Alpenjuwelen glänzen von der Zugspitze bis Südtirol
Das Gebirge lässt sich auf leichten Wanderwegen auch ganz bequem überqueren
Eine Alpenüberquerung gehört zu den beliebtesten Vorhaben in einem Wandererleben, nur bleibt sie allzu oft ein schöner Traum. Beim Klassiker OberstdorfMeran auf dem E 5 kann man leicht schon angesichts der Karte mit den Höhenmetern ins Schwitzen kommen. An die 1000 sind es, die täglich gestemmt werden wollen. Von den Anforderungen an Schwindelfreiheit und Trittsicherheit ganz zu schweigen. Der Bergführer und Geograf Georg Pawlata hat das Problem früh erkannt und nun schon die zweite Lightversion einer Alpenüberquerung erarbeitet, die auch sportlich weniger Versierten ein von Stress und Gefahren ungetrübtes Naturund Erfolgserlebnis verschaffen will.
Das Gepäck wird transportiert
Den Anstoß dazu, sagt der Innsbrucker bei der Premiere seiner „Alpenjuwelen“-Tour von der Zugspitze nach Südtirol, sei die dramatische Rettung eines Wanderers aus Belgien gewesen, der in den Tiroler Alpen über eine Felsplatte gerutscht war. „Es braucht Wege, die leichter sind“, hat er sich damals gedacht. Sechs Jahre hat er an einer Idealroute getüftelt, die nur über leichte bis mittelschwere Wege führt, mit halb so vielen Höhenmetern wie bei den Hardcore-Strecken, dafür mit Seilbahnfahrten, Hotelübernachtung und Gepäcktransport. Herausgekommen ist 2014 die Alpenüberquerung Tegernsee-Sterzing, in ihrer Art inzwischen selbst ein Klassiker. Die „Alpenjuwelen“wurden nun nicht mehr als durchgängiger Weitwanderweg konzipiert, sondern als eine Art Best-of-Tour leichter Wanderwege, die der „Wegefinder“Georg Pawlata zwischen Garmisch-Partenkirchen und Bozen ausfindig machen konnte.
Beim Start ist den Alpenüberquerern ihr großes Vorhaben denn auch nicht gleich anzusehen, als sie nur mit leichtem Tagesrucksack ausgestattet nostalgisch-gemütlich per Zahnradbahn Richtung Zugspitze zuckeln. Draußen gleitet die oberbayrische Bilderbuchlandschaft vorbei. Drinnen flackern alte Filme aus der Pionierzeit der Alpenerschließung über den Bildschirm. Die heroischen Erbauer der Bahn haben auch den steilen, gut vier Kilometer langen Tunnel in den Fels getrieben, der heute die Station Riffelriss mit dem Zugspitzplatt verbindet. Wer dort oben noch nie war, kann jetzt die Gelegenheit nutzen und die Aussicht über die grandiose Gipfelwelt genießen. Die erste Etappe der Alpenjuwelen beginnt dann am Riffelriss mit einem besonders schönen Blick auf den Eibsee, wie er als türkisblaues Juwel tief unten eingebettet zwischen den Berghängen liegt. Auf der Tiroler Seite des höchsten Berges Deutschlands geht es dann erstmal gemächlich bergab, acht Kilometer durch laubgrünen Wald und blühende Wiesen bis mitten hinein ins alpenländisch geschmückte Ehrwald und hier direkt ins Hotel.
Es war ihm wichtig bei der Planung, dass die Wanderer ihre Unterkunft am Ende des Tages zu Fuß erreichen können, sagt Georg Pawlata. So kann jeder Einzelne sein Tempo für sich selbst bestimmen und muss sich nicht stressen, etwa weil zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Shuttle auf ihn wartet. Zum Konzept gehört auch die Freiheit, mal eine Etappe auszulassen, stattdessen am Morgen einfach mit dem Gepäcktransport zum nächsten Zielort zu fahren, um den Tag dort nach eigenem Gusto zu verbringen. Mit einem Besuch im Kulturhaus Ganghofermuseum Leutasch zum Beispiel.
Kein Mensch wird ohne Not auf die Etappe von Ehrwald nach Leutasch verzichten und sich das Gaistal entgehen lassen. Zumal der Aufstieg zu dem gut 16 Kilometer langen Hochtal, das als Kanada Tirols bekannt ist, locker per Gepäckbus und Ehrwalder Almbahn vonstatten geht. Die Gletscher der letzten Eiszeit haben es tief zwischen das Wettersteingebirge und die Mieminger Kette eingegraben. Bis in den Sommer hinein werden die Wanderer hier vom Donnern der Nassschneelawinen begleitet, die in großer Höhe über die Felswände abgehen. So wie jetzt am Totenberg gegenüber dem Aufgang zum Ganghoferweg, wo das Dröhnen noch hörbar nachhallt. Der Wegeplaner Pawlata hat bei seiner Auswahl natürlich auf die Sicherheit geschaut. Trotzdem weist er darauf hin, dass man auch die Alpenjuwelen nicht unbedarft angehen sollte. „Auch wenn die Wege breit sind, kann plötzlich ein Gewitter aufziehen.“
Ein Ort, wie man sich ihn stiller und friedlicher kaum vorstellen kann, ist die Gaistalalm unweit des alten Jagdhauses, in dem der Schriftsteller Ludwig Ganghofer 20 Jahre lang seine Sommer verbrachte. Hier lohnt es sich für den Wanderer noch ein bisschen zu verweilen, auch wenn er den köstlichen Kaspressknödel, der hier in der Suppe serviert wird, längst verspeist hat.
Das Schöne an den Alpenjuwelen ist ihre Vielfalt und damit verbunden die ungetrübte Vorfreude auf die nächste Etappe. Kein Mensch muss befürchten, irgendwann nicht mehr mithalten zu können, selbst wenn die Überquerung der Zentralalpen ansteht. Die Etappe Stubaital-Kalkkögel geht laut Tourenplan über acht Kilometer, 100 Höhenmeter bergauf, 850 Höhenmeter bergab und dauert dreieinhalb Stunden. Georg Pawlata hat sie so angelegt, dass die Kalkkögel, die „Nordtiroler Dolomiten“, die Wanderer vom ersten Schritt an begleiten.
Wie ein Gemälde
Ein echtes Juwel gibt es zum Finale in Südtirol. Die letzte Etappe von Mölten nach Jenesien zieht sich über den Salten, ein Hochplateau in den Sarntaler Alpen. Eine Landschaft mit sanftgrünen Lärchenwiesen, die eine eigentümliche Atmosphäre ausstrahlt, auch und gerade bei Regen. Die schönen Haflinger, die ruhig unter den ausladenden Ästen der Bäume verharren, fügen sich in das Gemälde. Da macht es fast nichts, wenn sich die große Kulisse aus Dolomiten, Brenta-Gruppe und AdamelloMassiv in Wolken hüllt und auf besseres Wetter wartet. Als der Weg sich durch den Wald hinab nach Jenesien schlängelt, ist nur die Spitze des Kirchturms zu entdecken. Aber dann am nächsten Morgen auf der Fahrt mit der Seilbahn durch die Weinberge hinab nach Bozen wird der Vorhang gelüftet und es präsentieren sich die Dolomiten mit ihren schönsten Juwelen. Die der Alpenjuwelen sind zwischen acht und 15,5 Kilometer lang. Es werden maximal 400 Höhenmeter überwunden. Weitere unter Die Recherche wurde unterstützt von ARGE Weitwandern.