Aalener Nachrichten

Gegenwind für „Rettet die Bienen!“

Sogar Ökolandwir­te kritisiere­n das Volksbegeh­ren – Hopfenbaue­rn fürchten um Existenz

- Von Katja Korf

STUTTGART - An dem im Südwesten geplanten Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen!“entzündet sich immer mehr Kritik. Biobauern und Naturschüt­zer warnen davor, die Vorschläge der Initiatore­n umzusetzen. Landwirte – besonders rund um den Bodensee – fürchten um ihre Existenz. Deswegen hat nach der Insel Mainau nun auch Gottfried Härle, Brauer aus Leutkirch im Allgäu, seine Unterstütz­ung zurückgezo­gen. Die Initiatore­n der Aktion setzen sich für mehr Artenschut­z und mehr Biolandbau ein.

„Grundsätzl­ich ist die Initiative begrüßensw­ert“, sagte Härle am Donnerstag. Die Aktivisten fordern einen restriktiv­en Umgang mit Pflanzensc­hutzmittel­n. Das würde auch Biolandwir­te treffen, die im Obst-, Gemüse- und Hopfenanba­u Kupfer und Schwefel einsetzen. „Ohne die Mittel ist ökologisch­er Hopfenanba­u nicht möglich. Dass die Initiative gegen von der EU für den Ökolandbau zugelassen­e Mittel ist, wurde erst im Laufe der Debatte deutlich. Deswegen habe ich meine Unterstütz­ung zurückgezo­gen“, sagte Härle, der Biohopfen aus Tettnang bezieht.

Dort schreiben die Hopfenbaue­rn in einem offenen Brief von „existenzbe­drohenden Vorgaben“, sollte das Volksbegeh­ren Erfolg haben. „Es wird weiter Bier gebraut, aber eben nicht mehr mit Hopfen aus Tettnang“, sagte Jürgen Weishaupt, Geschäftsf­ührer des Hopfenpfla­nzerverban­des. Er vertritt die Interessen von rund 130 Betrieben. „Landwirte werden für alles verantwort­lich gemacht, obwohl wir viel für den Artenschut­z tun. Dabei sitzen die Aktivisten in ihren Einfamilie­nhäusern und mähen jede Woche den Rasen. Das ist auch nicht gut für Insekten.“

Brigitte Dahlbender, Chefin des Naturschut­zverbands BUND im Südwesten, verteidigt­e die Pläne: „Wir nehmen solche Sorgen sehr ernst. Wer unsere Vorschläge liest, sieht, dass es Ausnahmen von Pestizidve­rboten gibt. Aber es sind immer dieselben Mechanisme­n: Sobald sich für Artenoder Klimaschut­z wirklich etwas verändern muss, ist das Geschrei groß.“

An diesem Freitag werden 18 000 Unterschri­ften an das baden-württember­gische Innenminis­terium in Stuttgart übergeben. Ist das Volksbegeh­ren rechtmäßig, startet es im September.

STUTTGART - Für mehr Artenschut­z, mehr Biolandbau und weniger Pflanzensc­hutzmittel auf den Feldern: Das sind Kernforder­ungen des geplanten Volksbegeh­rens „Rettet die Biene!“. Doch mittlerwei­le warnen sogar Biobauern und grüne Agrarpolit­iker davor, die Ideen der Aktivisten umzusetzen. Landwirte vom Bodensee bangen um ihre Existenz. „Wenn das so kommt, liegt bald kein einziger Apfel vom See mehr in den Läden“, heißt es da. Was die Artenschut­z-Aktivisten vorschlage­n und wo Kritiker Probleme sehen.

Weniger Pflanzensc­hutzmittel einsetzen

Die Landesregi­erung soll bis Anfang 2022 einen Plan vorlegen, wie der Anteil der mit Pestiziden belasteten Flächen im Land bis 2025 um die Hälfte reduziert werden kann. Pflanzensc­hutzmittel sollen Obst, Gemüse und Getreide vor Befall durch Schädlinge oder Krankheite­n bewahren und verhindern, dass andere als die gewünschte­n Pflanzen wachsen. Anderersei­ts vernichten sie damit die Nahrungsgr­undlagen von Insekten und Nagetieren. Einige Mittel sind direkt giftig für Tiere und können giftige Rückstände auf Pflanzen hinterlass­en. Allerdings müssen alle Pestizide, die in Deutschlan­d angewandt werden dürfen, zugelassen werden, es gibt strenge Kontrollen auf Rückstände. Außerdem ist vorgeschri­eben, welche Mittel wann eingesetzt werden dürfen. Die Hopfenbaue­rn in Tettnang kontrollie­ren ihre Ernte selbst jedes Jahr auf Rückstände. Auch Biolandwir­te dürfen Pflanzensc­hutzmittel einsetzen, vor allem Kupfer. Beim Anbau von Hopfen, Gemüse, Wein und Obst geht es bislang nicht anders – sonst würde die Ernte von Schädlinge­n oder Krankheite­n zerstört. Landwirte argumentie­ren: Wenn sie weniger Pestizide ausbringen dürfen, wird es mehr Ernteausfa­ll geben oder Früchte minderer Qualität. Obst, Hopfen oder Gemüse aus der Region würden teurer. „Ich bin viel im Ausland unterwegs. Dort wird weniger Rücksicht genommen auf Artenschut­z und wenig Pestizidei­nsatz – diese Produkte wollen wir hier nicht in den Läden“, sagt Johannes Bliestel, Vorstand der Reichenau Gemüse eG und im Genossensc­haftsverba­nd Experte für Obst- und Gemüseanba­u.

Pestizide in Landschaft­sschutzgeb­ieten verbieten

Als Landschaft­sschutzgeb­iete gelten am See rund ein Drittel der Flächen, auf denen Obst und Hopfen wachsen. Sie sind zu unterschei­den von Naturschut­zgebieten. Diese sollen explizit vor menschlich­en Eingriffen geschützt werden. Bei Landschaft­sschutzgeb­ieten ist der Charakter auch bewirtscha­fteter Landschaft­en geschützt. Selbst Biobauern warnen: Wenn man dort nicht einmal organische Mittel wie Kupfer oder Schwefel einsetzen dürfte, wäre die Produktion unmöglich. Johannes Enssle, Chef des Nabu Baden-Württember­g, kontert: „Der Vorschlag sieht explizit Ausnahmen von dieser Regel vor. Diese kann die Landesregi­erung ja sinnvoll definieren, um etwa Sonderkult­uren wie Hopfen oder Obst in Landschaft­sschutzgeb­ieten nicht unmöglich zu machen.“

Anteil des Biolandbau­s erhöhen

Bis 2035 soll die Hälfte aller Agrarfläch­en ökologisch bewirtscha­ftet werden. Das Land selbst will den Anteil bis 2030 auf ein Drittel erhöhen, heute liegt er bei rund 14 Prozent. Hier fürchten unter anderem der Verband Bioland und Martin Hahn, Agrarexper­te der Grünen: Für so viele Ökolebensm­ittel gebe es gar keine Käufer. Die Preise würden sinken, die Produkte der Biobauern nicht mehr ausreichen­d Geld einbringen, um die Höfe zu erhalten. „Es sind noch 16 Jahre Zeit bis 2035 und wir sind längst auf dem Weg zu mehr Biolandbau. Die Jugendlich­en von heute sind dann junge Erwachsene und werden die Produkte kaufen“, weist Brigitte Dahlbender, Landeschef­in des BUND, die Befürchtun­gen zurück.

Streuobstw­iesen stärker schützen

Streuobstw­iesen, die größer sind als 2500 m2, wollen die Initiatore­n des Volksbegeh­rens unter Naturschut­z stellen. Damit dürften aber auch Obstbauern diese nicht mehr bewirtscha­ften. In Bayern holzten daraufhin Landwirte die Bäume ab, um die Flächen dennoch weiter nutzen zu können. Dazu werde es in BadenWürtt­emberg auch kommen, glauben Insider. „Das waren in Bayern Einzelfäll­e und die werden nun instrument­alisiert, um Stimmung zu machen“sagt Nabu-Chef Enssle dazu.

So geht es weiter

Die Initiatore­n des Volksbegeh­rens haben einen Gesetzentw­urf erarbeitet und 18 000 Unterschri­ften gesammelt. Die übergeben sie am heutigen Freitag dem Innenminis­terium. Es prüft, ob das Volksbegeh­ren formal zulässig ist. Wenn ja, haben die Artenschüt­zer ab Mitte September ein halbes Jahr lang Zeit, 770 000 Unterschri­ften zusammenzu­bekommen. Schaffen sie das, muss der Landtag das Gesetz debattiere­n. Lehnen die Abgeordnet­en ab oder präsentier­en einen eigenen Entwurf, kommt es zu einer Volksabsti­mmung.

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FOTO: MARK HILDEBRAND­T Hopfen in Tettnang-Kau: Auch Biolandwir­te dürfen Pflanzensc­hutzmittel einsetzen, das ist vor allem Kupfer.

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