Die jungen Wähler verloren
Was für ein Drama. Die Sozialdemokraten halbieren ihr Ergebnis im Vergleich zur Vorwahl. Die CDU legt unter der neuen Parteichefin Annegret KrampKarrenbauer das historisch schlechteste Resultat in ihrer Geschichte hin und rutscht dabei deutlich unter 30 Prozent. Die Grünen heimsen einen großen Sieg ein und werden zur zweitstärksten Partei. Und all das geschieht bei einer erheblich gestiegenen Wahlbeteiligung.
In Berlin kann sich das Parteienbündnis, das die Bundesregierung trägt, nicht mehr wirklich als Große Koalition bezeichnen. Dementsprechend wird die Nervosität bei CDU/ CSU und SPD zunehmen. Je nach Blickwinkel hilft das Abstimmungsverhalten im Stadtstaat Bremen zum Schönreden – oder zum Auslösen von blanker Panik. Denn es gerät einiges ins Rutschen. Bei den unter 30Jährigen können weder Christdemokraten noch Sozialdemokraten punkten. Den Volksparteien kommt die junge Generation abhanden.
Doch vor allem SPD-Chefin Andrea Nahles steckt in der Bredouille. Trotz ihrer machtvollen Doppelfunktion als Parteichefin und Vorsitzende der Bundestagsfraktion ist es ihr nicht gelungen, den SPD-Absturz zu verhindern. In der Fraktion rumort es seit Längerem, dort wird Nahles autoritäres Gehabe vorgeworfen. In der Partei sieht es vordergründig besser aus – ihre inhaltliche Arbeit wird noch mehrheitlich geteilt. Ihre öffentlichen Auftritte werden jedoch als katastrophal bezeichnet. Der SPD gelingt es unter Nahles nicht, ihre seit Jahren anhaltende Krise zu beenden.
Wie schnell sich die Dinge ändern können, zeigt ein Blick auf das Europawahl-Ergebnis in Österreich. ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz profitiert vom Zusammenbruch der Regierung. Seine konservative Partei legt deutlich zu, die rechten Demagogen von der FPÖ verlieren. Sollte das Ergebnis bei den Neuwahlen im September ähnlich ausfallen wie jetzt am Sonntag, dann könnte der wendige Kurz mit Grünen und den liberalen Neos eine stabile JamaikaKoalition bilden. Daran hätte noch vor zwei Wochen niemand gedacht.