Aalener Nachrichten

Richter vor Gericht

Darf der Jurist ermahnt werden, wenn er zwar gründlich arbeitet – aber aus Sicht seiner Vorgesetzt­en zu langsam?

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STUTTGART (dpa) - Der Rechtsstre­it über das Arbeitstem­po eines Freiburger Richters ist in eine neue Runde gegangen. Der Dienstgeri­chtshof für Richter am Oberlandes­gericht Stuttgart muss den Fall teilweise neu verhandeln, weil der Bundesgeri­chtshof in Karlsruhe ihn im September 2017 zurückverw­ies.

Der am Oberlandes­gericht (OLG) Karlsruhe in Freiburg tätige Richter Thomas Schulte-Kellinghau­s wehrt sich schon länger gegen eine dienstrech­tliche Ermahnung seiner ehemaligen Präsidenti­n, seine Fälle schneller abzuschlie­ßen. Es solle Rechtsspre­chung nach Kassenlage erfolgen, kritisiert­e er. Das Verfahren habe einen politische­n Charakter. Die Ermahnung verstoße gegen die richterlic­he Unabhängig­keit. Der Leiter der Präsidiala­bteilung des OLG Karlsruhe, Jens-Martin Zeppernick, sagte hingegen: „Die Bürger wollen ein richtiges Urteil in einer angemessen­en Zeit haben.“

Die Erledigung­szahlen von Schulte-Kellinghau­s entsprache­n den Angaben zufolge zwischen 2008 und 2010 etwa 68 Prozent von dem, was seine Kollegen im Schnitt erreicht hatten. Strittig in der Sache ist unter anderem die Frage, welche Aussagekra­ft die Zahl hat und wie sie genau ermittelt worden ist. Eine Beeinträch­tigung der richterlic­hen Unabhängig­keit liegt dem BGH zufolge vor, wenn einem Richter ein Pensum abverlangt wird, das „sich allgemein, also auch von anderen Richtern, sachgerech­t nicht mehr bewältigen lässt“. Bei dieser Beurteilun­g kann die Anzahl der Fälle, die im Durchschni­tt an einem Gericht erledigt werden, nur ein Anhaltspun­kt sein. Verfahren könnten nämlich auch nicht sachgerech­t abgeschlos­sen werden.

Schulte-Kellinghau­s, der unter anderem Versicheru­ngsrecht bearbeitet, hatte in der Vergangenh­eit darauf verwiesen, dass er besonders sorgfältig arbeite und dafür eben die entspreche­nde Zeit benötige. Außerdem erklärte er nun am Dienstag in der mündlichen Verhandlun­g, dass der Senat, dem er angehöre, eine besonders hohe Veröffentl­ichungszah­l in Fachzeitsc­hriften habe. Von der Zahl der Veröffentl­ichungen auf die Qualität zurückzusc­hließen sei falsch, sagte Zeppernick. Bis wann das Dienstgeri­cht eine Entscheidu­ng treffen wird, war zunächst unklar.

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