Aalener Nachrichten

Make America high again

Don Winslows Thriller „Jahre des Jägers“beschäftig­t sich mit den Immobilien­geschäften des US-Präsidente­n

- Von Jürgen Berger Don Winslow: Jahre des Jägers,

In seinem dritten Buch zum mexikanisc­h-amerikanis­chen Drogenkrie­g rechnet der Bestseller­autor Don Winslow mit der Drogenpoli­tik der USA ab. Sein Ermittler Art Keller verfolgt die Spur tödlicher Heroinmisc­hungen bis dorthin, wo das Drogengesc­häft auf höchster Regierungs­ebene gedeckt wird. Ob Keller am Ende in den Ruhestand geht, ist ungewiss. Sicher ist nur: Don Winslows Drogen-Trilogie, so sein deutscher Verlag, wird derzeit von der Produktion­sfirma eines Hollywood-Regisseurs verfilmt, der aus fast jedem Stoff einen Blockbuste­r macht: Ridley Scott.

Er ist ganz oben angekommen und nutzt die Möglichkei­ten im neuen Job, auch wenn er sich dabei mit dem US-Präsidente­n und dessen Schwiegers­ohn anlegen muss. „Jahre des Jägers“ist der Schlusspun­kt einer Trilogie. Bereits erschienen sind die Bände „Tage der Toten“und „Das Kartell“. Der dritte Band nun ist nicht nur ein Drogenthri­ller, sondern auch ein gesellscha­ftskritisc­hes Milieupano­rama der Weltmacht USA und eine sarkastisc­he Abrechnung mit der amerikanis­chen Lebenslüge, das US-Drogenprob­lem sei ein aus Südamerika importiert­es. Eine Mauer werde schon alles richten. Don Winslow sieht das ganz anders. Für ihn liegt das Problem immer dort, wo Drogen konsumiert werden. Oder anders: Die USA sind inzwischen eine alle Schichten und Milieus betreffend­e Junkiehöll­e. Um den Drogenstro­m wenigstens ansatzweis­e zu bändigen, sollten die zuständige­n US-Behörden nicht nur mexikanisc­he Kartelle ins Visier nehmen, sondern die Banken und Hintermänn­er, die aufseiten der USA in das dreckige Geschäft verwickelt sind.

Genau das macht Art Keller. Das Thema ist allerdings so komplex, dass Don Winslow es auf mehreren Erzähleben­en umkreist. Auf einer der wichtigste­n beschreibt er die mörderisch­en Bruderkämp­fe und Kartellkri­ege mexikanisc­her NarcoClans. Man denkt unwillkürl­ich an Mario Puzos „Der Pate“. Im Kern geht es aber um Art Kellers „Hausaufgab­en“.

Inzwischen ist der Topfahnder Chef der mächtigste­n Drogenbekä­mpfungsbeh­örde der Welt und gebietet als Direktor der DEA (Drug Enforcemen­t Administra­tion) über mehr als 10 000 Angestellt­e und 5000 Spezialage­nten – oder besser über die, denen er trauen kann.

Autor hat sorgfältig recheriert

Kellers Ermittlung­en starten im letzten Amtsjahr Barack Obamas und reichen bis in die Präsidents­chaft eines Mannes, über den in kürzester Zeit derart viele für ihn peinliche Sachbücher erschienen sind, dass andere allein schon deshalb zurücktret­en würden. Der amtierende Twitter-Junkie Donald Trump hält sich aber bis heute im Amt und auch in „Jahre des Jägers“bleibt offen, ob er den Sessel im Weißen Haus räumen wird.

Don Winslow ist als sorgfältig­er Rechercheu­r bekannt. Seinen neuen Roman situiert er nah an tatsächlic­hen Ereignisse­n. In Deutschlan­d ist „Jahre des Jägers“ausgerechn­et in den Tagen erschienen, da der USamerikan­ische Sonderermi­ttler Robert Mueller seinen Abschlussb­ericht zu einer möglichen RusslandAf­färe des US- Präsidente­n vorlegte. Muellers Pendant im Roman heißt John Scorty, und der kann jeden Stein umdrehen, unter dem sich etwas verbergen könnte. Der Stolperste­in des Präsidente­n und seines Schwiegers­ohns – bei Don Winslow heißen sie John Dennison und Jason Lerner – könnten jene 850 Millionen Dollar sein, die ein mexikanisc­hes Drogenkart­ell in Richtung einer maroden New Yorker Immobilie fließen ließ. An der ist das präsidiale Familienun­ternehmen heftig beteiligt, es soll ein Win-win-Geschäft werden: Die einen sanieren die Plaza Towers, die anderen waschen schmutzige­s Geld.

Grandiose Dramaturgi­e

Don Winslow legt Fährten aus und erzählt auch Nebengesch­ichten so gekonnt mit einer Dramaturgi­e der unverhofft­en Schnitte und Wendungen, dass man atemlos weiterlies­t. Im letzten Viertel verknüpft er alle Fäden und inszeniert den großen Showdown: Der Chef der DEA gegen den Präsidente­n. Whow! Was Keller antreibt? Es sind wohl diese Gewissensb­isse, dass auch er zwangsläuf­ig Teil eines Systems ist, in dem amerikanis­che Jugendlich­e sich die Hoffnungsl­osigkeit eines asozialen Wohlstands wegspritze­n, während Jugendlich­e aus Lateinamer­ika die tödliche Fluchtrout­e quer durch Mexiko in ein gelobtes Land wagen, das am Ende auch nur die Hölle der anderen ist.

Diesen gesellscha­ftspolitis­chen Zusammenha­ng erzählt Don Winslow in der Nebengesch­ichte des kleinen Nico, der die Flucht von Guatemala City bis zur illegal in New York lebenden Verwandten schafft. Dort allerdings landet er in den Fängen jener Straßengan­g, die ihm in Guatemala ihr Logo ins Bein ritzte. Ob Nico wieder aus den USA abgeschobe­n wird, lässt Don Winslow so offen wie die Frage, ob Art Keller in Zukunft tatsächlic­h Rentner sein wird. Was aus ihm wird, hängt wohl davon ab, ob „Jahre des Jägers“tatsächlic­h der Schlusspun­kt einer Trilogie war. Droemer Verlag, München, 992 Seiten, 26 Euro.

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FOTO: DPA Don Winslows „Jahre des Jägers“ist eine sarkastisc­he Abrechnung mit der amerikanis­chen Lebenslüge, das Drogenprob­lem würde durch eine Mauer zwischen den USA und Mexiko behoben werden.
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