Wenn das Netz nicht vergessen will
Die Datenschutzgrundverordnung regelt die Löschung persönlicher Daten – Das Recht durchzusetzen, ist schwierig
BERLIN - Dieses Suchergebnis im Internet hat der Zahnärztin überhaupt nicht gefallen. Eine ihrer Assistentinnen war dort unter anderem mit recht freizügigen Fotos vertreten – digitale Überbleibsel einer länger zurückliegenden Tätigkeit als Model. Patienten sprachen die Praxisinhaberin darauf an und äußerten sich befremdet. Weil die Zahnärtzin eine Rufschädigung befürchtete, bat sie ihre Angestellte, sie möge die alten Bilder doch bitte löschen lassen – gar nicht so einfach, wie sich heraustellte.
Das sogenannte Recht auf Vergessenwerden ist in der Datenschutzgrundverordnung der EU zwar festgelegt. Und Digitalkonzerne wie Google, Facebook oder Amazon sind auch gesetzlich verpflichtet, bestimmte Hassnachrichten und Beleidigungen schnell zu entfernen. Doch in der Praxis erweist es sich oft als schwierig, dieses Recht durchzusetzen. Was können Betroffene tun?
Dienstleister einschalten:
Um strittige Fälle im Internet zu regeln, ist eine kleine Branche von Firmen entstanden, die sich um den öffentlichen Ruf von Bürgern und Unternehmen kümmern. Sie sind im Netz auf Seiten wie deinguterruf.de, yourreputation24.com oder rh-reputation.de zu finden. „Wir verfolgen keinen juristischen, sondern einen individuellen Ansatz, indem wir langjährige Kontakte zu den Plattformen nutzen“, erklärt Christian Keppel von deinguterruf in Essen.
Solche Firmen verlangen beispielsweise Beträge in der Größenordnung von 50 Euro, um ein Problem zu lösen. Die Kunden können ihnen per E-Mail oder telefonisch erklären, welche persönlichen Daten oder Fotos, Beleidigung oder Falschinformation sie nicht mehr veröffentlicht sehen wollen, wenn sie ihren Namen etwa in die Google-Suchmaschine eingeben. Die Mitarbeiter nehmen dann Kontakt zu den Digitalunternehmen auf. Weil sie wissen, wer bei Google für die Video-Plattform youtube, bei Facebook für den Kurzmitteilungsdienst Whatsapp zuständig ist und wie man diese Leute am besten anspricht, haben sie oft Erfolg. Dieser ist aber nicht garantiert, weil die Firmen auf dem Weg der Kulanz zu ihrem Ziel kommen. Und manche Kunden werden erst gar nicht angenommen. „Wir bekommen viele Anfragen von Rechtsradikalen“, sagt Keppel. „Solche Anliegen werden nicht bearbeitet – wir wollen keine politischen Extremisten unterstützen, egal welcher Couleur.“
Juristischen Beistand suchen:
Anwälte zu beauftragen, ist teurer, bei größeren Problemen aber ratsam. Zu dieser Kategorie gehören Beleidigungen, üble Nachrede, Verleumdungen und Kreditgefährdung – also Vergehen, die im Strafgesetzbuch stehen. Tauchen diese in der Internetsuche oder in sozialen Netzwerken auf, kann die persönliche Reputation oder die des eigenen Unternehmens ernsthaft in Gefahr geraten. Trotzdem „ist es oft schwierig, etwa Google zu vermitteln, dass es um eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten geht“, sagt Anwältin Birgit Rosenbaum von der Kanzlei LHR in Köln.
Ein guter Teil ihrer Arbeit besteht dann daraus, juristisch darzulegen, warum es sich bei umstrittenen Äußerungen um eine Behauptung falscher Tatsachen oder eine überzogene Schmähkritik handelt. Weil beispielsweise Google ziemlich zurückhaltend ist beim Löschen von Informationen, landen die Fälle nicht selten vor einem Landgericht. Dort muss dann die Klageschrift auch in englischer Sprache eingereicht werden – schließlich hat das Unternehmen seinen Hauptsitz in den Vereinigten Staaten.
Es selbst probieren:
Unternehmen wie Google und Facebook stellen mittlerweile Onlineformulare zur Verfügung, die man am Computer selbst ausfüllen kann, um die Löschung von Daten zu erreichen. Sie sind bei einer Internetsuche etwa mit den Stichwörtern „Google“kombiniert mit „Informationen entfernen“zu finden. Für Beleidigungen einerseits und persönliche Daten andererseits gibt es unterschiedliche Formulare. Letztere, beispielsweise Telefon- und Kontonummer oder die private Adresse, kann man auf Basis des Artikels 17 der europäischen Datenschutzgrundverordnung entfernen lassen. Wichtig: Google sperrt dann solche Links – auf anderen Seiten können die fraglichen Informationen trotzdem weiterhin auftauchen. Um die Löschung dort müssen sich die Betroffenen ebenfalls selbst kümmern.