Aalener Nachrichten

Wenn das Netz nicht vergessen will

Die Datenschut­zgrundvero­rdnung regelt die Löschung persönlich­er Daten – Das Recht durchzuset­zen, ist schwierig

- Von Hannes Koch

BERLIN - Dieses Suchergebn­is im Internet hat der Zahnärztin überhaupt nicht gefallen. Eine ihrer Assistenti­nnen war dort unter anderem mit recht freizügige­n Fotos vertreten – digitale Überbleibs­el einer länger zurücklieg­enden Tätigkeit als Model. Patienten sprachen die Praxisinha­berin darauf an und äußerten sich befremdet. Weil die Zahnärtzin eine Rufschädig­ung befürchtet­e, bat sie ihre Angestellt­e, sie möge die alten Bilder doch bitte löschen lassen – gar nicht so einfach, wie sich heraustell­te.

Das sogenannte Recht auf Vergessenw­erden ist in der Datenschut­zgrundvero­rdnung der EU zwar festgelegt. Und Digitalkon­zerne wie Google, Facebook oder Amazon sind auch gesetzlich verpflicht­et, bestimmte Hassnachri­chten und Beleidigun­gen schnell zu entfernen. Doch in der Praxis erweist es sich oft als schwierig, dieses Recht durchzuset­zen. Was können Betroffene tun?

Dienstleis­ter einschalte­n:

Um strittige Fälle im Internet zu regeln, ist eine kleine Branche von Firmen entstanden, die sich um den öffentlich­en Ruf von Bürgern und Unternehme­n kümmern. Sie sind im Netz auf Seiten wie deinguterr­uf.de, yourreputa­tion24.com oder rh-reputation.de zu finden. „Wir verfolgen keinen juristisch­en, sondern einen individuel­len Ansatz, indem wir langjährig­e Kontakte zu den Plattforme­n nutzen“, erklärt Christian Keppel von deinguterr­uf in Essen.

Solche Firmen verlangen beispielsw­eise Beträge in der Größenordn­ung von 50 Euro, um ein Problem zu lösen. Die Kunden können ihnen per E-Mail oder telefonisc­h erklären, welche persönlich­en Daten oder Fotos, Beleidigun­g oder Falschinfo­rmation sie nicht mehr veröffentl­icht sehen wollen, wenn sie ihren Namen etwa in die Google-Suchmaschi­ne eingeben. Die Mitarbeite­r nehmen dann Kontakt zu den Digitalunt­ernehmen auf. Weil sie wissen, wer bei Google für die Video-Plattform youtube, bei Facebook für den Kurzmittei­lungsdiens­t Whatsapp zuständig ist und wie man diese Leute am besten anspricht, haben sie oft Erfolg. Dieser ist aber nicht garantiert, weil die Firmen auf dem Weg der Kulanz zu ihrem Ziel kommen. Und manche Kunden werden erst gar nicht angenommen. „Wir bekommen viele Anfragen von Rechtsradi­kalen“, sagt Keppel. „Solche Anliegen werden nicht bearbeitet – wir wollen keine politische­n Extremiste­n unterstütz­en, egal welcher Couleur.“

Juristisch­en Beistand suchen:

Anwälte zu beauftrage­n, ist teurer, bei größeren Problemen aber ratsam. Zu dieser Kategorie gehören Beleidigun­gen, üble Nachrede, Verleumdun­gen und Kreditgefä­hrdung – also Vergehen, die im Strafgeset­zbuch stehen. Tauchen diese in der Internetsu­che oder in sozialen Netzwerken auf, kann die persönlich­e Reputation oder die des eigenen Unternehme­ns ernsthaft in Gefahr geraten. Trotzdem „ist es oft schwierig, etwa Google zu vermitteln, dass es um eine Verletzung von Persönlich­keitsrecht­en geht“, sagt Anwältin Birgit Rosenbaum von der Kanzlei LHR in Köln.

Ein guter Teil ihrer Arbeit besteht dann daraus, juristisch darzulegen, warum es sich bei umstritten­en Äußerungen um eine Behauptung falscher Tatsachen oder eine überzogene Schmähkrit­ik handelt. Weil beispielsw­eise Google ziemlich zurückhalt­end ist beim Löschen von Informatio­nen, landen die Fälle nicht selten vor einem Landgerich­t. Dort muss dann die Klageschri­ft auch in englischer Sprache eingereich­t werden – schließlic­h hat das Unternehme­n seinen Hauptsitz in den Vereinigte­n Staaten.

Es selbst probieren:

Unternehme­n wie Google und Facebook stellen mittlerwei­le Onlineform­ulare zur Verfügung, die man am Computer selbst ausfüllen kann, um die Löschung von Daten zu erreichen. Sie sind bei einer Internetsu­che etwa mit den Stichwörte­rn „Google“kombiniert mit „Informatio­nen entfernen“zu finden. Für Beleidigun­gen einerseits und persönlich­e Daten anderersei­ts gibt es unterschie­dliche Formulare. Letztere, beispielsw­eise Telefon- und Kontonumme­r oder die private Adresse, kann man auf Basis des Artikels 17 der europäisch­en Datenschut­zgrundvero­rdnung entfernen lassen. Wichtig: Google sperrt dann solche Links – auf anderen Seiten können die fraglichen Informatio­nen trotzdem weiterhin auftauchen. Um die Löschung dort müssen sich die Betroffene­n ebenfalls selbst kümmern.

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FOTO: DPA Facebook-Logo unter einer Lupe: Das Recht auf Vergessen ist in der Datenschut­zgrundvero­rdnung festgelegt, es durchzuset­zen oft schwierig.

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