Boehringer weltweit unter den Top 20
Konzerne aus den USA und der Schweiz hängen deutsche Pharmafirmen ab
FRANKFURT (bsc) - Im weltweiten Vergleich der größten Pharmakonzerne liegt das deutsche Traditionsunternehmen Boehringer Ingelheim mit seinem Biotechnologie-Standort im oberschwäbischen Biberach nach Umsatz auf Platz 18. Das ist das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung EY. Konzerne aus den Vereinigten Staaten und der Schweiz dominieren die Branche. Besser sieht es bei der Forschung aus: Dort landen die deutschen Unternehmen auf vorderen Rängen.
FRANKFURT - Das Wachstum der Pharmabranche weltweit hat sich im vergangenen Jahr verlangsamt. 2018 setzten die Unternehmen insgesamt 460,8 Milliarden Euro um – das war gerade einmal 0,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das zeigt eine Studie der Unternehmensberatung EY, die die 22 größten Pharmaunternehmen der Welt unter die Lupe genommen hat. Während der Umsatz leicht anstieg, sank das operative Ergebnis der untersuchten Konzerne um 1,8 Prozent auf knapp 151 Milliarden Euro.
Dabei zeigt die Studie auch: Die Branche entwickelt sich mit zwei Geschwindigkeiten. Die zehn größten Unternehmen konnten Umsatz und Gewinn stärker ausbauen als die Firmen auf den Plätzen elf bis 22. Zu diesem gehören auch die drei deutschen Branchenvertreter, also Bayer mit Sitz in Leverkusen, das Darmstädter Unternehmen Merck und Boehringer Ingelheim mit seiner Zentrale in Ingelheim am Rhein und seinem großen Biotechnologie-Standort im oberschwäbischen Biberach. Zusammengenommen büßten sie 0,3 Prozent Umsatz ein und sogar zwei Prozent beim operativen Ergebnis. Allerdings steigerte Boehringer Ingelheim den Betriebsgewinn um 16,7 Prozent, während Bayer 10,5 Prozent und Merck 8,6 Prozent weniger verdienten.
In den Top Ten sind sieben Firmen aus den USA und drei aus der Schweiz zu finden, nämlich Roche, Novartis und Sanofi. Der amerikanische Konzern Pfizer büßte zwar leicht an Umsatz ein, bleibt aber mit Abstand an der Spitze. Dass der Pharmastandort Deutschland, einst „Apotheke der Welt“genannt, im Hinblick auf die schlechteren Ergebnisse der deutschen Konzerne nun gefährdet sei, befürchten die Analysten von EY aber nicht. Zwar gebe es Probleme bei der Produktpipeline, doch die deutschen Firmen seien innovativ und richteten sich zukunftsorientiert aus, sagt Jürgen Peukert, Partner von EY. Zudem stehe Deutschland immer noch weltweit für ein extremes Qualitätsbewusstsein.
Tatsächlich liegen die deutschen Firmen bei der Forschung und Entwicklung weiter vorn: So investiert Merck sogar 27 Prozent des Umsatzes in die Entwicklung, das ist weltweit Platz zwei, Boehringer Ingelheim schafft es mit 22,1 Prozent auf Platz acht. Diese Investitionen dürften sich in einigen Jahren auszahlen. Bayer hingegen fällt zurück, der Konzern mit Sitz in Leverkusen investiert nur 17,3 Prozent des Umsatzes in neue Produkte. Allerdings wird bei den Forschungsaufwendungen das Gesamtunternehmen betrachtet, da spielt also die Übernahme des amerikanischen Agrarchemiekonzerns Monsanto mit hinein. Auf die aktuellen Probleme von Bayer nach der Übernahme des Agrarchemiekonzerns Monsanto geht die Studie jedoch nicht ein.
Auf der anderen Seite gelangen Bayer im Pharmabereich mit seinen Blockbustern, also mit Medikamenten, die mehr als eine Milliarde Umsatz im Jahr einbringen, eindrucksvolle Zuwächse. In diesem Bereich sind die amerikanischen und Schweizer Unternehmen führend, sie bieten viele Medikamente im Bereich der Krebsforschung und Immunologie an. Mit Blockbustern in dieser Definition erwirtschafteten die Pharmaunternehmen 2018 noch fast zwei Drittel des Umsatzes.
Trend zu personalisierten Mitteln
Künftig werden Zell- und Gentherapien Bedeutung gewinnen, glauben die EY-Experten. Denn der Trend geht weg von den Medikamenten für die Massen hin zu personalisierten Medikamenten. Die sind zwar teurer in der Entwicklung. Doch sie böten auch die Chance auf Heilung nach kurzer Frist. Das erspare der Wirtschaft die Folgekosten einer langen Behandlung.
Der Trend zu personalisierten Medikamenten erfordert nach Ansicht von EY eine stärkere Digitalisierung und Vernetzung der Branche. Das könnte die Chance für China sein, sich auch in diesem Bereich zu profilieren. Denn bisher spielten sie in der Branche keine große Rolle, sagt Jürgen Peukert von EY. Mit den Daten, die in China freier und massenhafter zur Verfügung stehen, können Produkte mit hoher Präzision entwickelt werden.
Nicht nur die Digitalisierung bestimmt die Zukunft der Branche: Die Pharmaunternehmen entwickeln sich weiter zu Gesundheitsdienstleistern, die über Plattformen Gesundheitsdaten analysieren und so die passgenauen Angebote für ihre Patienten schaffen können. Diese Trends hätten aber auch die deutschen Firmen erkannt. In diesem Bereich sei etwa der Gesundheitskonzern Fresenius schon führend. Er entwickelt keine Pharmazeutika im strengen Sinn und ist deshalb noch nicht in der Studie der Pharmaunternehmen erfasst. Doch auch die anderen Unternehmen gingen mit ihren hohen Investitionen in die richtige Richtung.