Aalener Nachrichten

Grüne übertreffe­n eigene Erwartunge­n

Partei profitiert von Klimadebat­te – Erfolg auch in Baden-Württember­g und Bayern

- Von Michael Gabel

BERLIN - „Was für ein Abend!“Grünen-Chefin Annalena Baerbock musste schreien, um sich bei der Wahlfeier Gehör zu verschaffe­n, so laut war der Jubel. Dass es ein gutes Ergebnis geben würde, damit hatten viele gerechnet. Doch die erste Prognose übertraf die Erwartunge­n nochmal deutlich. „Das Ergebnis zeigt: Die Menschen wollen mehr Klimaschut­z, und die Menschen wollen Europa“, rief die Potsdameri­n.

Ihr Top-Ergebnis verdanken die Grünen zwei Umständen: Die Umweltthem­en, um die es diesmal vor allem ging, spielten den Grünen in die Karten. Außerdem nahmen sie so auch gleich noch den Schub der „Fridays for Future“-Bewegung mit. Sven Giegold, grüner Spitzenkan­didat für Brüssel, sprach deshalb am Wahlabend vom „Sunday for Future“und kündigte an: „Wir werden das Anliegen der Klimabeweg­ung in das Parlament tragen.“

Zum andern profitiere­n die Grünen immer noch enorm von der Popularitä­t ihres vor anderthalb Jahren gewählten Spitzenduo­s Baerbock/Habeck. Die „Teamarbeit“sei es gewesen, die den Wahlerfolg möglich gemacht habe, lobte Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner. Hintergrun­d: Die grünen Europa-Spitzenkan­didaten Ska Keller und Giegold sind immer noch kaum bekannt. Die Zugpferde Baerbock und Habeck mussten das ausgleiche­n.

Zulauf von Union und SPD

Das wiedererwa­chte Interesse an der Umweltpoli­tik und die populäre Parteispit­ze sind beides offenbar auch Gründe, warum viele frühere Nichtwähle­r – laut Nachwahlbe­fragungen waren es 2,6 Millionen – ihr Kreuz bei der Ökopartei gemacht haben. Doch die Grünen überzeugte­n auch viele ehemalige Wähler der SPD (1,6 Millionen) und der Union (840 000).

Mit ihrem Triumph setzen die Grünen ihre Erfolgsser­ie der vergangene­n Monate fort. Doch in den Jubel mischten sich am Wahlabend auch nachdenkli­che Töne. Was ist, wenn die Große Koalition platzt? Sollen die Grünen dann sofort Neuwahlen anstreben, um ihre guten Umfrageerg­ebnisse in Parlaments­sitze zu verwandeln? Was ist mit einem Kanzlerkan­didaten? Viele in der Partei wollen das. Andere dagegen befürchten, es käme nicht gut an, wenn man sich einer möglichen Jamaika-Neuauflage verweigern würde.

Fraktionsc­hef Anton Hofreiter rät beim Thema Neuwahlen zur Zurückhalt­ung, wie er am Sonntagabe­nd sagte. Und um sich Gedanken über Jamaika zu machen, sei es sowieso noch deutlich zu früh.

In Baden-Württember­g liegen die Grünen Hochrechnu­ngen zufolge bei 23 Prozent und damit noch über dem Bundeserge­bnis. „Das grüne Rekorderge­bnis ist ein klarer Auftrag: Deutschlan­d muss zum Klimavorre­iter und die Europäisch­e Union zur Klimaunion werden“, betonten die Grünen-Landesvors­itzenden Sandra Detzer und Oliver Hildenbran­d.

Im Europäisch­en Parlament werden voraussich­tlich künftig zwei Abgeordnet­e der Grünen aus BadenWürtt­emberg vertreten sein, Michael Bloss und Anna Deparnay-Grunenberg. Beide kommen aus Stuttgart. Beide stünden für ein ökologisch­es, soziales und demokratis­ches Europa, das begeistere und verbinde, so die Grünen-Landesvors­itzenden.

Schulze: „Hammererge­bnis“

In Bayern bezeichnet­e Katharina Schulze, Fraktionsc­hefin der Grünen im Landtag, das Abschneide­n ihrer Partei als „Hammererge­bnis“. Laut Prognose des Bayerische­n Rundfunks kamen die Grünen im Freistaat auf 20,5 Prozent und erreichten damit den zweiten Platz hinter der CSU. „Die Wahl zeigt deutlich, dass die Menschen konsequent­en Klimaschut­z wollen und ein #Europa das zusammenhä­lt und sich nicht spalten lässt!“, twitterte Schulze.

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FOTO: DPA Grüner Jubel: Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner, EU-Abgeordnet­er Sven Giegold und Parteichef­in Annalena Baerbock (von links).

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