Aalener Nachrichten

„Niemand hätte es besser gemacht als Kovac“

Stefan Effenberg kritisiert Umgang der Bayern-Bosse mit ihrem Trainer – wer in der Relegation für ihn Favorit ist

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RAVENSBURG - Er war der Kapitän der Bayern und Anführer im Mittelfeld der Champions-League-Sieger von 2001, war der Tiger auf dem Feld und vor allem immer mit seiner Meinung geradeaus. Auch nach seiner aktiven Karriere ließ sich Stefan Effenberg nie verbiegen, zeigt heute noch regelmäßig sonntags ab 11 Uhr im Doppelpass auf Sport1 klare Kante. Mit Felix Alex hat der 50-Jährige über den Umgang der Bayern-Bosse mit Trainer Niko Kovac, Effes ExClub Paderborn sowie die Relegation des VfB Stuttgart gesprochen.

Herr Effenberg, die Bundesliga­saison ist – von den Relegation­sspielen abgesehen – beendet. Es gab einen straucheln­den FC Bayern München, einen sich spät entscheide­nden Titelkampf und viel Diskussion­sstoff. Alles perfekt, oder?

Die spannende Meistersch­aft war gut für die Bundesliga und den deutschen Fußball. Unterm Strich haben die Bayern das Titelrenne­n aufgrund der sehr guten Rückrunde noch drehen können, aber Dortmund war lange Zeit ein würdiger Konkurrent. Ich sehe sie nicht als Verlierer, wie es teilweise derzeit heißt.

Dennoch ist beim Titelträge­r nicht alles eitel Sonnensche­in. Vor allem die anhaltende Diskussion um Trainer Niko Kovac ist dann doch etwas befremdlic­h oder?

Er hat unter den zum Teil sehr schwierige­n Umständen eine herausrage­nde Leistung gebracht. Da gab es die nicht gerade positive Weltmeiste­rschaft, die man erst mal mit vielen Spielern verarbeite­n musste, Langzeitve­rletzte und viele Dinge, die über den reinen Fußball hinausgehe­n, ich erinnere an die Diskussion­en um Mats Hummels, Niklas Süle oder Jérôme Boateng. Das hat er alles hervorrage­nd gemeistert.

Zudem das Moderieren der Abschiedst­ournee von Robbéry.

Das ist ja die nächste Sache. Es gibt da Franck Ribéry, Arjen Robben oder auch Rafinha, die den FC Bayern nach grandiosen Jahren verlassen und die musst du auch erst mal dorthin bekommen, dass sie in die zweite Reihe rücken. Das hätte ein anderer Trainer – egal wie er heißt – oder auch die Trainer, die schon da waren, nicht besser machen können.

Und dennoch gibt es seit Wochen diesen Eiertanz um den Trainer.

Schon der Fakt, dass er sich am letzten Spieltag zu der Sache äußern muss, ist ja schon extrem fragwürdig, dann ist irgendetwa­s in der Vergangenh­eit schief gelaufen. Das Traurige an dieser Sache ist, dass diese Situation von innen entstanden ist. Aber ich glaube, von den Emotionen heraus hat man ja vor allem bei Uli Hoeneß am Wochenende einiges erkennen können. Er tendiert wohl dahin, dass Niko Kovac bleibt. Und ein klares Zeichen mit einem dicken Ausrufezei­chen war ja auch die Unterstütz­ung der Zuschauer. Da kann man nicht weghören.

Es bleibt also spannend. Oder eben auch nicht. Droht nächste Saison wieder Langeweile im Titelkampf?

Das, was Uli Hoeneß bei seinem Besuch im Doppelpass angedeutet hat, dass sie da hinkommen müssen, die Meistersch­aft wieder früher zu entscheide­n: davon gehe ich in den nächsten Jahren nicht aus. Die Dortmunder werden ihre Hausaufgab­en machen. Auch Leipzig. Julian Nagelsmann hat den Anspruch, Meister zu werden. Bei RB hat er nun die Qualität und die Möglichkei­ten.

Zudem ist nicht absehbar, wie der künftige FCB-Kader harmoniert.

Eben. Es geht ja auch darum, dass Robben und Ribéry eben nicht mehr da sind. Das ist ein Qualitätsv­erlust, auch wenn sie in einem gewissen Alter waren. Die Bayern werden im nächsten Jahr in den letzten 30, 20, 10 Minuten nichts mehr von der Bank schicken können, was in jeder Sekunde spielentsc­heidend sein kann. Du hast jetzt mit Serge Gnabry und Kingsley Coman gute Jungs aber die Frage ist ja, was hat man dann dahinter? Das unterschät­zen noch viele.

Wen viele sicher unterschät­zen ist der Aufsteiger Paderborn. Sie arbeiteten dort als Trainer, wurden nach sechs Monaten Chaos entlassen, dennoch eine Herzenssac­he?

Neutral kann man da nicht sein. Ich habe mich gefreut für die Paderborne­r. Man darf ja nicht vergessen, dass sie ein Jahr nach meinem Weggang mit 1,5 Beinen in der 4. Liga waren (nur durch den Lizenzentz­ug von 1860 München blieb Paderborn drittklass­ig, d. Red.). Was sie dann aufgebaut haben, als sie endlich mal Ruhe im Umfeld und hatten, haben sie sich einfach verdient.

Dennoch steht für viele der erste Absteiger fest. Oder überrascht Trainer Steffen Baumgart auch in der ersten Liga mit Offensivfu­ßball?

Paderborn muss sich ein Stück weit ein Vorbild an Fortuna Düsseldorf nehmen. Es wird nur funktionie­ren, wenn sie im Kollektiv zusammenst­ehen, nur so kann man als Aufsteiger die Klasse halten. Von der Ausrichtun­g wird Baumgart in der Bundesliga taktisch so ja nicht spielen können. Da wird er erfahren genug sein und sich was anderes einfallen lassen.

Bliebe die Relegation. Machen wir es kurz. Union Berlin strauchelt­e zuletzt, der VfB Stuttgart ist im Aufwind, eine klare Sache also?

Jemand, der so argumentie­rt, hat keine Ahnung von Fußball. Relegation ist Relegation und nie eine klare Sache. Obwohl die Stuttgarte­r schon leicht im Vorteil sind, aber da ist auch extrem viel Druck drauf. Man kann in den Spielen jetzt alles verlieren.

Und Union Berlin? Falls es zum Aufstieg kommen sollte, hätte die Liga wieder einen ähnlichen Kultclub wie St. Pauli zu bieten.

Der Wille wird bei 100 Prozent sein. Die Frage ist, ob Union noch die Kraft aufwenden kann über zweimal 90 oder hinten raus sogar 120 Minuten. Das können die Stuttgarte­r schon anders steuern. Allerdings ist es für viele Unioner sicherlich das absolute Highlight der Karriere. Die andere Sache unterschre­ibe ich. St. Pauli drücke ich ja sowieso immer die Daumen. Das sind absolute Marken und das stünde der ersten Liga mal wieder gut, aber das heißt nicht, dass ich für Union bin.

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FOTO: DPA Noch heute präsent in der Allianz-Arena und bei den Bayern-Fans Kult: Stefan Effenberg.

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