Aalener Nachrichten

Zuflucht für die Verlierer

Kraftvoll und berührend: Ein Bibliothek­ar kämpft in „Ein ganz gewöhnlich­er Held“für Obdachlose

- Von Andrea Barthélémy

Ein verschrobe­ner Bibliothek­ar, ein paar Dutzend obdachlose Männer und eine öffentlich­e Bücherei: Ungewöhnli­che Stars für einen ungewöhnli­chen Film, durch den der eisige Winterwind von Cincinnati zieht. Doch Regisseur Emilio Estevez kreiert aus dieser auf den ersten Blick nicht gerade hitverdäch­tigen Mischung eine kraftvolle und zu Herzen gehende Geschichte – die nicht weniger als den Zustand der Demokratie in den USA verhandelt.

Estevez selbst spielt darin überzeugen­d verhalten die Hauptrolle: Stuart, einen Mitarbeite­r der öffentlich­en Bibliothek in Cincinnati, der sich zusammen mit der jungen Kollegin Myra (Jena Malone) engagiert um die Büchereibe­sucher kümmert. Und das tun die beiden nicht nur mit ihrem Fachwissen. Denn zu den Stammgäste­n gehören viele Menschen ohne festen Wohnsitz, wie in unzähligen anderen US-Städten: Für die Obdachlose­n wird die Bibliothek zum Zufluchtso­rt,

an dem es warm und sicher ist, an dem es umsonst Zugang zu Informatio­nen, Büchern oder einem Computer gibt.

„Die öffentlich­e Bibliothek ist die letzte Bastion der Demokratie“, heißt es an einer Stelle. Die Lage in Cincinnati spitzt sich zu, als es jede Nacht neue Kältetote gibt. Eines Abends weigern sich die Obdachlose­n um den charismati­schen Schwarzen Jackson (Michael Kenneth Williams) deshalb, die Bücherei zu verlassen – und Stuart muss Partei ergreifen. Sein Zögern und schließlic­h sein Einstehen für die Männer erschließe­n sich, als Stuart mehr über seine eigene gebrochene Geschichte preisgibt. Von der sagt er: „Bücher haben mein Leben gerettet.“

Zusammen mit den Obdachlose­n verbarrika­dieren sich Stuart und Myra in einer Bibliothek­s-Etage. Als ein Polizeikom­mando anrückt, droht die Situation zu eskalieren. Denn Staatsanwa­lt Josh Davis (Christian Slater) sieht die Möglichkei­t, sich als Kandidat für Recht und Ordnung zu profiliere­n. Mit dem Polizeiins­pektor Bill Ramstead (Alec Baldwin) will er zum Schein Verhandlun­gen führen.

Die Geschichte balanciert mutig auf der Grenze zwischen nuancierte­m Indie-Film und großem, plakativem Kino. Dass sie nicht abstürzt, ist vor allem dem Gespür von Estevez zu verdanken. Und der großartige­n Lösung, die sein Stuart beim Showdown findet, um den Benachteil­igten der US-Gesellscha­ft eine laute Stimme zu geben. (dpa) Ein ganz gewöhnlich­er Held. Regie: Emilio Estevez. Mit Emilio Estevez, Jena Malone, Alec Baldwin, Christian Slater. USA 2019. 119 Minuten. FSK ab 6.

 ?? FOTO: DPA ?? In den kalten Wintern von Cincinnati wird die öffentlich­e Bücherei Zufluchtso­rt für Obdachlose wie Jackson (Michael Kenneth Williams, links). Deren Leiter Stuart (Emilio Estevez, rechts) gerät dadurch unter Druck.
FOTO: DPA In den kalten Wintern von Cincinnati wird die öffentlich­e Bücherei Zufluchtso­rt für Obdachlose wie Jackson (Michael Kenneth Williams, links). Deren Leiter Stuart (Emilio Estevez, rechts) gerät dadurch unter Druck.

Newspapers in German

Newspapers from Germany