Das 40-Millionen-Spiel
VfB würde ein Abstieg teuer zu stehen kommen – wenigstens der Nachwuchs begeistert
STUTTGART - Dass die Verantwortlichen des VfB Stuttgart schon jetzt erste Schritte für den Fall des Abstiegs – oder wie Sportvorstand Thomas Hitzlsperger es nennt: Worst Case – ergreifen, ist unausweichlich. Zu präsent ist vor der Partie am Montag (20.30 Uhr/Eurosport Player) gegen Union Berlin und nach dem wenig erbaulichem 2:2 im Relegationshinspiel das Horrorszenario. Dass jedoch die Akteure, sogar der Kapitän, diese Möglichkeit so offensiv ansprechen, ist außergewöhnlich. „Montagabend ist immer noch genug Zeit zu jammern und zu weinen, wenn es schiefgehen sollte“, sagte Christian Gentner der „Bild“. Anstatt also auf dumpfe Weiter-so-Parolen zu setzen, soll die harte Realität Ansporn genug sein.
Eventuell ist genau diese Taktik der letzte Strohhalm, nachdem so viele andere in der Saison schon verpasst wurden. Denn auch VfB-Interimstrainer Nico Willig bedient diese Schiene, sagt realistisch: „Das wird kein dünneres Brett bei der Einstellung und der Euphorie, die da herrscht.“Willig muss wissen, was er sagt, hat er sich doch familiäre und doch professionelle Ratschläge geholt, seinen Vater für den Klassenerhalt in die Pflicht genommen. Denn Papa Willig ist Psychologe. „Er durfte nicht, er musste. Wir haben in den letzten Tagen und in den letzten Wochen sehr viel telefoniert“, verrät Nico Willig vor seinem letzten Spiel bei den Profis. Er kehrt vereinbarungsgemäß wieder zu seinen A-Junioren zurück, die am Wochenende auch ohne ihn an der Seitenlinie mit dem 2:1 gegen RB Leipzig den DFB-Pokal der U19 gewonnen haben. Kommenden Sonntag winkt den A-Junioren sogar das Double: Gegen Dortmund geht es in Großaspach um die deutsche Meisterschaft.
Im Nachwuchs scheint ein großer Jahrgang heranzuwachsen. Sorgen bereiten nur die Profis. Ein Abstieg würde 40 Millionen Euro kosten. In der 2. Liga müssten sie mit rund 30 Prozent weniger Umsatz planen, statt mit derzeit rund 140 nur noch mit etwa 100 Millionen. Die TV-Gelder würden von 48 auf 28 Millionen sinken, der Spieleretat wohl vom aktuellen Rekordstand 55 auf 40 Millionen eingedampft werden. Und das gilt nur für das erste Jahr in Liga zwei. Sollte der direkte Wiederaufstieg verpasst werden – siehe HSV – müsste sicher weiter gespart werden.
Was etwas Mut macht: Fast alle Sponsoren- und Spielerverträge laufen auch im Abstiegsfall weiter. Hauptsponsor Mercedes-Benz-Bank verlängerte seinen Vetrag erst vergangene Woche bis 2023.
Ein weiterer Grund also, für die Akteure in Berlin alles rauszuhauen, geht es für sie doch ansonsten im kommenden Jahr unter anderem nach Regensburg, Aue oder – wohl am schlimmsten für alle VfB-Fans – auch gegen den Karlsruher SC.
Über diese Auswärtsreisen der Bad Cannstatter würde sich sicherlich der 1. FC Union Berlin freuen. Würde das doch bedeuten, dass die Köpenicker den ersehnten erstmaligen Sprung in die Bundesliga geschafft haben. „Ich bleibe bei der Meinung: Favorit bleibt Stuttgart“, sagte Unions Trainer Urs Fischer. Man habe im Hinspiel „gesehen, wie hoch die Qualität ist“.
Union hat als heimstärkstes Team der 2. Liga diese Saison erst ein Spiel vor eigener Kulisse verloren, ließ 14mal kein Gegentor zu. Stuttgart holte gerade einmal sechs Auswärtspunkte, konnte nur einmal auf fremdem Christian Gentner Platz gewinnen. Und reicht den Berlinern schon ein torloses Unentschieden oder ein 1:1, die Stuttgarter müssen hingegen von Beginn an auf Sieg spielen.
Selbst Willig, der um Daniel Didavi (muskuläre Probleme) bangt, dafür aber den lange gesperrten Santiago Ascacibar wieder zur Verfügung hat, sieht den Zweitligisten inzwischen „im Vorteil“: „Wir haben aber ein Finale vor uns. Es wird davon abhängen, wer in dieser Drucksituation, in diesem Wissen, um was es geht, die bessere Leistung abruft“, sagte er.
Der VfB wäre erst der sechste Bundesligist, der bei der 21. Austragung in der Relegation scheitern würde. „Das hat uns alles nicht zu interessieren“, sagte Torwart Ron-Robert Zieler. „Wir sind definitiv in der Lage, dort zu gewinnen. Wir sind der Bundesligist.“
Den Beweis dafür blieben die Stuttgarter im ersten Duell allerdings schuldig. Entsprechend forderte Willig „mehr Mut, mehr Aggressivität. Wir müssen agiler sein, sonst haben wir keine Chance.“
Dafür können zumindest von außen die Anhänger sorgen. Nach Berlin-Köpenick werden gut 2000 VfBFans mitreisen. Dann hoffen die Stuttgarter Profis zumindest für 90 oder 120 Minuten auf die Unterstützung ihrer teils vergrätzten Anhänger – und noch mehr auf einen halbwegs versönlichen Saisonabschluss. Ohne Abstiegstränen. Tuchel verlängert in Paris: Trainer Thomas Tuchel hat seinen Vertrag bei Paris St. Germain vorzeitig um ein Jahr bis 2021 verlängert. „Thomas bringt eine fantastische Energie in das tägliche Leben des Clubs“, sagte Club-Boss Nasser Al-Khelaifi, dem Tuchel den Champions-League-Titel so bald wie möglich präsentieren soll. In dieser Saison kam das Aus im Achtelfinale. „Ich danke dem gesamten Cub für das Vertrauen in mich und mein Team“, sagte Tuchel, der seit dem vergangenen Jahr bei PSG unter Vertrag steht: „Dies verstärkt nur meine Ambitionen, das Team durch harte Arbeit an die Spitze zu bringen. Ich bin sicher, dass das Beste für unseren Verein noch kommen wird.“ Marta verletzt sich im WM-Trainingslager: Die brasilianischen Fußball-Frauen bangen knapp zwei Wochen vor dem Start der WM in Frankreich vom 7. Juni bis zum 7. Juli um ihren Superstar Marta. Bei der Weltfußballerin des Jahres wurde ein Faserriss im hinteren Beugemuskel des linken Beines diagnostiziert. Laut Verband CBF muss die 33Jährige mindestens eine Woche mit dem Mannschaftstraining aussetzen. Marta hatte sich die Verletzung im portugiesischen Trainingslager Portimao zugezogen.
„Montagabend ist immer noch genug Zeit zu jammern und zu weinen, wenn es schiefgehen sollte.“