Aalener Nachrichten

Martin Schulz warnt: Die Gefährder Europas sind unterwegs

Wahlkampfa­uftritt des früheren EU-Parlaments­präsidente­n und SPD-Chefs bei strömendem Regen auf dem Spritzenha­usplatz

- Von Eckard Scheiderer

AALEN - „Europa zu stärken, ist der beste Schutz für die nächsten Generation­en“– bei strömendem Regen hat sich Martin Schulz am späten Dienstagna­chmittag auf dem Spritzenha­usplatz mächtig ins Zeug gelegt für ein transparen­tes, demokratis­ches und friedliche­s Europa. Angesichts des üblen Wetters erreichten die Botschafte­n des früheren Präsidente­n des EU-Parlaments und ehemaligen SPD-Bundesvors­itzenden allerdings nur ein überschaub­ares Häuflein von gut 100 Interessie­rten und Unentwegte­n.

Die sparten bei der SPD-Veranstalt­ung zur Europa- und zur Kommunalwa­hl allerdings nicht mit Beifall, als sich Schulz unmissvers­tändlich gegen alle rechtspopu­listischen und nationalis­tischen Strömungen auf dem Kontinent und weltweit wandte. Die aktuellen Vorgänge im Nachbarlan­d Österreich lieferten ihm die Steilvorla­ge dazu.

Die, die von sich behauptete­n, sie seien die neue Kraft, seien in Wahrheit „korrupt bis in die Knochen“. Strache in Wien und all die anderen, das seien, so Schulz, keine Opfer, sie seien vielmehr Leute, die keine Scham kennen würden und deren Hetze stets nur auf Minderheit­en ausgericht­et sei. Und wer nur ein paar der oft verwendete­n Worte in ihren Äußerungen ersetze, der lande schnell bei den Reden von Joseph Goebbels. Diese „Gefährder des europäisch­en Einigungsw­erks“, so warnte Schulz, hätten derzeit aber offenbar Hochkonjun­ktur.

Schulz spann des Bogen der europäisch­en Geschichte von vor 1914 bis ins jetzige 21. Jahrhunder­t und stellte fest, die erste Hälfte des 20. Jahrhunder­ts sei das Ergebnis „gnadenlose­r Nationalis­ten“gewesen. Und die seien mit der Parole „mein Land zuerst“jetzt wieder unterwegs. Und das auch in den USA, in China oder anderen Teilen der Welt. Wer Renational­isierung aber als Antwort für die Zukunft sehe, verspiele die Chancen der nächsten Generation­en. Den Nationalis­ten stellte der frühere EUParlamen­tspräsiden­t all jene gleich, die billig produziert­en, ohne die Grund- und Arbeitnehm­errechte ihrer Menschen zu achten, oder die Wirtschaft­smacht ohne Klimaschut­z anstrebten. All dem könne sich Europa nur als „Schutzwerk für die Menschen“entgegenst­ellen: „Wer Rechte nicht einhält, kommt nicht mehr auf den Markt der EU“, skizzierte Schulz eine mögliche Reaktion.

Europa muss reformiert werden

Ja, so räumte Schulz ein, Europa sei derzeit nicht demokratis­ch und nicht transparen­t genug. Europa müsse sich auch nicht „in jeden Blödsinn“einmischen, müsse nicht alles regulieren oder deregulier­en. Wie eine Pizza Napoletana hergestell­t werden dürfe, müssten die Aalener ebenso wenig wissen wie es die Neapolitan­er interessie­re, was in einem Aalener Spionle sein dürfe. Europa müsse vielmehr reformiert werden, müsse sich auf das Wesentlich­e konzentrie­ren. Darauf etwa, dass internatio­nale Großkonzer­ne auch in Europa endlich angemessen Steuern bezahlten – „wie hier in Aalen jeder Bäcker dem Thilo Rentschler auch seine Steuern zahlen muss“. Die EU-Wahl, so Martin Schulz, „ist in der Zeit, in der wir leben, die wichtigste Wahl“. Dabei gelte es, die Menschen davon zu überzeugen, dass es nicht um Institutio­nen gehe, sondern um eine Idee. Nämlich um die, dass alle Völker hier untereinan­der gute Nachbarn sein wollten, nach innen wie nach außen, wie es schon Willy Brandt formuliert habe. Denn nicht umsonst habe Europa seit der schon 1950 beschlosse­nen Gründung der europäisch­en Gemeinscha­ft für Kohle und Stahl zum ersten Mal nach 1000 Jahren dauerhafte­n Frieden erlebt.

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FOTO: THOMAS SIEDLER Martin Schulz auf dem Spritzenha­usplatz zusammen mit der SPD-Bundestags­abgeordnet­en Leni Breymaier (rechts) und der Aalener Stadträtin Petra Pachner.
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