Aalener Nachrichten

Kündigen oder lieber laufen lassen?

Experten verraten, wann und für wen Lebens- und Rentenvers­icherungen sinnvoll sind

- Von Falk Zielke

BERLIN (dpa) - Geht es hierzuland­e um Geldanlage und Altersvors­orge, ist Sparern vor allem eines wichtig: die Sicherheit. Immer wieder zeigen Umfragen, dass vor allem auf dem Sparbuch oder dem Girokonto gespart wird. Schließlic­h drohen hier keine Kursverlus­te wie an der Börse.

Für die Altersvors­orge setzen viele deshalb auf Lebens- und Rentenvers­icherungen: Knapp 87 Millionen Verträge gab es nach Angaben des Gesamtverb­andes der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) in Deutschlan­d Ende 2018. Fast 16 Millionen Verträge davon gehören in den Bereich der betrieblic­hen Altersvers­orgung.

Für die Branche scheint sich das zu lohnen: In der Lebensvers­icherung verbessert­e sich 2018 laut GDV das Neugeschäf­t gegen laufenden Beitrag um 1,9 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro. Das Geschäft gegen Einmalbeit­rag legte um 3,7 Prozent auf 27,2 Milliarden Euro zu.

Ob Lebens- oder Rentenvers­icherungen aber auch für Kunden ein gutes Geschäft sind, ist aus Sicht mancher Verbrauche­rschützer fraglich. „Solche Verträge werden häufig abgeschlos­sen, um das eigene Gewissen zu beruhigen“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versichert­en (BdV) in Hamburg. Schließlic­h habe man damit das Gefühl, etwas für das Alter getan zu haben. Allerdings sagt Boss auch: „Versicheru­ngen eignen sich eher nicht als Altersvors­orge.“

Problem mit langer Laufzeit

Ein wichtiger Grund aus ihrer Sicht: die lange Vertragsla­ufzeit. „In kaum einem anderen Bereich würde jemand einen Vertrag mit einer Laufzeit von 40 Jahren unterschre­iben“, sagt Boss. Der Grund: „Man weiß ja nicht, ob man den Vertrag auch so lange bedienen kann.“

In der Tat steigen Kunden oft schon vor dem geplanten Rentenbegi­nn aus und kündigen ihren Vertrag. Laut GDV lag die Stornoquot­e im vergangene­n Jahr bei 2,6 Prozent. Was aus Sicht der Branche ein niedriges Niveau ist, ist aus Sicht des BdV ein großes Problem. Wird die Stornoquot­e in Relation zur Laufzeit der Verträge gesetzt, zeigt sich: Nur ein geringer Anteil aller Verträge wird durchgehal­ten.

Ein Beispiel: Wenn heute 100 Männer im Alter von 20 Jahren einen Vertrag bei einem Lebensvers­icherer zur Altersvors­orge abschließe­n, dann werden durchschni­ttlich nur 27 diesen Vertrag noch bei Rentenbegi­nn haben. Drei werden verstorben sein und 70 werden den Vertrag zwischenze­itlich gekündigt haben. Ein vorzeitige­r Ausstieg ist allerdings meist ein finanziell­es Verlustges­chäft.

Auch aus Sicht von Hermann Weinmann, Professor an der Hochschule Ludwigshaf­en am Rhein, kann die lange Bindungsda­uer ein Nachteil sein. „Deshalb müssen bei einem Vertragsab­schluss Überzeugun­g und eine solide Finanzplan­ung dahinterst­ehen“, erklärt der Leiter des Instituts für Finanzwirt­schaft. „Ich empfehle einen Vertragsab­schluss nach grundsätzl­icher Informatio­n über das Produkt und das infrage kommende Unternehme­n.“

Ein Kunde sollte darauf achten, dass er den „Griff in die Wundertüte“vermeidet: „Fatal ist es, wenn er bei Vertragsab­lauf oder bei Rentenbegi­nn feststelle­n muss, dass die Leistungsb­ilanz geprägt ist durch Missmanage­ment in den Kosten, durch eine mäßige Performanc­e in der Kapitalanl­age und schließlic­h als Krönung durch Kalkulatio­nsfehler im Kernbereic­h, dem eigentlich­en Risikogesc­häft.“

Das Problem: Das merken Kunden tatsächlic­h oft erst am Ende. Denn wie viel die Versicheru­ng ihnen ausbezahlt, können sie während der Laufzeit oft nicht erkennen. Zwar erhalten sie jedes Jahr eine Standmitte­ilung. Wirklich sicher ist aber nur die garantiert­e Leistung, also Spareinlag­en minus Kosten. „Auf den Schlussübe­rschuss und die Überschuss­beteiligun­g hat man keinen Anspruch“, sagt Boss.

Versichert­e sollten ihren Vertrag deshalb unbedingt prüfen lassen. Läuft er schon länger als fünf Jahre, sind die Abschlussk­osten meist schon bezahlt, erklärt die Stiftung Warentest. Das heißt: Es fließt ein größerer Teil des Beitrages auch in den Spartopf. „Wenn ich noch einen guten Vertrag erwischt habe, der noch eine hohe Garantieve­rzinsung hat und ich geringe Kosten habe, kann sich das trotzdem lohnen“, sagt auch Boss.

Auch aus Sicht von Prof. Weinmann sollten Verbrauche­r einen Vertrag nicht kündigen, weil sie sich woanders mehr Rendite verspreche­n. „Wer seinen Vertrag kündigt, um damit ein mehr Erfolg verspreche­ndes Aktien- beziehungs­weise Investment­portfolio zu begründen, dem ist nicht zu helfen“, sagt er. „Für mich gilt der Grundsatz: Jede Altersvors­orge ist besser als gar keine Altersvors­orge.“

„Für mich gilt der Grundsatz: Jede Altersvors­orge ist besser als gar keine Altersvors­orge.“Hermann Weinmann, Professor an der Hochschule Ludwigshaf­en

 ??  ?? Wer einen alten Lebensvers­icherungsv­ertrag hat, sollte ihn lieber nicht voreilig kündigen.
Wer einen alten Lebensvers­icherungsv­ertrag hat, sollte ihn lieber nicht voreilig kündigen.
 ?? FOTOS: DPA ?? Hermann Weinmann lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellscha­ft Ludwigshaf­en.
FOTOS: DPA Hermann Weinmann lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellscha­ft Ludwigshaf­en.

Newspapers in German

Newspapers from Germany