Die Parallelwelt vor dem Abheben
Obwohl die Politik zu verhindern sucht, dass sich Parallelwelten bilden, existieren sie in mittleren und größeren Städten längst: Flughäfen. Spätestens hinter der Sicherheitsschleuse gelten – wie in Parallelgesellschaften üblich – andere Gesetze oder selbige sind gleich komplett außer Kraft. Zum Beispiel die Gesetzte des Marktes, weshalb am Münchner Flughafen der Fleischkäswecken 6,90 Euro kostet. Neben der Grundausstattung Fleischkäse und Wecken verfügt die exklusive Brotzeit über eine Garnitur – bestehend aus Gürkchen, Tomatenspalte
sowie Salatblatt, an dem bereits die Tristesse der Flughafenwartezeit genagt hat.
Aber nicht nur die Glaubenssätze der Marktwirtschaft allein verpuffen in unseren Airports, auch die Gesetzmäßigkeiten der üblichen Kleiderordnung sind dahin: Rund die Hälfte der Reisenden knistert in Funktionskleidung für Outdooraktivitäten vor sich hin, jederzeit gerüstet, allfällige Achttausender im Handstreich zu erklimmen. Ein Viertel trägt außerordentlich legere Kleidung mit hohem Jogginghosenfaktor – bisweilen hart an der Pyjamagrenze.
Ein weiteres Drittel sind wohlbezwirnte Geschäftsleute, die – nach der Wichtigkeit ihrer Mienen zu schließen – Probleme von weltgewichtiger Tragweite zu wälzen haben. Ein guter Teil dieser Menschen verschwindet innerhalb der Parallelwelt Flughafen nochmals in eigene Parallelwelten: den sogenannten Business-Lounges, die mit Geschäftsleute-Logen nicht unzutreffend übersetzt sind. Man möchte gar nicht wissen, was da erst der Fleischkäswecken kostet. (nyf)