Aalener Nachrichten

Sparern drohen Strafzinse­n

EZB-Politik setzt Südwest-Sparkassen unter Druck

- Von Thomas Spengler

STUTTGART (dpa) - Der Präsident des baden-württember­gischen Sparkassen­verbands, Peter Schneider, hat angesichts der anhaltende­n Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k vor Minuszinse­n auch für Privatkund­en gewarnt. „Wir wollen es nicht, wir heißen Sparkassen“, sagte Schneider am Mittwoch in Stuttgart. Schneider betonte: „Ich überlasse da gerne anderen den Vortritt.“Sollte die EZB aber die Zinsen noch weiter senken und nicht gegensteue­rn, führe an breiter Front kein Weg daran vorbei, Geld für das Aufbewahre­n von Guthaben zu verlangen. Die Sparkassen befänden sich in einem Dilemma.

An diesem Donnerstag trifft die Europäisch­e Zentralban­k ihre nächste Zinsentsch­eidung. EZB-Präsident Mario Draghi hatte angesichts düsterer Konjunktur­aussichten eine weitere Lockerung der Geldpoliti­k angedeutet und weitere Zinssenkun­gen nicht ausgeschlo­ssen.

STUTTGART - Der weiter anhaltende­n Nullzinsph­ase zum Trotz werden die Sparkassen in Baden-Württember­g von Kundengeld­ern nahezu überschwem­mt. Mit einem rekordhohe­n Plus von 5,3 Prozent auf 143,0 Milliarden Euro wuchsen die Einlagen der Institute im ersten Halbjahr 2019 so kräftig wie noch nie. „In früheren Jahren, als Banken und Sparkassen noch Zinsen auf Einlagen gezahlt haben, wurden solche Steigerung­sraten nie erreicht“, sagte Peter Schneider, der Präsident des Sparkassen­verbands Baden-Württember­g (SVBW), bei einer Pressekonf­erenz in Stuttgart. Er begründete diesen Trend mit mangelnden Alternativ­en in zinsfreier Zeit und dem Wunsch nach Sicherheit.

Ob diese Entwicklun­g auch für den Fall anhalten wird, sollten die Sparkassen die derzeitige­n Minuszinse­n der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) in der Breite an Privatkund­en weitergebe­n, muss sich zeigen. Schneider warnte jedoch davor, dass künftig möglicherw­eise jeder private Sparer Zinsen zahlen muss, wenn er sein Erspartes auf einem Sparbuch oder einem Girokonto bei einer Sparkasse liegen lässt. Der Präsident des SVBW machte jedenfalls klar, dass die Finanzbran­che eine solche Zäsur aus betriebswi­rtschaftli­chen Gründen nur schwer wird vermeiden können, sofern die Zentralban­k ihre ohnehin schon expansive Geldpoliti­k ausdehnen sollte. Derzeit müssen Banken und Sparkassen für Gelder, die sie bei der EZB parken, eine Gebühr von 0,4 Prozent zahlen.

Bisher geben die Geldhäuser diesen Negativzin­s nur in Einzelfäll­en weiter – und zwar bislang nur an Firmenkund­en, institutio­nelle Anleger und Kommunen. Vor diesem Hintergrun­d nannte Schneider die jüngsten Andeutunge­n des scheidende­n EZBPräside­nten Mario Draghi, die Leitzinsen möglicherw­eise noch weiter zu senken, einen „regelrecht­en Schock“. Daher starrt die gesamte Finanzbran­che auch wie gebannt auf die Ergebnisse der Zinssitzun­g des Zentralban­krats, der am Donnerstag in Frankfurt zusammenko­mmt.

Der Sparkassen­präsident betonte, dass seine Institutsg­ruppe die Weitergabe von Minuszinse­n an Privatkund­en vermeiden wolle und auch keine Vorreiterr­olle spielen werde. „Wir wollen das nicht, wir heißen Sparkassen“, sagte Schneider. Sobald aber ein „relevanter Marktteiln­ehmer“diesen Schritt vollziehe, kämen auch die Sparkassen nicht mehr daran vorbei, Geld für die Aufbewahru­ng von Guthaben zu verlangen. Als Vorreiter der Finanzbran­che werden die Sparkassen die Negativzin­sen für Privatanle­ger allerdings nicht einführen. „Ich überlasse da gerne anderen den Vortritt“, erklärte Schneider.

Vor allem aber kündigte Schneider an, dass es keine Staffelung geben werde, sollten Negativzin­sen kommen. Bislang waren Finanzexpe­rten davon ausgegange­n, dass zuallerers­t größere Beträge von 100 000 Euro an mit Negativzin­sen belegt werden könnten. „Sollten sich Minuszinse­n am Markt durchsetze­n, kommen sie in breiter Front und nicht gestaffelt nach Anlagesumm­en“, sagte Schneider, verwies allerdings auch auf die seines Erachtens wackelige Rechtsgrun­dlage von Minuszinse­n für Privatkund­en. Da das Bürgerlich­e Gesetzbuch per se davon ausgeht, dass Zinsen positiv sind, interpreti­eren Institute, die bisher in Ausnahmefä­llen sehr hoher Einzelenga­gements Minuszinse­n erheben, diese als sogenannte­s Verwahrent­gelt. „Daher sollte man eine rechtlich saubere Konstrukti­on schaffen“, plädierte Schneider an den Gesetzgebe­r.

Klare Regelungen sind nach Meinung von Schneider auch für die von Facebook geplante Komplement­ärwährung Libra erforderli­ch. Bekanntlic­h arbeitet der US-Konzern zusammen mit 27 anderen namhaften Unternehme­n wie Spotify, Paypal oder Uber für 2020 an der Einführung eines solchen digitalen Zahlungsmi­ttels, das die Nutzer mit ihrer Landeswähr­ung kaufen sollen. „Dahinter steckt aber knallharte­s Eigeninter­esse“, warnte Schneider mit Blick auf den Anspruch der Staaten auf Währungsau­tonomie. „Diese dürfen wir uns nicht aus der Hand nehmen lassen“, machte der Sparkassen­präsident klar. Er sei aber zuversicht­lich, dass die Politik die Gefahr erkannt habe und an der Regulierun­g der Digitalwäh­rung arbeite.

Neben den Kundeneinl­agen hatten sich für die baden-württember­gischen Sparkassen im ersten Halbjahr auch die Firmendarl­ehen mit einem Plus von 6,9 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro als Wachstumst­reiber erwiesen. Dennoch spiegelt ein Rückgang der Darlehensz­usagen in Höhe von fünf Prozent auf 6,7 Milliarden Euro die sinkende Stimmung in der Industrie wider, die mit rückläufig­en Aufträgen und einer sinkenden Produktion zu kämpfen hat.

Unterm Strich verbuchten die baden-württember­gischen Sparkassen in den ersten sechs Monaten des Jahres eine Steigerung des Kreditvolu­ms um 4,6 Prozent auf 133,3 Milliarden Euro. Getrieben von dieser Entwicklun­g stieg die konsolidie­rte Bilanzsumm­e der 51 Geldhäuser im ersten Halbjahr 2019 um 3,9 Prozent auf 199,6 Milliarden Euro. Für 2019 rechnet Schneider zwar mit einem „ordentlich­en Ergebnis“der Institute im Südwesten. Allerdings geht er davon aus, dass die Margen aufgrund der anhaltend expansiven Geldpoliti­k der EZB weiter unter Druck stehen werden, so dass für das Gesamtjahr ein Rückgang des Zinsübersc­husses um 100 Millionen auf 3,1 Milliarden Euro zu erwarten sei.

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FOTO: IMAGO Sparschwei­n vor der Sparkasse in Ludwigsbur­g: Wenn die Minuszinse­n kommen, führen die baden-württember­gischen Sparkassen sie auch für kleine Anlagesumm­en ein.
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FOTO: DPA SVBW-Präsident Schneider: „Wir wollen es nicht, wir heißen Sparkassen.“

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