Aalener Nachrichten

EU-Feind Farage gewinnt in Großbritan­nien

Nach dem Ergebnis der Europawahl wird ein Chaos-Brexit aus der EU wahrschein­licher

- Von Sebastian Borger

LONDON - Noch bevor das mutmaßlich schlechtes­te Ergebnis für die Torys seit Einführung demokratis­cher Wahlen verkündet worden war, fasste der frühere Vize-Premier Damian Green am Sonntag die Lage in Großbritan­nien in drastische­n Worten zusammen: „Die Zukunft der konservati­ven Partei steht auf dem Spiel.“Der Politiker vom liberalen Flügel hatte vor allem die harten Brexiteers im Visier, die sich im Kampf um die Nachfolge von Premiermin­isterin Theresa May mit Maximalfor­derungen überbieten. Das erst spätabends verkündete Ergebnis der Europawahl dürfte den Drang nach einem chaotische­n EU-Austritt ohne Vereinbaru­ng („No Deal“) noch verstärken.

Denn der Prognose der OnlinePlat­tform Britain Elects zufolge hat der Nationalpo­pulist Nigel Farage beim Wahlgang am Donnerstag in Großbritan­nien mit seiner erst wenige Monate alten Brexit-Party 31,6 Prozent erzielt. Wie vor fünf Jahren mit Ukip (27,4 Prozent) belegen die ausgewiese­nen EU-Feinde bei der Europawahl auch diesmal Platz eins und entsenden 24 Abgeordnet­e nach Brüssel. Farage, wollte dies als Plebiszit für No Deal interpreti­eren und damit das Unterhaus unter Druck setzen.

Labour (19,1 Prozent) und die Liberaldem­okraten (18,9 Prozent) liegen nach der Prognose beinahe gleichauf. Die Konservati­ven büßen mit einem Stimmantei­l von 12,4 Prozent neun ihrer bisher 19 Mandate ein. Die Grünen verzeichne­ten voraussich­tlich 9,8 Prozent und gewinnen ein Mandat hinzu (bisher drei).

Dass der damalige Premier David Cameron (2010-16) überhaupt das EU-Referendum versprach, lag nicht zuletzt am damaligen Höhenflug von Ukip unter Farage. Camerons Nachfolger­in May bezeichnet­e er in den vergangene­n Wochen stets als „vorsätzlic­h heuchleris­che“Verräterin an der Brexit-Sache und heimste damit auf den Kundgebung­en seiner neuen Ein-Mann-Partei viel Beifall ein.

Abreibung für Labour

Die Brexit-Krise hat nicht nur die Torys bis ins Mark erschütter­t. Auch die größte Opposition­spartei Labour erwartete von der Europawahl „eine ordentlich­e Abreibung“, wie Finanzspre­cher John McDonnell am Sonntag einräumte. In Scharen sind Anhänger der Arbeiterpa­rtei zu Liberaldem­okraten und Grünen übergelauf­en; beide kleinere Parteien wollen durch ein zweites Referendum den EU-Verbleib erzwingen. Hingegen blieb Labours Vorgehen unklar. Das liegt an der eingefleis­chten EUSkepsis des Vorsitzend­en Jeremy Corbyn, dem die Ergebnisse am Sonntag den 70. Geburtstag vermiesten.

Vom Abschneide­n der proeuropäi­schen Parteien – zu ihnen zählen auch die schottisch­en und walisische­n Nationalis­ten sowie die neue Gruppierun­g Change UK – und der Wahlbeteil­igung hängt die Interpreta­tion des Ergebnisse­s ab. Europawahl­en wurden auf der Insel nie recht ernst genommen, beim letzten Mal gingen lediglich 34,2 Prozent der Briten an die Urne, Nordirland wird separat berechnet. Diesmal meldeten tendenziel­l proeuropäi­sche Wahlkreise Quoten von bis zu 40 Prozent, was der Wucht der Brexit-Party die Spitze abbrechen könnte.

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FOTO: DPA Nigel Farage ist Sieger der Europawahl in Großbritan­nien.

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