Johnson will Britannien wieder groß machen
LONDON (sbo) - Den ersten Auftritt des neuen britischen Premierministers Boris Johnson im Londoner Unterhaus hat die Opposition am Donnerstag zu einer Abrechnung mit der konservativen Regierung genutzt. „Die Briten wollen kein Vasallenstaat der USA werden“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn: Der vom „Kabinett der harten Rechten“angepeilte EU-Austritt ohne Vereinbarung („No Deal“) sei verantwortungslos, die Drohung mit verweigerten Zahlungen in die Brüsseler Kasse wertlos. „Er ist der letzte Premierminister des Vereinigten Königreiches“, höhnte Ian Blackford von der schottischen Nationalpartei SNP und forderte ein neues Unabhängigkeitsreferendum für Schottland.
In seiner Rede wiederholte der neue Regierungschef wichtige Positionen der Antrittsrede, die er am Mittwoch nach seiner Ernennung durch Königin Elizabeth II. gehalten hatte. Mit Optimismus und Elan könne die Insel zum „besten Land der Welt“werden, beteuerte Johnson und zeichnete eine rosige Zukunftsvision für 2050: Großbritannien mit wachsender Bevölkerung die größte Wirtschaftsmacht Europas, mit deutlich geringeren regionalen Unterschieden und höherer Produktivität, besseren Schulen und Gesundheitsversorgung. Ausdrücklich bekannte sich der Premier zum Ziel, die Insel bis zur Mitte des Jahrhunderts CO2-neutral zu machen.
Zum EU-Austritt bekräftigte der Konservative seine harte Haltung. Er habe den bisherigen Umweltminister Michael Gove als Minister im Kabinettsbüro mit der Vorbereitung des No Deal betraut. Gove gehörte wie Johnsons neuer Chefberater Dominic Cummings zum Leitungsteam der „Vote Leave“-Kampagne im EUReferendum vor drei Jahren und gilt als einer der fähigsten Minister der bisherigen Regierung, hatte aber im Frühjahr deutlich vor dem No Deal gewarnt. Sein Land werde am Austrittsdatum 31. Oktober festhalten, sagte Premierminister Johnson.
Hartnäckig hielten sich am Donnerstag, dem letzten Sitzungstag des Unterhauses vor der Sommerpause, Spekulationen darüber, Johnson werde bereits im Herbst Neuwahlen herbeiführen. Der Grund: Für seine harte Brexit-Linie gibt es im derzeitigen Unterhaus wohl keine Mehrheit.