Aalener Nachrichten

Wo der Pastor Porsche fährt

Schauspiel­er Axel Milberg erzählt von seiner behüteten Kindheit in „Düsternbro­ok“

- Von Welf Grombacher Axel Milberg: Düsternbro­ok,

Wozu ein Kindergart­en, wenn das Haus einen Garten hat, sagen sich die Eltern und lassen ihren Jungen zu Hause. „Und da stand ich, klein, dunkelblon­d auf grünem Grund und drehte mich, und die Welt drehte sich um mich“, schreibt der Schauspiel­er Axel Milberg und liefert damit ein schönes Eingangsbi­ld für seinen Roman „Düsternbro­ok“, in dem er von seiner behüteten Kindheit im gleichnami­gen Kieler Stadtteil erzählt.

Als Sohn eines Anwalts und einer Ärztin wächst er mit Blick auf die Kieler Förde auf und muss sich von der Mutter immer „Wir sind was Besseres!“anhören. Das verinnerli­cht der Knirps bald und hat eine ganz besondere Meinung von sich. Vorlaut ist er, macht sich gern wichtig. Irgendwie aber empfindet er es auch als schade, dass ihm keiner mehr nahe ist. Und so wird er, wie er schreibt, ein wenig „weltfremd und auf scheue Art aggressiv“. Wer Axel Milberg aus dem Fernsehen kennt, weiß, wie gut er sich selbst in diesen Zeilen getroffen hat. In Talkshows ist er ein eloquenter Erzähler. Dass er es aber in seinem ersten Roman schafft, diesen persönlich­en Sound zu bewahren, ist keine Selbstvers­tändlichke­it.

In zunächst unzusammen­hängenden Episoden, die sich mit der Zeit verdichten, berichtet der 1956 geborene Milberg wie er sich im Sommer beim Badeausflu­g nach Eckernholm einen Bernstein ins Ohr steckt, der unter Vollnarkos­e wieder herausgeho­lt werden muss. Einmal klaut Axel dem Lehrer einen Zettel, auf dem die Aufgaben für die nächste Klassenarb­eit notiert sind. Nachdem alle eine gute Note haben, gesteht er den Betrug dem Lehrer, was die Schulkamer­aden gar nicht lustig finden.

Liebevoll blickt Axel Milberg zurück und schlüpft noch einmal in sein jüngeres Ich. Konfirmier­en lassen will er sich am Anfang nur der Geschenke wegen. Dann aber ist er vom Pastor, der Porsche fährt und aufregend zu erzählen weiß, so begeistert, dass er den Literaturz­irkel im Gemeindeha­us gleich noch mit besucht. Er schreibt ein Theaterstü­ck, spielt in der Laienspiel­gruppe, muss nach der Vorstellun­g aber feststelle­n, wie seine erste Liebe Lili mit einem anderen davonzieht. Das aber kann ihn vom Entschluss, Schauspiel­er zu werden, nicht mehr abbringen.

Milberg ist ein geborener Erzähler. Er hat ebenso den Blick für die Pointe wie den für die Leerstelle. Sein Tonfall ist mitreißend charmant. Wäre er nicht Schauspiel­er, er hätte Schriftste­ller werden können. Aber jetzt ist er es ja. Piper, 288 Seiten, 22 Euro.

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