Zuflucht für die Verlierer
Kraftvoll und berührend: Ein Bibliothekar kämpft in „Ein ganz gewöhnlicher Held“für Obdachlose
Ein verschrobener Bibliothekar, ein paar Dutzend obdachlose Männer und eine öffentliche Bücherei: Ungewöhnliche Stars für einen ungewöhnlichen Film, durch den der eisige Winterwind von Cincinnati zieht. Doch Regisseur Emilio Estevez kreiert aus dieser auf den ersten Blick nicht gerade hitverdächtigen Mischung eine kraftvolle und zu Herzen gehende Geschichte – die nicht weniger als den Zustand der Demokratie in den USA verhandelt.
Estevez selbst spielt darin überzeugend verhalten die Hauptrolle: Stuart, einen Mitarbeiter der öffentlichen Bibliothek in Cincinnati, der sich zusammen mit der jungen Kollegin Myra (Jena Malone) engagiert um die Büchereibesucher kümmert. Und das tun die beiden nicht nur mit ihrem Fachwissen. Denn zu den Stammgästen gehören viele Menschen ohne festen Wohnsitz, wie in unzähligen anderen US-Städten: Für die Obdachlosen wird die Bibliothek zum Zufluchtsort,
an dem es warm und sicher ist, an dem es umsonst Zugang zu Informationen, Büchern oder einem Computer gibt.
„Die öffentliche Bibliothek ist die letzte Bastion der Demokratie“, heißt es an einer Stelle. Die Lage in Cincinnati spitzt sich zu, als es jede Nacht neue Kältetote gibt. Eines Abends weigern sich die Obdachlosen um den charismatischen Schwarzen Jackson (Michael Kenneth Williams) deshalb, die Bücherei zu verlassen – und Stuart muss Partei ergreifen. Sein Zögern und schließlich sein Einstehen für die Männer erschließen sich, als Stuart mehr über seine eigene gebrochene Geschichte preisgibt. Von der sagt er: „Bücher haben mein Leben gerettet.“
Zusammen mit den Obdachlosen verbarrikadieren sich Stuart und Myra in einer Bibliotheks-Etage. Als ein Polizeikommando anrückt, droht die Situation zu eskalieren. Denn Staatsanwalt Josh Davis (Christian Slater) sieht die Möglichkeit, sich als Kandidat für Recht und Ordnung zu profilieren. Mit dem Polizeiinspektor Bill Ramstead (Alec Baldwin) will er zum Schein Verhandlungen führen.
Die Geschichte balanciert mutig auf der Grenze zwischen nuanciertem Indie-Film und großem, plakativem Kino. Dass sie nicht abstürzt, ist vor allem dem Gespür von Estevez zu verdanken. Und der großartigen Lösung, die sein Stuart beim Showdown findet, um den Benachteiligten der US-Gesellschaft eine laute Stimme zu geben. (dpa) Ein ganz gewöhnlicher Held. Regie: Emilio Estevez. Mit Emilio Estevez, Jena Malone, Alec Baldwin, Christian Slater. USA 2019. 119 Minuten. FSK ab 6.