veröffentlichte Video zeigt, wie Strache einer vermeintlichen russischen Oligarchin 2017 auf Ibiza öffentliche Aufträge in Aussicht stellt, wenn sie seiner Partei FPÖ zum Wahlerfolg verhilft. In der Vergangenheit haben investigative Recherchen immer wieder Missstände an die Öffentlichkeit gebracht – Grundlage hierfür waren neben Einsätzen mit versteckter Kamera auch Datensätze, die Informanten Redaktionen zugespielt hatten. Hier drei bekannte Beispiele: Spiegel-Affäre, ● 1962: Im „Spiegel“erscheint der Artikel „Bedingt abwehrbereit“, in dem Journalisten über die desolate Lage der Bundeswehr berichten. Die Konsequenz: Durchsuchungen und Festnahmen wegen angeblichen Landesverrats. Zahlreiche Menschen gehen für die Pressefreiheit auf die Straße. Weil er die Verhaftungen eigenmächtig veranlasst hat, muss Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) zurücktreten. 1965 erklärt der Bundesgerichtshof das Verfahren gegen die Beschuldigten für beendet.
Watergate-Skandal, 1974: USPräsident ● Richard Nixon tritt zurück. Zuvor hatten die Journalisten Bob Woodward und Carl Bernstein aufgedeckt, wie er seine politischen Gegner mit illegalen Methoden sabotierte. Panama-Papers, 2016: Ein Rechercheverbund ● veröffentlicht geheime Dokumente des OffshoreDienstleisters Mossack Fonseca. Die Daten stammen von einem anonymen Whistleblower. Diverse Prominente geraten wegen Steuerhinterziehung unter Druck – darunter Fußballer Lionel Messi und Islands damaliger Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson. Aber wie steht es bei investigativen Recherchen um die Privatsphäre? Wie weit dürfen Journalisten gehen? Bezogen auf den österreichischen Fall sagt Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands: „Es wäre natürlich völlig undenkbar, dass Journalistinnen oder Journalisten eine solche Falle stellen.“Dies entspräche nicht den ethischen Regeln einer Recherche. Aber das Video sei nun einmal in der Welt, die Redaktionen hätten es umfangreich geprüft. „Der entscheidende Punkt für mich ist, dass der Inhalt des Videos von den Protagonisten nicht bestritten wird“, erklärt Überall. Andernfalls wäre die Situation eine andere.
„Eine kriminelle Tat“
Stefan Brink, Landesbeauftragter für Datenschutz in Baden-Württemberg, hatte bereits am Wochenende Kritik geübt: Politische Gegner zu hintergehen und ihre Privatsphäre zu verletzen, schade letzten Endes der politischen Kultur. Bei der Aufzeichnung handele es sich allem Anschein nach um eine kriminelle Tat. Die Veröffentlichung des Videos durch Medien sei „kein Ruhmesblatt“, aber nicht illegal.
Hans Leyendecker, langjähriger Enthüllungsjournalist, sagt: „Man hat die Veröffentlichung auf Wesentliches beschränkt: Auf den Verdacht, dass jemand käuflich ist und keinerlei Verhältnis zur Pressefreiheit hat.“Es sei richtig gewesen, Ausschnitte rein privater Natur nicht zu veröffentlichen. An Spekulationen, wer die Aufnahmen gemacht habe, will der 70-Jährige sich nicht beteiligen – Günter Wallraff hingegen vermutet, dass eine größere Organisation dahintersteckt: „Ich würde mir nur wünschen, dass diejenigen, die das bewerkstelligt haben, sich zu erkennen geben.“