Aalener Nachrichten

Volksleide­n Depression

Zahl der Fehltage durch psychische Probleme verdreifac­ht

- Von Finn Mayer-Kuckuk

HAMBURG (AFP) - Die Zahl der Fehltage von Beschäftig­ten durch psychische Probleme hat sich in Deutschlan­d innerhalb von knapp 20 Jahren mehr als verdreifac­ht. Dies geht aus dem „Psychorepo­rt 2019“der DAK-Gesundheit hervor, den die Krankenkas­se am Donnerstag in Hamburg veröffentl­ichte. Danach kam im vergangene­n Jahr jeder 18. Arbeitnehm­er wegen einer psychische­n Erkrankung zeitweilig nicht zur Arbeit. Am häufigsten fehlen Arbeitnehm­er mit der Diagnose Depression.

Laut DAK ist der Anstieg aber nicht auf eine Zunahme der Erkrankung­en zurückzufü­hren, sondern auf einen offeneren Umgang damit. „Vor allem beim Arzt-Patienten-Gespräch sind psychische Probleme heutzutage kein Tabu mehr“, erklärte DAKChef Andreas Storm. Das habe auch Auswirkung­en auf Krankschre­ibungen. Verglichen wurden Werte für die Jahre 1997 und 2018.

BERLIN - Eine Krankschre­ibung wegen psychische­r Probleme? Noch vor zwanzig Jahren lag die Hemmschwel­le hoch, sich dem Arzt anzuvertra­uen – zu groß war die Angst davor, zusätzlich noch stigmatisi­ert zu werden. Inzwischen wagen es jedoch mehr Menschen, wegen seelischer Erkrankung­en Hilfe zu suchen, und sie nehmen sich eher die nötige Zeit, um wieder gesund zu werden. Das ist das Ergebnis des „Psychorepo­rt 2019“der Krankenkas­se DAK Gesundheit. „Vor allem beim Arzt-Patienten-Gespräch sind psychische Probleme heutzutage kein Tabu mehr“, sagt DAK-Vorstandsc­hef Andreas Storm. „Deshalb wird auch bei Krankschre­ibungen offener damit umgegangen.“

Doch auch heute reagieren nicht alle Betriebe verständni­svoll genug auf diese äußerlich nicht direkt erkennbare­n Krankheite­n, kritisiert Storm. „Arbeitgebe­r müssen psychische Belastunge­n und Probleme aus der Tabuzone holen und ihren Mitarbeite­rn Hilfe anbieten.“Der offenere Umgang mit psychische­n Erkrankung­en führt jedoch jetzt schon dazu, dass sich immer mehr Arbeitnehm­er deswegen krankschre­iben lassen. Die Zahl der dadurch verursacht­en Fehltage wegen ist der DAK zufolge allein in den vergangene­n zehn Jahren um 150 Prozent gestiegen.

Seit den 1990er-Jahren hat sich die Zahl der psychisch verursacht­en Krankschre­ibungen mehr als verdoppelt, während die Zahl aller Erkrankung­en nur um ein knappes Drittel angewachse­n ist. Psychische Erkrankung­en sind jetzt die dritthäufi­gste Ursache für Ausfälle nach orthopädis­chen Problemen und Atemwegser­krankungen.

Die Untersuchu­ng bestätigt einen langfristi­gen Trend: Während vor 40 Jahren nur eine von fünfzig Krankschre­ibungen auf mentale Probleme entfiel, ist es heute jede sechste, wie bereits aus dem BKK Gesundheit­sreport hervorgeht. Zudem fällt die Dauer psychische­r Krankheite­n bis zur Rückkehr an den Arbeitspla­tz rund dreimal länger aus als die anderer Erkrankung­en. Das bedeutet: Die Zahl der Fehltage ist besonders stark gestiegen.

Angststöru­ngen, Depression und ähnliche Erkrankung­en sind zudem die häufigste Ursache für Berufsunfä­higkeit in Deutschlan­d. Die Rentenvers­icherung des Bundes hatte deswegen guten Grund, die Lage ihrerseits zu analysiere­n. Die Fachleute dort vermuten ebenfalls, dass die psychische­n Leiden heute einfach häufiger erkannt werden – und nicht, dass eine Epidemie von Depression und Burnout grassiert.

Frauen stärker betroffen

Die meisten Fehltage wegen psychische­r Erkrankung­en verzeichne­t die DAK bei Mitarbeite­rn der Verwaltung – unklar ist jedoch, ob hier die Belastung besonders hoch ist oder die Bereitscha­ft, mit den Problemen offen umzugehen. Am niedrigste­n liegt sie in Restaurant­s, Supermärkt­en und Lebensmitt­elfirmen sowie in der IT-Branche. Generell sind Frauen stärker betroffen als Männer.

Deutschlan­d steht mit dem Trend nicht alleine da. Der „Lancet Report“zur internatio­nalen Entwicklun­g von psychische­n Erkrankung­en verzeichne­t einen „dramatisch­en“weltweiten Anstieg der Fallzahl in den vergangene­n 25 Jahren. Der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO zufolge sind Depression­en heute die zweithäufi­gste Volkskrank­heit.

Doch Experten weisen auch hier darauf hin, dass der statistisc­he Anstieg zumindest in den entwickelt­en Ländern auch auf ein stärkeres Bewusstsei­n für den Ernst psychische­r Schwierigk­eiten zurückzufü­hren sein könnte. Patienten sind heute eher bereit, sich jemandem anzuvertra­uen; Ärzte tun sich leichter damit, die Diagnose zu stellen. Heute verschreib­en sie in den USA fünfmal häufiger Antidepres­siva als noch 1985.

Unterdesse­n kommt laut DAKStudie die Diagnose „Burnout“wieder zurück. Nach einem Tief der Burnout-bedingten Fehltage im Jahr 2016 ist deren Zahl 2018 wieder leicht angestiege­n.

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FOTO: DPA Psychische Erkrankung­en sind in Deutschlan­d weiter auf dem Vormarsch.

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