„Das ist für Dich, Niki“
Weltmeister Lewis Hamilton gewinnt einen gleichermaßen besonderen wie ereignisreichen Monaco-Grand-Prix
MONTE CARLO (SID/dpa) - Sebastian Vettel gab Fürst Albert einen Schluck Champagner ab, plauderte entspannt mit dessen Gattin Charlène – und überließ dann die Bühne den Männern des Tages. „Heute geht es in erster Linie um Lewis – und um Niki. Er wäre glücklich. Sein Vermächtnis wird bleiben. Er fehlt uns“, sagte der Ferrari-Star nach seinem zweiten Platz hinter Mercedes-Weltmeister Lewis Hamilton beim hochgradig kuriosen Großen Preis von Monaco. Die Bewunderung für den am Montag verstorbenen Mercedes-Teamaufsichtsrat Lauda einte beim PrestigeGrand-Prix an der Côte d’Azur die Lager, alle 20 Fahrer würdigten den dreimaligen Weltmeister mit roten Kappen – und boten ein Rennen, das Lauda wohl bestens gefallen hätte.
„Das ist für Dich, Niki“, funkte Weltmeister und Mercedes-Star Lewis Hamilton nach „dem wohl härtesten Rennen meiner Karriere“. Der Lauda-Zögling aus England war im Straßengewirr Monte Carlos 78 Runden lang der Gejagte, er kämpfte mit abbauenden Reifen und sprang zur Belohnung für seinen 77. Karriereerfolg und den Ausbau der WM-Führung im Rennoverall ins städtische Schwimmbad. „Wahrscheinlich zieht Niki da oben seine Kappe für uns“, sagte Hamilton nach dem Thriller, für den man neben starken Nerven auch einen Rechenschieber benötigte.
Vettel profitiert von Fehlern anderer
So musste sich der Heppenheimer Vettel im Fürstentum allein Hamilton geschlagen geben – obwohl er auch hinter Max Verstappen über den Zielstrich fuhr. Dem niederländischen Red-Bull-Star wurde allerdings eine Zeitstrafe aufgerechnet, durch die er hinter Vettel und dem Finnen Valtteri Bottas im zweiten Mercedes auf Rang vier zurückfiel. „Das war ein hartes Rennen“, sagte Vettel nach seinem besten Saisonresultat: „Es war ein tolles Ergebnis für uns, wir haben noch viel Arbeit vor uns, mit dem zweiten Platz konnten wir nicht rechnen. Wir haben hauptsächlich von den Fehlern der anderen profitiert.“
Vettel übernahm mit 82 Zählern zumindest den dritten Rang in der WM von Verstappen (78). Der viermalige Weltmeister und Ferrari sind von der reinen Performance her aber weiterhin von Mercedes weit entfernt – dem Team, das in Monte Carlo hätte Geschichte schreiben können: Sechs Doppelsiege in Folge wären ein Novum in der 70-jährigen Formel-1-Historie gewesen. So aber setzte sich der fünfmalige Champion Hamilton in der WM mit nunmehr 137 Punkten ein Stück weit von Bottas (120) ab.
Der Emmericher Nico Hülkenberg im Renault blieb als 14. im fünften Rennen nacheinander ohne Punkte. Vettels Teamkollege Charles Leclerc (Monaco), der durch einen kapitalen Strategiefehler seines Teams im Qualifying nur von Platz 15 in sein Heimrennen gegangen war, schied aus.
Die Pole Position erwies sich – wie so oft in Monaco – als die halbe Miete: Hamilton verteidigte seinen Platz beim Start souverän gegen Bottas, der Verstappen und Vettel hinter sich halten konnte. Für Bewegung sorgte zunächst allein Leclerc, der mit dem Messer zwischen den Zähnen seine unverschuldet schlechte Ausgangslage verbessern wollte. An drei Kontrahenten presste sich der 21-Jährige vorbei, Hülkenberg im Renault machte ihm aber die Tür zu. Leclerc erlitt einen Reifenschaden, bis zur Boxeneinfahrt löste sich der Pneu in alle Bestandteile auf. Leclerc zerstörte sich dabei seinen Unterboden und stieg wenig später aus.
Hamilton contra Verstappen
Zusätzlich rückte das Safety-Car aus, damit die zahlreichen Kleinteile eingesammelt werden konnten. Die Topfavoriten fuhren an die Box. Hamilton wurde problemlos abgefertigt, doch zwischen Verstappen und Bottas kam es in der engen Boxengasse zum Kontakt. Der Niederländer hätte von seiner Crew aufgehalten werden müssen, die Rennleitung belegte ihn deshalb mit einer Fünf-Sekunden-Strafe. Der Leidtragende war Bottas, der einen Reifenschaden erlitt und auch hinter Vettel zurückfiel. Derweil erhielt Verstappen von seinem Team den Auftrag, den führenden Hamilton zu überholen und fünf Sekunden herauszufahren. Hamilton musste Reifen schonen und zugleich Verstappen an den kritischen Stellen des verwinkelten Kurses auf Distanz halten. „Es lag nur an mir, und dann habe ich mich gefragt: ,Was würde Niki jetzt tun, ich muss es schaffen für ihn, er guckt bestimmt zu‘“, sagte Hamilton. „Ich habe mit dem Spirit von Niki gekämpft.“In der drittletzten Runde wagte es Verstappen, es kam zum leichten Kontakt, doch an der Reihenfolge änderte sich nichts mehr.
Zuvor – um 14.53 Uhr – war es still geworden im Fürstentum. Mit einer Schweigeminute nahm die Formel 1 Abschied von Niki Lauda. Die Piloten versammelten sich auf der Start-ZielGeraden in einem Kreis um einen früheren Rennhelm des Österreichers und trugen dabei besagte rote Mützen mit der weißen Aufschrift „NIKI“. Als die Schweigeminute vorbei war, ertönten die Hupen der Jachten im Hafen.