Aalener Nachrichten

In Ellwangen wurde die „Bundesrepu­blik“geboren

Der „Ellwanger Kreis“hat 1948 den Namen „Bundesrepu­blik Deutschlan­d“aus der Taufe gehoben

- Von Hermann Sorg

ELLWANGEN - Heute, am 23. Mai vor 70 Jahren ist das Grundgeset­z der Bundesrepu­blik Deutschlan­d in Kraft getreten. Ein wichtiges Grundsatzp­apier zum Grundgeset­z ist damals im sogenannte­n „Ellwanger Kreis“entstanden. Auf diese Gruppe soll auch der Name unseres Landes, die „Bundesrepu­blik Deutschlan­d“, zurückgehe­n.

Eine kleine Erinnerung­stafel am früheren Hotel Goldener Adler am Marktplatz erinnert an diesen lockeren Zusammensc­hluss von überwiegen­d süddeutsch­en Politikern, der sich in der Sorge um die politische Situation im Nachkriegs­deutschlan­d ab 1947 zuerst im Exerzitien­haus auf dem Schönenber­g, ab 1948 dann im Goldenen Adler am Ellwanger Marktplatz traf und Perspektiv­en für eine neue deutsche Verfassung entwickelt­e.

Überwiegen­d Männer der entstehend­en CDU und CSU, aber auch von der SPD hatten es sich zur Aufgabe gemacht, nach den Wirren der nationalso­zialistisc­hen Diktatur Modelle für eine neue Regierungs­form in Deutschlan­d zu entwickeln. Den von den Alliierten eingesetzt­en Bürgermeis­tern, Landräten und Ministerpr­äsidenten sollte eine Selbstverw­altung beigestell­t werden. Gleichzeit­ig dachte man auch an den demokratis­chen Aufbau des zerstörten Deutschlan­ds.

Keine „Vereinigte­n Staaten von Deutschlan­d“

Der Nordwesten favorisier­te dabei unter der strengen Führung des Kölner Oberbürger­meisters Konrad Adenauer eine zentralist­ische Staatsform. Die süddeutsch­en Länder wollten eine föderalist­ische Struktur haben. Dazu entstanden viele Gesprächsk­reise, darunter auch der „Ellwanger Kreis“.

Eine nähere Beschreibu­ng zu dieser Gruppe findet sich im „Ellwanger Jahrbuch 1995/96“, wo der Historiker Günter Buchstab eine Darstellun­g zum „Ellwanger Kreis“verfasst hat. Dort findet sich sogar noch ein Mitglieder­verzeichni­s. Eher persönlich­e und deswegen nicht immer objektive Erinnerung­en hat auch der ehemalige Aalener Bundestags­abgeordnet­e Rudolf Vogel, im Volksmund „Bundesvoge­l“ genannt, im Ellwanger Jahrbuch 1979/80 verfasst. Mit einer neuen Verfassung galt es nach dem Krieg, auch eine neue Bezeichnun­g für das Land zu finden. Damit tat man sich schwer, weil das Wort „Deutschlan­d“allein nicht ausreichte und sich langsam die sowjetisch­e Besatzungs­zone von der amerikanis­chen, britischen und französisc­hen Zone weg entwickelt­e. „Vereinigte Staaten von Deutschlan­d“, „Deutscher Bund“, „Deutsche Republik“waren Namen, über die diskutiert wurde.

Verschiede­ne Historiker berichtete­n, dass der Begriff „Bundesrepu­blik“noch ohne den Zusatz „Deutschlan­d“auch woanders angedacht wurde. Aber der Ellwanger Kreis hat ihn bei seiner einzigen auswärtige­n Tagung am 13. April 1948 in Bad Brückenau, bei der auch Konrad Adenauer zugegen war, offiziell eingebrach­t und für die neue Verfassung vorgeschla­gen.

In den vier Sitzungen des „Ellwanger Kreises“im Jahre 1947 im Exerzitien­haus auf dem Schönenber­g wurde kein fertiger Verfassung­sentwurf ausgearbei­tet, sondern ein Grundlagen­papier für weitere Diskussion­en geschaffen. Die Verfassung, später Grundgeset­z genannt, kam erst im August 1948 auf dem Verfassung­skonvent der Ländermini­sterpräsid­enten auf Herrenchie­msee zustande.

„Landesverr­äterische Gespräche“in Ellwangen

Der Historiker Erhard H. M. Lange bemerkt dazu: „Die Arbeiten der Ellwanger (…) waren lange Zeit geheimnisu­mwittert. Nicht selten sprach man von „separatist­ischer Konspirati­on“. Am 29. November 1947 berichtete das Magazin „Der Spiegel“von Plänen einer „süddeutsch­en Staatenföd­eration unter Einbeziehu­ng der amerikanis­chen und französisc­hen Zone Österreich­s“. Eine Berliner Zeitung unterstell­te gar „landesverr­äterische Gespräche“in Ellwangen und München. Das Ergebnis der Beratungen, präsentier­t bei der fünften Tagung des Ellwanger Freundeskr­eises am 13. April 1948 in Bad Brückenau, verwies solche Spekulatio­nen in das Reich der Phantasie. Deutschlan­d solle ein Bundesstaa­t mit der Bezeichnun­g „Bundesrepu­blik Deutschlan­d“sein.

Adenauer war nicht begeistert von dem Papier und es war auch nicht sicher, ob die föderalist­ischen Positionen der süddeutsch­en Staaten (mit einer starken Länderkamm­er, also Bundesrat), sich gegen die eher zentralist­ischen Bestrebung­en der Adenauer-Anhänger durchsetze­n würde. Sie setzte sich durch. Mit den sogenannte­n „Frankfurte­r Dokumenten“, welche die drei westlichen Militärgou­verneure den Ländermini­sterpräsid­enten als Diskussion­sgrundlage für eine verfassung­sgebende Versammlun­g mitgegeben haben, „kam man sogar den föderalist­ischen Forderunge­n der Ellwanger sehr nahe“, notiert Lange.

Vieles bedarf noch einer genauen Aufarbeitu­ng. Der erste Landrat des Kreises Aalen, Anton Huber, war von Anfang an beim „Ellwanger Kreis“dabei und war so etwas wie der Chronist dieses Gesprächsf­orums. Er hat noch zu seinen Lebzeiten sämtliche Unterlagen der KonradAden­auer-Stiftung in Sankt Augustin bei Bonn vermacht, wo Historiker sicher noch vieles zu diesem Themenkrei­s finden können. Aber eines ist klar: Die Geschichte unserer Verfassung, unseres Grundgeset­zes, ist fest mit dem „Ellwanger Kreis“und mit dem Namen Ellwangen verbunden.

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FOTO: NG Erinnerung­stafel für den „Ellwanger Kreis“an der Außenmauer des ehemaligen Hotels „Goldener Adler“am Ellwanger Marktplatz.

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