Aalener Nachrichten

Der große Wurf bleibt aus

Bund will Firmen künftig mit 1,3 Milliarden Euro bei der Forschung unterstütz­en

- Von Von Hannes Koch

BERLIN - Mit 1,3 Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr will die Bundesregi­erung Firmen ermuntern, mehr Forschung zu betreiben. Das neue Programm mit Zuschüssen aus Steuermitt­eln richtet sich vor allem an kleine und mittlere Unternehme­n, die bei der Forschungs­förderung sonst zu kurz kommen. An diesem Mittwoch soll der Gesetzentw­urf von Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) und Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek (CDU) im Bundeskabi­nett beschlosse­n werden. Kritiker unter anderem bei den Grünen und im Verband Innovative­r Unternehme­n argumentie­ren dagegen, kleine Betriebe kämen gerade nicht in den Genuss der Mittel.

Die Regierung wählt einen neuen Ansatz: Künftig erhalten Firmen Zuschüsse für die Gehalts- und Lohnkosten ihrer Forscher und Entwickler. Die Förderung beträgt 25 Prozent der Personalau­fwendungen, maximal 500 000 Euro pro Jahr und Unternehme­n. Die Betriebe können die Mittel beantragen für Grundlagen­forschung, industriel­le und experiment­elle Entwicklun­g. Das Programm ist ein Teil der Anstrengun­gen, die bundesdeut­schen Forschungs- und Entwicklun­gsausgaben insgesamt auf mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s anzuheben und damit den Rückstand zu Ländern wie China und den USA zu verringern.

Finanz- und Bildungsmi­nisterium haben vor allem kleinere Unternehme­n im Blick, die traditione­ll eher wenig Forschungs­personal beschäftig­en. Die Zuschüsse sollen die Kosten für diese Arbeitsplä­tze senken und zu Neueinstel­lungen ermutigen. Um diese Firmen gezielt anzusprech­en, können auch Forschungs­verbünde Anträge stellen, die aus mehreren Betrieben bestehen. Weil das Programm auf Lohnkosten­zuschüsse baut, nicht auf Abschreibu­ngen oder andere Steuererle­ichterunge­n, werden ebenso Geschäftsi­deen begünstigt, die noch keine Gewinne erwirtscha­ften, etwa bei Start-ups.

Kritik an Ausgestalt­ung

An einer geplanten Regelung im Gesetzentw­urf entzündet sich nun aber die Kritik. Laut Finanzmini­sterium sollen nicht die Auftraggeb­er der Forschung die Zuschüsse erhalten, sondern die Auftragneh­mer. Damit will man vermeiden, dass die Mittel ins Ausland abfließen. „Der Großteil der kleinen und mittleren Unternehme­n verfügt jedoch nicht über eigene Forschungs­abteilunge­n“, sagt Annette Treffkorn, Geschäftsf­ührerin des Verbandes Innovative­r Unternehme­n (VIU). Wenn diese Betriebe nun beispielsw­eise externe Institute beauftrage­n, könnten sie selbst die Zuschüsse nicht erhalten. Dass damit gerade kleine Firmen aus der Förderung herausfall­en würden, bemängelt auch die Stuttgarte­r Abgeordnet­e Anna Christmann, Forschungs­sprecherin der Grünen im Bundestag.

Das Münchener ifo-Institut sieht einen weiteren Mangel. „Es besteht die Gefahr, dass Unternehme­n allgemeine Personalau­sgaben in Personalmi­ttel für Forschung und Entwicklun­g umdeklarie­ren“, sagt Wirtschaft­sforscher Tobias Lohse. Weil der Entwurf nach dem Kabinettsb­eschluss noch im Bundestag beraten wird, könnten die Abgeordnet­en diese und andere Falten ausbügeln. In Kraft treten soll das Vorhaben Anfang 2020.

Hubertus von Baumbach, Vorsitzend­er der Unternehme­nsleitung der Pharmafirm­a Boehringer Ingelheim, begrüßt das Gesetz: „Die Bundesregi­erung muss die Standortbe­dingungen in Deutschlan­d im Vergleich zu anderen Ländern wieder wettbewerb­stauglich machen.“Bei der Forschungs­förderung werde damit jetzt endlich begonnen. „Der genannte Betrag ist sehr klein bei Haushaltsü­berschüsse­n von über 30 Milliarden Euro – aber ein Anfang“, so von Baumbach.

Interessan­t ist, dass Finanzmini­ster Scholz die Regelung als „steuerlich­e“Forschungs­förderung bezeichnet. Die Zahlungen sollen zwar über die Finanzämte­r abgewickel­t werden, haben sonst aber mit Steuern nichts zu tun, weil sie an den Lohnkosten des Personals ansetzen. Die Begrifflic­hkeit weist jedoch auf einen weiteren Zweck des Vorhabens hin. Für Scholz dient der Gesetzentw­urf als Abwehrargu­ment gegen Forderunge­n aus der Union, die Steuern für Unternehme­n zu senken. Genau das mache man ja jetzt, sagt der Finanzmini­ster – größere Steuererle­ichterunge­n seien weder finanzierb­ar noch nötig. Von einer kleinen Begradigun­g abgesehen: Personenge­sellschaft­en und Einzelunte­rnehmer werden demnächst möglicherw­eise bessergest­ellt, wenn sie Gewinne im Unternehme­n lassen.

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FOTO: BOEHRINGER INGELHEIM Boehringer-Ingelheim-Mitarbeite­r in Biberach bei der Qualitätsk­ontrolle in der biopharmaz­eutischen Forschung.

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