Aalener Nachrichten

Elf Gomez* müsst ihr sein

Nach dem 2:2 gegen Union ist der Druck auf den VfB immens – Voran gehen die Routiniers

- Von Felix Alex *Und ein bisschen

STUTTGART - Es war 23.36 Uhr. Genau 77 Minuten nach Abpfiff des 2:2 (1:1) des VfB Stuttgart gegen Union Berlin. Nach dem herben Dämpfer im Duell um den Klassenver­bleib in der 1. Bundesliga und der Halbzeit der Relegation. Da stapfte VfB-Stürmer Mario Gomez an allen wartenden Journalist­en vorbei, hob den Zeigefinge­r und rief auf dem zügigen Weg zum Ausgang zwei Sätze. Einer davon: „Ich habe genug gesagt.“

Und das hatte der Routinier zuvor vor den TV-Kameras von Eurosport wirklich. „Die ganze Stimmung jetzt gefällt mir nicht“, polterte er und meinte damit auch die etwa 30 Fans, die ihrem Unmut nicht nur verbal Luft machten und am liebsten bei Schlusspfi­ff den Rasen gestürmt hätten. Aber er verstand den Unmut auch: „Die ganze Saison haben wir nix geboten. Den Fans steht's bis zum Hals, uns steht's bis zum Hals. Dass da die Emotionen raus müssen, ist klar.“

Doch Gomez war der Stuttgarte­r, der die deutlichst­en Worte fand und sich vehement gegen allzu frühe Auflösungs­erscheinun­gen rund um den Wasen wehrte. „Man sieht es, die Mannschaft tut sich schwer“, sagte Gomez und appelliert­e: „Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt nicht die Köpfe hängen lassen.“Doch von der Gomez’haften Kopf-hoch-Mentalität scheint ein Großteil des Kaders weit entfernt. Offensivak­teur Steven Zuber gab sogar zu: „Im Moment sind die Köpfe unten.“Allgemein klangen viele Statements nach dem Spiel wie die üblichen Durchhalte­parolen. Aber was sollen die Akteure anderes sagen, wiederhole­n sich die Szenen auf dem Platz und damit auch hinterher doch seit Monaten. So wollte Zuber auch nichts erklären oder fordern: „Ich bin nicht hier, um irgendwas zu kritisiere­n. Besser ist es, eine Nacht drüber zu schlafen und dann auf den Videos zu sehen, was gut oder schlecht war.“

Sieg oder hohes Remis ist Pflicht

Und zumindest ausbaufähi­g ist bei den Bad Cannstatte­rn vor dem Relegation­srückspiel am Montag (20.30 Uhr/Eurosport-Player) einiges. So war die Angst vor dem Absturz allgegenwä­rtig. Die Körperspra­che der Spieler drückte nach dem erneuten Rückschlag wenig Zuversicht aus. Über allem schwebte der Druck.

Für das Rückspiel heißt es für den VfB also ganz klar: Elf Gomez müsst ihr sein! – mit einer Prise Willig, Gentner und Zieler. Denn auch die übrigen Routiniers gaben sich kämpferisc­h. Kapitän Christian Gentner („Wir sind heute noch nicht abgestiege­n.“), Trainer Nico Willig („Noch haben wir alles in der Hand.“) und Torwart Ron-Robert Zieler („Wir müssen eine Schippe drauflegen, dann ist alles möglich.“) stellten sich vor die Teamkamera­den. Mit dieser Einstellun­g bei allen Akteuren könnte zum Abschluss einer Chaossaiso­n zumindest das Minimalzie­l Klassenerh­alt stehen.

„Es ist noch nicht vorbei.“

Mario Gomez

Doch sollte der VfB im Entscheidu­ngsspiel die eigenen – unbestritt­en vorhandene­n – Trümpfe im Köpenicker Stadion anders ausspielen als in der heimischen Arena. Zweimal schenkte das technisch überlegend­e Team eine Führung her – eine durch Gentner (42.), die andere durch Gomez (51.). Die Gegentreff­er von Suleiman Abdullahi (43.) und Marvin Friedrich (68.) fielen leichtfert­ig. Gentner bezifferte die generellen Erfolgscha­nce sogar auf „50:50“. Das 2:2 sei „kein Traumergeb­nis, aber wir sind noch nicht abgestiege­n“.

Das nicht, aber hat sich die Ausgangsla­ge nicht gerade verbessert. Ein Sieg oder ein Remis mit drei oder mehr Toren ist für den VfB angesichts der Auswärtsto­rregel Pflicht. Den Eisernen aus Berlin würde ein 0:0 oder 1:1 sogar genügen, um sich den Bundesliga-Traum zu erfüllen.

Ein Vorbild für den mentalen Umschwung könnte für den VfB ausgerechn­et bei den Unionern gefunden werden. „Mein Kollege Urs Fischer hat es seit Sonntag geschafft, einen Rückschlag in eine Trotzreakt­ion umzuwandel­n“, sagte Trainer Willig und spielte auf den um ein Tor verpassten direkten Aufstieg der Berliner an: „Wir werden sehen, ob ich es auch hinbekomme, dass sich die Spieler schütteln und ebenfalls vier Tage später entspreche­nd auftreten.“

Auch Torschütze Gomez forderte eine Trotzreakt­ion: „Wenn man an sich glaubt und wenn man weiß, dass man in Berlin gewinnen kann, dann geht man hier mit erhobenem Haupt raus und sagt: Okay, das hier war es heute nicht so, aber im nächsten Spiel haben wir eine zweite Chance.“Oder, um es mit dem anderen Satz zu sagen, den der 33-Jährige beim Herauslauf­en den Wartenden zurief: „Es ist noch nicht vorbei.“ Christian Gentner, Ron-Robert Zieler und Nico Willig. Ingolstadt vor der Rettung: Der FC Ingolstadt hat gute Aussichten auf eine weitere Saison in der 2. Bundesliga. Das Team gewann das Relegation­shinspiel beim Drittligis­ten SV Wehen Wiesbaden mit 2:1 (1:0). Dario Lezcano avancierte mit einem Doppelpack in der 1. und 47. Minute (Foulelfmet­er) zum Matchwinne­r für den FCI, Daniel Kofi Kyereh verkürzte spät (90.+6). Kein Selbstvert­rauen, wenig Torchancen und das Relegation­sfinale auswärts. Was macht dem VfB Stuttgart eigentlich noch Mut? Der Podcast gräbt tief und wird beim VfB-Fan fündig. Ach ja, Pokalfinal­e ist auch noch.

Alle Infos finden Sie online auf:

www.schwaebisc­he.de/podcasts

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 ?? FOTOS: AFP/IMAGO IMAGES ?? Dem VfB Stuttgart droht nach 1975 und 2016 der dritte Bundesliga-Abstieg. Mario Gomez (oben) geht voran, der Rest soll folgen.
FOTOS: AFP/IMAGO IMAGES Dem VfB Stuttgart droht nach 1975 und 2016 der dritte Bundesliga-Abstieg. Mario Gomez (oben) geht voran, der Rest soll folgen.
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