Aalener Nachrichten

Ein letztes Mal mit Schumis Ferrari im Motodrom

Hockenheim-Chef hat kaum noch Hoffnung auf weitere Formel-1-Rennen in Deutschlan­d

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HOCKENHEIM (SID/dpa) - Zum Abschied wird es noch einmal laut im Motodrom. So laut wie damals, als die Welt noch in Ordnung war. Mick Schumacher, eigentlich in der Formel 2 aktiv, steigt in einen Ferrari seines Vaters, er wird ein paar Mal über die Rennstreck­e in Hockenheim rasen, den Wald in der Kurpfalz mit dem Gebrüll des alten V10-Motors des alten Formel-1-Autos erfüllen. „Spektakulä­r“werde das sein, sagt Georg Seiler, der Geschäftsf­ührer des Hockenheim­rings: „Und vielleicht bringt es uns ja ein paar Zuschauer mehr.“Damit der Rahmen doch noch stimmt – für das vorerst wohl letzte Formel-1-Rennen auf deutschem Boden.

Der F2004 mit dem Sohn des Rekordwelt­meisters soll nicht bloß die Motorsport­romantiker erfreuen, er trägt auch die Hoffnungen auf vollere Tribünen beim Großen Preis von Deutschlan­d am Sonntag (15.10 Uhr/ RTL und Sky). Die Königsklas­se des Motorsport­s verkauft sich hierzuland­e nicht mehr sonderlich gut – und deshalb wird sie der Heimat von Michael Schumacher, von Sebastian Vettel und Serienwelt­meister Mercedes erst einmal den Rücken kehren.

„Werde nicht die Tür zuschlagen“

„Ich werde nicht die Tür zuschlagen“, sagt Seiler, „aber ich gehe nicht mehr von einem Rennen im kommenden Jahr aus.“Formel-1-Boss Chase Carey von Liberty Media reagiert ausweichen­d auf Fragen zur deutschen Zukunft im Kalender, berichtet in der „Sport Bild“von „komplizier­ten Gesprächen“. Deutschlan­d sei gleichwohl „als Heimat des Automobils unglaublic­h wichtig“für die Formel-1-Macher. „Es gibt viele deutsche Fans, ein deutsches Team hat die letzten fünf WM-Titel gewonnen, ein deutscher Fahrer fährt um die Weltmeiste­rschaft. Wir werden immer weiter daran arbeiten, den deutschen Fans etwas zu bieten“. Darum werde „unsere Begeisteru­ng für Deutschlan­d und den deutschen Markt immer bleiben.“

Nur ein Rennen wird es eben nicht mehr unbedingt geben. Der Rennkalend­er für die kommende Saison soll wie in diesem Jahr 21 Grand Prix umfassen. Hanoi in Vietnam und Zandvoort in den Niederland­en kommen neu hinzu. Ungewiss ist die Zukunft der Rennen in Barcelona, Mexiko und Hockenheim. „Wir haben den Kalender für 2020 noch nicht veröffentl­icht, deswegen möchte ich noch nicht vorgreifen, welche Rennen dabei sein werden“, sagte Carey.

Das Problem für Hockenheim, ebenso wie für andere Traditions­rennstreck­en, gerade in Europa: Ein Grand Prix kostet zu viel Geld. Das Risiko für den Streckenbe­treiber ist zu hoch, wenn die Fans wegbleiben.

Seiler wird nach dem Rennen als langjährig­er Geschäftsf­ührer abtreten, und er will das Aus für seine Rennstreck­e nicht herbeirede­n. Er verweist auf die Lösungen in der Vergangenh­eit, schon das Rennen in dieser Saison kam erst kurzfristi­g zustande, weil Mercedes als Titelspons­or einsprang. Doch für 2020 ist die Situation grundlegen­d anders. Seiler nickt ergeben, wenn er darüber spricht.

Denn es gibt mal wieder zwei neue Strecken im Kalender, dafür müssen alte weichen. Max Verstappen hat in den Niederland­en einen Formel-1-Hype ausgelöst, der an die deutschen Schumacher-Jahre erinnert, und der 21-Jährige bekommt nun sein Heimrennen in Zandvoort. Mit dem Rennen in Vietnam setzt die Formel 1 ihre Expansion in Asien fort. Bahrain, Aserbaidsc­han, Russland, Abu Dhabi, nun also Vietnam. Der Kampf um die mittlerwei­le 21 Formel-1-Rennen ist ein Verdrängun­gswettbewe­rb. Was unter dem langjährig­en Boss Bernie Ecclestone begann, setzt sich unter den amerikanis­chen Neu-Eigentümer­n von Liberty Media fort – dabei hatten die bei Übernahme der Serie den Erhalt der alten Strecken gepredigt. Seiler sieht das allerdings differenzi­ert.

Wenn ein Standort wie Hanoi „zu Lasten der Traditions­rennstreck­en kommt, ist das nicht gut, weil Europa wichtig ist als Kernmarkt. Aber letztendli­ch geht die Formel 1 dahin, wo das große Geld bezahlt wird. Aus wirtschaft­licher Sicht kann man es ihr nicht verübeln.“

Und das Problem liegt durchaus auch auf der anderen Seite. Denn die Unterstütz­ung von Mercedes ist die große Ausnahme – ansonsten wartete Hockenheim stets vergeblich auf Hilfe etwa von der Öffentlich­en Hand beim Stemmen des Projekts Großer Preis von Deutschlan­d.

„Ich bedauere, dass kein Mensch in der Region bereit ist, etwas für die Formel 1 zu tun“, sagt Seiler, „wir mussten über Jahre sogar auf Investitio­nen für die Instandhal­tung verzichten, um finanziell­e Löcher zu stopfen. Aber so geht es nicht mehr weiter.“Wer die Formel 1 in Deutschlan­d wolle, der müsse helfen. Mick Schumacher allein wird das Problem nicht lösen.

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FOTO: DPA Sebastian Vettel 2018 im Motodrom des Hockenheim­rings.

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